Stefanie Stahl im Gespräch - Warum eine Ursache von Depressionen häufig in der Kindheit zu finden ist

stefanie stahl im gespräch - warum eine ursache von depressionen häufig in der kindheit zu finden ist

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Bei der Entstehung von Depressionen spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle. Viele Betroffene haben jedoch eines gemeinsam: einen schlechten Zugang zu ihren Emotionen. Warum die Ursache dafür häufig in der Kindheit zu finden ist, erklärt die Psychologin Stefanie Stahl im Interview.

Depressionen zeigen sich in den unterschiedlichsten Formen und Schweregraden. Die Krankheit lässt sich einerseits durch genetische Faktoren erklären, andererseits haben Entstehung und Schwere auch immer mit der individuellen Lebensbiografie eines Menschen zu tun. Hier spielen Lebenswandel, Traumata und auch die Kindheit eine wichtige Rolle.

Die bekannte Psychologin und Bestseller-Autorin Stefanie Stahl erklärt im FOCUS-online-Interview, wie Depressionen mit der Gefühlswelt der Betroffenen zusammenhängen, warum eine Ursache der Erkrankung häufig in den ersten Lebensjahren zu finden ist und was dann helfen kann.

Frau Stahl, warum entwickeln manche Menschen eine Depression und andere nicht?

Stefanie Stahl: Bei der Entstehung von Depressionen spielen Stoffwechsel-Prozesse eine Rolle, genetische Faktoren, aber auch Traumatisierungen. Meistens wirken mehrere Sachen zusammen: Jemand hat vielleicht eine genetische Disposition für Depressionen und dann kommen stressauslösende Faktoren hinzu. Die typischste und bekannteste Depression, die auch jeder mal erlebt, ist eine starke Trauer-Reaktion auf Verlust-Erlebnisse.

Die klinische Depression sieht aber noch ein bisschen anders aus. Da fühlen die Menschen noch nicht mal unbedingt Trauer, sondern sie beklagen vor allem ein komplettes Abhandensein von Gefühlen.

Warum ist es gefährlich, wenn wir nichts mehr fühlen?

Stahl: Ohne unsere Gefühle hätten wir keinen Lebenswert. Wenn wir nichts fühlen – wie es bei schwer Depressiven der Fall ist – dann ist alles gleichgültig und belanglos.

Unsere Gefühle bewerten das, was wir erleben. Dass wir Glücksgefühle empfinden können, ist wahnsinnig wichtig, weil uns das Leben sonst nichts bedeuten würde.

Genau das ist bei depressiven Menschen der Fall: Sie empfinden weder Glück noch Hoffnung. Hoffnung ist die Ersatzdroge für Glück. Das heißt: Wenn man gerade in einer schwierigen Lebenssituation ist und wenigstens die Hoffnung hat, dass es irgendwann besser wird, dann kann man durchhalten. Aber wenn man selbst die Hoffnung verliert, dann bröckelt auch der Lebenswillen.

Ohne unsere Gefühle hätten wir also auch keine Motivation, überhaupt irgendetwas zu tun. Erklärt das auch den Antriebsmangel bei depressiven Menschen?

Stahl: Ja, denn Gefühle machen auch immer Handlungsvorschläge. Das heißt, dadurch, dass Gefühle bewerten, was wir erleben, raten sie uns auch, in welche Richtung wir als nächstes gehen sollen. Ob wir uns jetzt annähern und sagen, das scheint eine gute Richtung zu sein, das mache ich, also eine positive Entscheidung für etwas treffen, oder uns auch gegebenenfalls gegen etwas entscheiden. Menschen, die einen schlechten Zugang zu ihren Gefühlen haben, haben auch immer Entscheidungsschwierigkeiten, weil sie keinen klaren emotionalen Ausschlag haben, in welche Richtung sie sich bewegen sollen.

Depressive Menschen haben den Eindruck, dass sie ihrer Stimmung, ihren Beziehungen, ihrem gesamten Leben ausgeliefert sind und keine Handlungsmöglichkeiten mehr haben. So entsteht ein Zustand der Resignation und der Aufgabe jeglicher Bemühungen.

