Sachsens Justizministerin Meier: „Ich will politisches Stalking unter Strafe stellen“
Attacken gegen Politiker nehmen zu. Viele Parteien finden kaum noch Kandidaten. Sachsens Justizministerin Katja Meier fordert deshalb einen besseren gesetzlichen Schutz.
In Dresden demonstrieren am Sonntag Bürger bei einer Kundgebung gegen politische Gewalt.
Frau Meier, der Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke und Wahlhelfer der Grünen am vergangenen Freitagabend in Dresden hat viele bestürzt, aber nicht überrascht. Sind solche Attacken in Sachsen inzwischen traurige Normalität?
Ich würde hier nicht nur von Sachsen sprechen, Angriffe auf Politiker erleben wir bundesweit. Vor der Tat in Dresden wurde in Essen der Grünenpolitiker Rolf Fliß ins Gesicht geschlagen. Die Aggression trifft Bundespolitiker, Landespolitiker und kommunale Amts- und Mandatsträger. Landes- und Bundesminister haben Personenschutz, Kommunalpolitiker in der Regel nicht. Gerade sie engagieren sich ehrenamtlich für die Demokratie und müssen deshalb besonders geschützt werden.
Warum gelingt es dem Staat nicht, diese Menschen zu schützen?
So pauschal kann man das nicht sagen. In Sachsen hat sich die schwarz-grün-rote Landesregierung schon im Koalitionsvertrag 2019 vorgenommen, Politiker besser zu schützen. Deshalb haben wir unter anderem eine Zentralstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt geschaffen. Die Staatsanwaltschaften in Sachsen haben außerdem festgelegt, dass Verfahren bei Angriffen auf kommunale Amtsträger, Journalisten und Ehrenamtliche nicht eingestellt werden dürfen. Für Betroffene haben wir auch ein Leitfaden mit Hilfsangeboten erstellt.
Kümmern sich Polizei und Justiz in der Praxis genug um diese Fälle?
Bei der Ermittlung der Tatverdächtigen in Dresden waren Justiz und Polizei gemeinsam sehr schnell. Die Staatsanwaltschaft hat die entsprechenden Ermittlungsmaßnahmen in die Wege geleitet, Gerichte haben noch am Wochenende entschieden. Durch diese umgehende Reaktion wurden alle mutmaßlichen Täter schnell gefasst. Auch nach einem Angriff auf einen Wahlhelfer der Grünen in Chemnitz wurden unverzüglich Ermittlungen aufgenommen. Hier haben die Sicherheitsbehörden sehr gut arbeitet.
Braucht es schärfere Gesetze, um Politiker zu schützen?
Vor Ort höre ich immer wieder, dass sich Kommunalpolitiker eingeschüchtert fühlen. Zu den Paragrafen des Strafgesetzbuches passen diese Erlebnisse allerdings oft nicht. Deshalb will ich diese Lücke schließen. Ich will politisches Stalking unter Strafe stellen. Zwei Beispiele: Vor dem Haus unserer Gesundheitsministerin Petra Köpping sind Menschen mit Fackeln aufmarschiert. Erst vor wenigen Monaten wurde ein Misthaufen vor die Privatwohnung einer Kommunalpolitikerin gekippt. Politiker und ihre Familien werden in ihrem privaten Lebensumfeld bedrängt. Dagegen müssen Polizei und Justiz vorgehen können.
Diesen Dienstag soll das sächsische Kabinett die Gesetzesinitiative beschließen. Wie zuversichtlich sind sie, dass sich die übrigen Länder und der Bund anschließen werden?
Bei den Landesinnenministern gibt es viel Zustimmung. Diese Einschüchterungsversuche führen dazu, dass Menschen Angst bekommen. Wir dürfen nicht hinnehmen, wenn bei Kommunalwahlen niemand mehr kandidieren will. Die Kommunen sind die Keimzelle und die Herzkammer unserer Demokratie. Deshalb sollten wir politisches Stalking strafbar machen, um zu unterstreichen, dass wir die Einschüchterung von Politikern im privaten Umfeld nicht hinnehmen.