«Sind Bomber im Anflug, bleibe ich im Dorf»

Von Bern nach Kiew. Seit 2016 lebt Marc Wilkins in der Ukraine. Bei Kriegsbeginn vor zwei Jahren flüchtete er zunächst, kehrte jedoch nur Stunden später zurück. Mit seiner kleinen Familie wohnt der Filmregisseur nun auf einem Bauernhof.

Aktuell bewegt mich die Frage, wie es sein kann, dass die demokratische Welt Russland nicht mehr entgegensetzt, damit dieser grausame Krieg endlich aufhört. Ich verstehe nicht, dass wir – trotzt Geschichtsbewusstsein und der Uno – zusehen müssen, wie eine Nation über Hunderttausende Leichen geht mit dem Ziel, den Nachbarstaat Ukraine, meine Wahlheimat, zu kolonialisieren.

Wenn ich morgens aufwache, höre ich unsere kleine Tochter Mathilda. Sie ist 16 Monate alt und erkundigt sich jeweils nach Mama und Tatu (Ukrainisch für Papa). Ausserdem höre ich die Vögel, die in unseren Apfelbäumen zwitschern. Danach checke ich jeweils immer ganz schnell die News, um zu sehen, ob sich die Frontlinie gefährlich verändert hat und wir vielleicht packen müssen – und manchmal hoffe ich, dabei zu lesen, dass Putin tot ist.

Zum Frühstück esse ich jeweils zwei pochierte Eier von den Hühnern unserer Nachbarn, dazu gibts ukrainischen Hartkäse von Mukko – der immer besser wird und es schon bald mit unserem Greyerzer in der Schweiz aufnehmen kann – sowie frisches Holzofen-Buchweizenbrot aus der Dorfbäckerei.

Zur Arbeit fahre ich meist gar nicht. Ich geniesse den Luxus, von zu Hause aus zu arbeiten: Als Regisseur besteht meine Tätigkeit darin, viel zu schreiben und zu recherchieren, was ich im Homeoffice sehr gut machen kann. Etwa zweimal wöchentlich fahre ich eine Stunde bis in die Stadt, nach Kiew. Ehe ich aufbreche, checke ich zuerst die Luftalarm-App auf meinem Smartphone, und falls da gemeldet wird, dass sich russische Bomber im Anflug befinden, bleibe ich in unserem Dorf.

Mein Arbeitstag dauert ungefähr acht Stunden. Wobei ich zwischendurch für meine Familie koche und andere Dinge erledige. Manchmal gehe ich auch zur Entspannung raus in den Garten, zupfe Unkraut oder bewundere die Tulpen, die meine Frau gesetzt hat. Stehen hingegen Dreharbeiten an, bin ich auch mal einige Wochen unterwegs und arbeite jeweils bis zu zwölf Stunden am Tag.

Am Feierabend gönne ich mir gern ein Glas kalten ukrainischen Wein vom Schwarzen Meer, schaue dazu eine packende Serie oder einen hochwertigen Dokumentarfilm.

«sind bomber im anflug, bleibe ich im dorf»

Serhii Korovainyi /

Typisch ukrainisch an mir ist, dass ich meine Familie gern selbst versorge mithilfe unseres grossen Gartens und einer eigenen Werkstatt. Ich repariere, renoviere und baue vieles selbst. Die Ukrainer sind äusserst freudige und unabhängige Do-it-yourselfer, die gelernt haben, Probleme zu lösen, ohne auf Hilfe «von oben» zu warten.

Touristen aus meiner Heimat zeige ich Kiews spannendes Kulturleben, angefangen bei ukrainischer Gegenwartskunst, beispielsweise in der Galerie The Naked Room, über Konzerte mit zeitgenössischer Musik (Fusion-Jams) bis hin zu einem der leckeren, lässigen Restaurants in der Innenstadt wie «Zigzag», «Japan Hi» oder «T. C. Pizza». Die Gastrokultur in der Ukraine ist – trotz Krieg – extrem vielseitig, sehr fein und aussergewöhnlich.

Überschätzt wird hier das Stereotyp des Wodka trinkenden, Lada fahrenden Kartoffelbauern. Das zu hören, macht mich immer ganz verrückt. Die ukrainische Gesellschaft ist modern, kultiviert – und sogar noch digitaler als die Schweiz. Allein schon, was in der Architektur- und Designszene passiert, ist sehr beeindruckend.

Was mich am meisten stört an der Ukraine: Aufgrund der wechselhaften Geschichte, in der man oft seine Liebsten sowie sein Hab und Gut schützen musste, gibt es zu viele Zäune, Schranken, verspiegelte Fenster und getönte Autoscheiben. Wenn man von aussen bedroht wird, schliesst man sich zusammen und kämpft gemeinsam, doch im Alltag misstraut man einander oft.

«sind bomber im anflug, bleibe ich im dorf»

Nastia Dolzhenytsia /

Aus der Schweiz vermisse ich das aktive Mitgestalten von Politik, aber auch das Schulsystem. Auch die

Ukraine hegt grosse Ambitionen, das Schulsystem zu modernisieren, doch durch den Krieg hat sich der Fokus

verschoben.

Die Schweiz kann von der Ukraine lernen, dass es ein Privileg ist, in Frieden zu leben und in Ruhe gelassen zu werden. Weder die Ukraine noch die Schweiz verspürten je Lust, zu expandieren oder andere Völker zu kolonialisieren. Beide Länder wollen über sich selbst bestimmen und in Frieden leben.

Schweizer Politik verfolge ich, indem ich wähle und mich an Abstimmungen beteilige. Natürlich beschäftigt mich das Thema Neutralität sehr, und es macht mit wütend, wenn die Schweiz Munitions- oder Waffenlieferungen in die Ukraine von Drittländern verbietet, weil wir ja «neutral» sind. Wenn wir dies wirklich wären, dürften wir auch nicht von Geschäften mit Ländern im Krieg profitieren.

Ich würde zurückkehren, wenn die Bombardierung durch Russland nicht aufhört. Ich mag mir nicht vorstellen, unserer Tochter eines Tages erklären zu müssen, dass es Menschen gibt, die uns mithilfe von Flugzeugen, Bomben und Kanonen umbringen wollen.

Mein Tipp an andere Auswanderer: Ich selbst sehe mich nicht als klassischen Auswanderer, da ich der Schweiz nicht den Rücken zukehre. Ich fühle mich als eine Art Doppelheimatbürger. Meine Sockenschublade ist in Kiew, das Auto in der Ukraine angemeldet, und in der Schweiz zahle ich Steuern, Krankenkasse und beteilige mich am politischen und kulturellen Leben. Ich kann mir gut vorstellen, eines Tages wieder mehr Zeit in meinem Mutterland zu verbringen. Ein Tipp von mir wäre: Geniesst das Doppelleben! Als Schweizer im Ausland habe ich das Privileg, von zwei Kulturen getragen und inspiriert zu werden. Und keiner sagt, man müsse sich entscheiden.

Die Schweizer Illustrierte hat eine neue Podcast-Folge – hier reinhören!

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