 

Woran kann es liegen, dass jemand einen schlechten Zugang zu seinen Gefühlen hat?

Stahl: Hier spielt die Kindheit eine wichtige Rolle. Denn unser Gehirn muss sich in der Kindheit erst noch verknüpfen. Wir kommen mit einem relativ unfertigen Gehirn auf die Welt, das aber wahnsinnig viele Verknüpfungsmöglichkeiten bereitstellt. Die Verknüpfung geschieht immer in enger Interaktion mit der Umwelt. Ein wesentlicher Teil der Umwelt sind natürlich die Eltern.

Wenn es den Eltern nicht gelingt, sich genügend feinfühlig auf das Kind und seine Bedürfnisse einzustellen, dann lernt das Kind sehr früh, sich seinerseits auf die Eltern einzustellen. Das Kind verhält sich also so, dass es möglichst gut mit den Eltern harmoniert. Kinder sind abhängig von ihren Eltern und müssen mit ihnen zurechtkommen. Kinder lieben ihre Eltern auch immer und würden alles dafür tun, um den Eltern zu gefallen.

Wenn ich jetzt sehr früh lerne, mich immer auf die Eltern einzustellen, also: Wie muss ich mich verhalten, damit meine Eltern glücklich sind? Wie muss ich mich verhalten, damit Mama und Papa nicht streiten? Wie muss ich mich verhalten, damit ich möglichst viel gelobt werde, oder damit möglichst wenig mit mir geschimpft wird? Wenn die Anpassungsleistungen schon im Kindesalter sehr hoch sind, dann lernt das Kind schon sehr früh, seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse, die ja immer mit den Gefühlen eng verbunden sind, zu unterdrücken. Dadurch entwickelt das Kind einen schlechten Draht zu seinen Gefühlen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Stahl: Ein Vierjähriger kommt aus dem Kindergarten nach Hause und ist traurig, weil sein Freund nicht mit ihm spielen wollte. Wenn Mutter oder Vater darauf nicht eingehen, oder sogar sagen, „das ist doch nicht schlimm“ und so etwas häufiger geschieht, dann lernt das Kind nicht, diese Gefühle richtig zu benennen. Wenn die Bezugsperson aber sagt: „Du bist traurig“, dann weiß das Kind schon mal: Ah, dieses Gefühl, das ich da empfinde, heißt traurig. Und zweitens: Das Gefühl ist angemessen und ich darf traurig sein. Durch diese verbale und einfühlsame Begleitung entwickeln Kinder einen Draht zu ihren Gefühlen.

Warum ist gerade die frühe Kindheit so entscheidend?

Stahl: In den ersten zwei Lebensjahren bildet sich unser limbisches System, also der Sitz der Emotionen, zum Teil noch aus. Wenn Eltern lieblos sind, oder wenig Zeit haben, oder vielleicht auch wenig Bindungsfähigkeit haben und das Baby sehr oft schreit, aber niemand kommt, sodass seine Nähewünsche nicht richtig von den Eltern beachtet werden – dann lernt dieses Baby früh, diese Nähewünsche zu unterdrücken, damit es gar nicht immerzu in die Bedürftigkeit kommt. Und dann bilden sich tatsächlich auch gewisse hormonelle Kreisläufe im Gehirn nicht richtig aus. Hormone sind jedoch die die Träger unserer Emotionen. Wenn das schon in den ersten zwei Lebensjahren passiert, dann wird dieser Mensch im Erwachsenenalter Probleme haben.

Welche Probleme zum Beispiel?

Stahl: Menschen, die im Herzen überangepasst sind, weil sie schon als Kinder gelernt haben, ihre Bedürfnisse und ihre Gefühle zu verleugnen, haben eine Prädisposition für ein Burn-out, aus dem sich auch eine Depression entwickeln kann.

