Spionageverdacht: Razzia bei AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah
Seit dem Morgen werden nach ZEIT-Recherchen Büroräume im Europaparlament durchsucht. Der AfD-Politiker gilt als Zeuge im Spionageverfahren gegen seinen Mitarbeiter.
AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah bei einem Parteitag im vergangenen Jahr
Der Generalbundesanwalt hat am Dienstagmorgen Büroräume des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, in Brüssel durchsuchen lassen. Die Razzia in einem Gebäude des Europaparlaments steht nach Informationen der ZEIT im Zusammenhang mit der Verhaftung von Krahs langjährigem Mitarbeiter Jian G. vor zwei Wochen. Der 43 Jahre alte gebürtige Chinese steht im dringenden Verdacht, ein chinesischer Spion zu sein. Der Generalbundesanwalt wirft ihm “Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall” vor. G. soll unter anderem interne Diskussionen über Entschließungsanträge an Mitarbeiter eines chinesischen Geheimdienstes weitergeleitet haben. Er sitzt seit Ende April in Untersuchungshaft. Maximilian Krah wird in dem Spionageverfahren der Bundesanwaltschaft nach ZEIT-Recherchen als Zeuge geführt, nicht jedoch als Beschuldigter. Er bestreitet, etwas mit der Spionageaffäre seines Mitarbeiters zu tun zu haben.
Als Europaabgeordneter genießt Krah den Schutz der parlamentarischen Immunität – solange diese nicht aufgehoben ist, darf gegen ihn nicht ermittelt werden. Allerdings hatte die Bundesanwaltschaft für die Razzia die Zustimmung des Europaparlaments eingeholt. Die Durchsuchung im Altiero-Spinelli-Gebäude galt den gemeinsam genutzten Räumlichkeiten. Dort, im fünften Stock, hatten Krah und der mutmaßliche Spion bis Ende April Tür an Tür gearbeitet. Die aktuelle Durchsuchung ist für die AfD in mehrerlei Hinsicht ein Problem. Zum einen erinnert sie daran, wie nah der chinesische Geheimdienst dem AfD-Spitzenkandidaten mutmaßlich gekommen ist. Zum anderen gilt nicht als ausgeschlossen, dass bei der Durchsuchung weitere Erkenntnisse anfallen, die nicht nur Jian G., sondern auch Krah selbst belasten. Die Bundesanwaltschaft bestätigte auf Anfrage der ZEIT die Razzia, nannte aber keine weiteren Details.
Der Verdacht, ein enger Mitarbeiter des Spitzenkandidaten könnte ein chinesischer Spion sein, überschattet seit zwei Wochen den Start der AfD in den Europawahlkampf. Nach der Verhaftung des gebürtigen Chinesen hatte die Parteiführung Krah zunächst in eine kurze Zwangspause geschickt, der offizielle Wahlkampfauftakt der AfD für die Europawahl fand ohne den Spitzenkandidaten statt. Vergangene Woche allerdings trat Krah bereits wieder auf – in Chemnitz und in Dresden.
Der Jurist aus Sachsen war als Europaabgeordneter in den vergangenen Jahren wiederholt mit besonders chinafreundlichen Positionen aufgefallen. Ob und welchen Einfluss der chinesische Mitarbeiter darauf hatte, ist unklar. Anfang April hatte Krah im Gespräch mit der ZEIT noch von der Fachkompetenz des Assistenten geschwärmt und ihn als “unverzichtbar” für seine Arbeit im Handelsausschuss des Europaparlaments gelobt. Inzwischen hat Krah seinem langjährigen wissenschaftlichen Mitarbeiter nach eigenen Angaben gekündigt.
Krah hatte den früheren Geschäftsmann in Dresden kennengelernt und 2019 in sein Team nach Brüssel geholt. Kurz darauf begleitete Jian G. den AfD-Politiker bereits auf eine Reise nach China. Schließlich trat er sogar in die AfD ein.
Die deutschen Ermittler verdächtigen G., spätestens seit jener Zeit für die Behörden in Peking gearbeitet zu haben. So soll er unter anderem im Januar 2024 wiederholt Informationen über “Verhandlungen und Entscheidungen im Europäischen Parlament” an seinen nachrichtendienstlichen Auftraggeber weitergegeben haben, unter anderem interne Informationen über Entschließungsanträge.
Der Handelsausschuss untersuchte daraufhin, welche Informationen aus dem Gremium an chinesische Dienste abgeflossen sein könnten. Nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Bernd Lange ergab eine interne Revision, dass Krahs Büro mehrfach als vertraulich eingestufte Dokumente aus einem internen Datenspeicher des Ausschusses abgerufen hatte. Hierbei handelte es sich der Untersuchung zufolge um Unterlagen der niedrigsten Geheimhaltungsstufe, die für die Ausschussmitglieder zum Download bereitstanden. Auf Dokumente mit höherer Geheimhaltungsstufe griff Krahs Büro nach Angaben des Ausschussvorsitzenden nicht zu.