Stromversorgung: Die Habeck-Alternative: Wie die Netzbetreiber sicheren Strom garantieren wollen
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Zu teuer, mit falschen Anreizen und unter EU-Recht problematisch – Habecks Kraftwerksstrategie bekommt viel Kritik. Der Netzbetreiber TransnetBW legt einen eigenen Vorschlag für Ersatzkraftwerke vor.
Wenn Wind- und Sonnenenergie den Großteil der Stromversorgung übernehmen, braucht es künftig Anlagen, die sicher einspringen, wenn zu wenig erneuerbare Energie produziert wird. Dazu hat der Bundeswirtschaftsminister zuletzt eine Kraftwerksstrategie vorgelegt. Gaskraftwerke sollen gebaut werden, die sich als Reserveanlagen betriebswirtschaftlich eigentlich nicht lohnen. Doch nun kommt aus der Branche erneut Kritik, dass die Pläne von Minister Robert Habeck (Grüne) nicht ausreichen, EU-rechtlich angreifbar und zudem teurer sind als notwendig.
Einer der vier großen Netzbetreiber in Deutschland, die TransnetBW im Süden der Republik, will nun schnell Lösungen befördern. Denn ohne klare Bedingungen, Zeitpläne und eine Finanzierung werden keine Reservekraftwerke gebaut, die allerdings schon in wenigen Jahren gebraucht werden. Dabei hat der Chef von TransnetBW, Werner Götz, vor allem die Industrie im Süden im Blick, die viel Strom braucht, der immer mehr in Windparks im Norden und Osten des Landes oder gar im Meer produziert wird. Doch müssen diese Anlagen immer wieder abgeschaltet und Entschädigung gezahlt werden, weil die zeitweise enorme Menge Strom nicht über die Netze abtransportiert werden kann.
Götz mahnt zur Eile: „Zurzeit gibt es nicht genug Anreize, um ein Kraftwerk zu bauen, das die Lücken bei den Erneuerbaren schließt.“ Die Pläne aus dem Habeck-Ministerium seien zudem recht teuer für die Leistung, die angereizt werden solle. Und die Subventionen seien möglicherweise nicht mit dem EU-Wettbewerbsrecht vereinbar. „Wir haben einen Vorschlag, der mit den Beihilferegeln der EU vereinbar ist und den Staat kein zusätzliches Geld kostet“, argumentiert Götz. Rasches Handeln sei wichtig, um Stabilität in der Stromversorgung zu schaffen und das Risiko für Investoren zu verringern.
In dem Konzept würde den Kraftwerksbetreibern eine garantierte Menge Strom im Jahr abgenommen und eine garantierte Zahl an Stunden Lieferung vereinbart. „Wir nennen das Ganze einen Neubau-Vorschuss,“ sagt Netzbetreiber-Chef Götz, der für die großen Stromtrassen im Industrie-Bundesland Baden-Württemberg zuständig ist. TransnetBW geht davon aus, dass auch in den kommenden Jahren weiter überschüssige Energie aus Windanlagen im Norden und Osten abgeregelt werden muss. Zugleich werden bereits jetzt Ersatzkraftwerke benötigt, um in diesen Situationen im Süden und Westen einzuspringen, obwohl insgesamt genug Strom da wäre – nur nicht an der richtigen Stelle in der benötigten Menge.
Allein voriges Jahr waren für diese Ausnahmesituationen rund 3,3 Milliarden Euro in ganz Deutschland zu zahlen. Diesen Redispatch-Betrag müssen alle Verbraucher über die Netzentgelte im Strompreis mitbezahlen. Die Situationen ließen sich einigermaßen sicher prognostizieren, heißt es bei TransnetBW. In einer bei der Beratungsfirma Enervis beauftragten Studie werden zwischen 600 und 1000 Stunden im Jahr als realistisch beschrieben, in denen Erneuerbaren-Anlagen heruntergefahren und der Redispatch organisiert wurde.
Das Geld für dieses Ab- und Umregeln will TransnetBW nun mit den Ergebnissen der Studie ausgerüstet anders verteilen. Der Staat könnte den Betreibern neuer Ersatzkraftwerke erwartete Einnahmen aus diesen Einsätzen garantieren. Die Zahlungen fürs Redispatch dürften ohnehin anfallen, sie könnten aber zum Beispiel dann für fünf Jahre an Betreiber eines neuen Kraftwerkes gezahlt werden. Das wäre der Neubau-Vorschuss. „Dieser kann für Kraftwerke fließen, die an Stellen geplant werden, an denen sie netzdienlich sind“, wirbt Götz. Er mache Kraftwerde zudem dort attraktiver, wo sie gebraucht würde – im Süden und Westen.
Die Kraftwerksstrategie soll den Bau von Kraftwerken anreizen, die als Back-up dienen, wenn die Erneuerbaren zu wenig Strom für die Nachfrage zu liefern. Nach den Plänen des Wirtschaftsministeriums sollen zunächst Gaskraftwerke mit einer Gesamtleistung von bis zu zehn Gigawatt (GW) ausgeschrieben werden. Die ersten Ausschreibungen sollen im zweiten Halbjahr 2024 starten. Die Anlagen sollen erst mit Erdgas betrieben werden und später auf Wasserstoff umgestellt werden. Die angestrebte Leistung entspricht etwa 20 großen Gaskraftwerksblöcken.
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