Denn wer seine Gefühle nicht richtig wahrnimmt, der nimmt auch nicht wahr, wenn er sehr erschöpft ist und eine Pause bräuchte. Diese Menschen nehmen die Grenzen ihrer Belastbarkeit viel schlechter wahr, sodass sie sehr, sehr lange über ihre körperliche und seelische Belastungsgrenze hinausgehen und dabei noch das Gefühl haben, sich erfolglos zu bemühen. Sie strengen sich wahnsinnig an und fühlen sich nicht mal erfolgreich dabei.

 

Was kann Menschen helfen, die eine Depression haben?

Stahl: Das kommt ganz darauf an, wie stark die Depression ausgeprägt ist. Bei schwer Depressiven ist der Hirnstoffwechsel derartig aus dem Gleichgewicht geraten, dass mit Medikamenten, oder, was ich aktuell für sehr erfolgsversprechend halte, mit MDMA-Präparaten, zunächst dafür gesorgt werden muss, dass sie aus diesem Zustand herausfinden. Denn diese Menschen sind durch Gespräche nicht mehr zu erreichen.

Bei leichteren und mittelschweren Depressionen oder Burn-out, was ja eine Erschöpfungsdepression ist, ist es wichtig, wieder einen guten Draht zur eigenen Gefühlswelt herzustellen. Wenn Menschen in ihrer Kindheit überangepasst waren und immer überlegt haben, was andere von ihnen erwarten, haben sie wie gesagt oft Schwierigkeiten, ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche richtig wahrzunehmen.

Es ist also hilfreich, ganz bewusst auf sich zu achten, die eigenen Gefühle bewusst zu spüren und auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass es einem selbst gut geht – anstatt zu erwarten, dass im Außen etwas Positives passiert.

Wie kann man am besten in Kontakt zu den eigenen Gefühlen kommen?

Stahl: Das Wichtigste ist, dass man die Gefühle überhaupt fühlt. Das klingt banal, aber viele Menschen haben Schwierigkeiten damit. Es kann helfen, mal eine Bestandsaufnahme zu machen und sich zu fragen: Was sind Gefühle, die mir vertraut sind und die ich mir erlaube zu fühlen? Und: Gibt es vielleicht auch Gefühle, die mir wenig vertraut sind?

Dann kann man auch mal einen Blick in die Kindheit werfen: Wie war denn das bei mir daheim? Dufte ich alle Gefühle fühlen? Oder gab es in meinem Elternhaus bestimmte Gefühle, mit denen meine Eltern gar nicht gut umgehen konnten, sodass ich schon früh gelernt habe, sie beiseite zu schieben und zu unterdrücken?

Als nächstes kann man versuchen, wieder einen besseren Kontakt zu seinen Gefühlen zu bekommen. Und das gelingt in der Regel dann, wenn ich ihnen überhaupt Beachtung schenke. Denn das Ignorieren von Gefühlen ist bei vielen Menschen ein automatisierter Prozess. Dieser Automatisierung kann man Achtsamkeit entgegensetzen.

Achtsamkeit?

Stahl: Ich empfehle den Betroffenen, zehn Mal am Tag innezuhalten und sich zu fragen: Wie geht es mir eigentlich gerade? Welches Bedürfnis habe ich gerade? Das heißt nicht, dass man jedem Bedürfnis gleich nachgibt. Aber dass man es überhaupt mal wahrnimmt. Das heißt, man fängt an, seine Wahrnehmung auf das eigene Gefühlsleben wieder stärker zu schulen.

Und wenn man merkt, dass es Gefühle gibt, die sich gar nicht zeigen wollen, dann kann man die auch ruhig mal triggern. Zum Beispiel wenn man feststellt, zu Trauer habe ich einen ganz schlechten Zugang, dann kann man sich ganz gezielt einen traurigen Film anschauen. Oder wenn ich merke, ich bin sehr aggressionsgehemmt, dann kann ich einen kleinen Funken Wut nutzen – ihn nicht gleich wegschieben, sondern ihm innerlich Raum geben.

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