Steuererklärung: Warum eigentlich schützt selbst der Tod nicht vor dem Finanzamt?
Ein Brief vom Finanzamt Berlin, am 20.02.2016 in Berlin. Foto: picture alliance / Robert Schlesinger data-portal-copyright=
Wenn ein Angehöriger stirbt, denkt kaum einer an offene Steuererklärungen. Aber auch steuerliche Pflichten gehen an die Erben. Dabei lauern einige Fallstricke.
Vor dem Finanzamt gibt es kein Entkommen – selbst der Tod schützt nicht vor Steuerzahlungen. Wenn Steuerpflichtige sterben, gehen die steuerlichen Pflichten an ihre Erben über. Das kann sehr unangenehm sein, vor allem dann, wenn Verstorbene keine ordentliche Steuer-Buchführung hinterlassen, nachlässig mit ihren Steuererklärungen waren oder gar vorsätzlich Einnahmen verschwiegen haben.
Hinzu kommt: Immer mehr Rentner müssen ihre Rentenzahlungen versteuern – mitunter, ohne es zu wissen. Wenn die Erben solche und ähnliche Versäumnisse entdecken, müssen sie schnell handeln. Ansonsten können sie selbst der Steuerhinterziehung bezichtigt werden.
Wie Sie das vermeiden und wann sich die freiwillige Abgabe von Steuererklärungen im Erbfall lohnen kann.
Wer muss sich um die Steuern des Verstorbenen kümmern?
Wer ein Erbe antritt, übernimmt sämtliche Rechte und Pflichten des Verstorbenen. Dazu gehört auch die Pflicht, Steuern zu zahlen und gegebenenfalls eine Steuererklärung abzugeben.
„Wenn eine Erbengemeinschaft das Erbe antritt, sind grundsätzlich alle Erben verpflichtet, die Steuererklärung gemeinsam zu bearbeiten oder einen Steuerberater zu engagieren“, sagt Agnes Fischl, Steuerberaterin und Fachanwältin für Erbrecht aus München. Wer lediglich Vermächtnisnehmer ist, muss sich um solche organisatorischen Dinge nicht kümmern.
Für wen muss eine Steuererklärung abgegeben werden?
Auch wenn ein Verstorbener in der Vergangenheit nie eine Steuererklärung abgegeben hat, sollten Erben nicht einfach annehmen, dass der Verstorbene nicht dazu verpflichtet war. „Auch in der Finanzverwaltung ist das Personal knapp. Deshalb kann auf diesem Wege nicht jeder Rentner über seine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung informiert werden”, sagt Michael Ehrentreich, Steuerexperte beim Bund der Steuerzahler (BdSt). Außerdem seien die Finanzämter dazu auch nicht verpflichtet.
Anders als bei Lohn und Gehalt wird die Steuer auf Renten nicht automatisch einbehalten. Rentnern wird zunächst ihre volle Rente – nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen – überwiesen. Die Höhe der Steuern errechnet das Finanzamt erst nach Abgabe einer Steuererklärung. Durch jährliche Rentenerhöhungen können zudem auch solche Rentner in die Steuerpflicht geraten, die in den ersten Rentenjahren noch nicht steuerpflichtig waren.
Keine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung besteht zum Beispiel dann, wenn der Verstorbene alleinstehend war, nur von einem Arbeitgeber Lohn bezogen hat und keine weiteren Einkünfte von mehr als 410 Euro hatte – etwa aus einer Nebentätigkeit, einer Vermietung oder in Form von Lohnersatzleistungen wie Eltern- oder Kurzarbeitergeld.
Wenn eine Erbengemeinschaft das Erbe antritt, sind grundsätzlich alle Erben verpflichtet, die Steuererklärung gemeinsam zu bearbeiten oder einen Steuerberater zu engagieren.
Häufig kann sich auch eine freiwillige Steuererklärung lohnen. „Erben können diese noch vier Jahre rückwirkend für einen Verstorbenen einreichen und so ihre Erbschaft erhöhen“, sagt Ehrentreich. Besonders hoch können die Erstattungen sein, wenn ein Verstorbener viel Geld gespendet hat, hohe Krankheitskosten oder eine Haushaltshilfe hatte.
Welche Fristen gelten für Erben?
Grundsätzlich gelten für Erben keine verlängerten Fristen. Wer zur Abgabe der Steuererklärung für 2023 verpflichtet ist und keine professionelle Hilfe eines Lohnsteuerhilfevereins oder einer Steuerberaterin in Anspruch nimmt, muss die Erklärung bis spätestens 2. September 2024 abgeben.
Wer die Frist nicht schafft, kann beim Finanzamt um eine Fristverlängerung bitten. „In solchen besonderen Situationen oder zum Beispiel auch, wenn man selbst schwer erkrankt ist, stimmen die Finanzbeamten meist einer Fristverlängerung von einigen Wochen zu“, sagt Ehrentreich vom BdSt.
Was tun bei nicht erklärten Einnahmen?
Die Zeiten, in denen Vermögende im großen Stil Geld auf Konten im Ausland – insbesondere in der Schweiz – geparkt haben, sind vorbei. Der Automatische Informationsaustausch (AIA) zwischen internationalen Steuerbehörden macht solche „Steuersparmodelle“ quasi unmöglich. „Früher kam es in unserer Beratung häufiger vor, dass Auslandskonten mitunter über mehrere Generationen fortgeführt wurden und ein Erbe reinen Tisch machen wollte“, berichtet Martin Wulf, Steueranwalt und Partner der Kanzlei Streck Mack Schwedhelm.
Inzwischen gebe es andere Themen: „Heute entdecken Erben eher mal nicht erklärte Einkünfte aus einem vermieteten Ferienhaus oder stoßen auf Ungereimtheiten in den Büchern eines kleinen Familienbetriebs“, berichtet Wulf. Dann stelle sich zuerst die Frage, ob eine Steuerhinterziehung bereits verjährt ist.
„Spätestens drei Jahre, nachdem eine Steuerschuld aus verschwiegenen Einnahmen entstanden ist, beginnt die zehnjährige steuerliche Verjährungsfrist. Nach etwa 13 Jahren sind offene Steueransprühe dann verjährt“, so der Steueranwalt. Strafrechtlich laufe eine Verjährungsfrist von fünf Jahren. In besonders schweren Fällen, bei denen es um hinterzogene Steuern von mehr als 50.000 Euro geht, verlängere sich die Verjährungsfrist auf 15 Jahre. „Die strafrechtlichen Fristen sind für den Erben selbst in der Regel jedoch nicht relevant“, so Wulf. Denn der Erblasser, der die Steuerstraftat begangen hat, ist schließlich verstorben und kann strafrechtlich nicht mehr belangt werden.
Wer entdeckt, dass ein Verstorbener in den letzten Jahren vor seinem Tod unrichtige oder unvollständige Steuererklärungen abgegeben hat, muss dies dem Finanzamt melden. Laut Paragraf 153 der Abgabenordnung muss dies „unverzüglich“ geschehen. „Mehr als drei oder vier Wochen sollte man besser nicht verstreichen lassen“, rät Wulf.
Eine Information darüber, welche Steuererklärungen berichtigt werden müssen, reiche zur Wahrung der Frist zunächst aus. Im zweiten Schritt könne dann eine ausführliche Nacherklärung folgen, so Wulf. Darin müssen Erben den Sachverhalt so detailliert wie möglich aufklären. Liefen die Zahlungen über ein deutsches Bankkonto, sind die Informationen noch mindestens zehn Jahre bei der Bank verfügbar. Schwieriger ist es bei Bargeldzahlungen, sie müssen gegebenenfalls geschätzt werden.
Sind die Steuernachzahlungen höher als der Nachlass oder befinden sich im Nachlass Vermögenswerte wie Immobilien, die nicht ohne Weiteres sofort in Geld umgewandelt werden können, müssen Erben diese Schulden aus ihrem privaten Vermögen begleichen. Aus Sorge davor muss aber nicht gleich das ganze Erbe ausgeschlagen werden. In Zweifelsfällen können Erben eine Nachlassverwaltung beantragen. „Dadurch können sie zwar nicht mehr selbst über den Nachlass entscheiden, haften aber auch nicht mehr mit ihrem privaten Vermögen“, sagt Anwältin Fischl.
Durch Erbschaft zur Steuererklärungspflicht?
Wenn ein Bankkunde stirbt, meldet die Bank automatisch die Stände von Konten und Depots an das Finanzamt und erstellt darüber eine Bescheinigung. Kapitalerträge, die nach dem Todestag zufließen, werden den Erben zugerechnet. Gleiches gilt zum Beispiel für Mieteinnahmen oder Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb. Dadurch kann sich für Erben eine Pflicht zur Abgabe einer eigenen Steuererklärung ergeben, die vor der Erbschaft womöglich noch nicht bestand.
Hinzu kann die Pflicht zu einer Erbschaftsteuererklärung kommen. „Die Erbschaft von Immobilien, Betriebsvermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften muss dem Finanzamt innerhalb von drei Monaten nach dem Tod des Erblassers angezeigt werden“, sagt Fischl. Daraufhin prüfe das Finanzamt, ob der steuerliche Freibetrag ausreicht oder eine Erbschaftsteuererklärung abzugeben ist.