Red Bull Bora Hansgrohe: Das Comeback des Radsports in der Wirtschaftswelt
Red Bull ist jetzt Mehrheitseigentümer des deutschen Radrennstalls Bora Hansgrohe. Teamchef Ralph Denk will sich so gegen die finanzstarke internationale Konkurrenz behaupten. Zuletzt wendeten sich immer mehr deutsche Unternehmen nach der Dopingkrise wieder dem Radsport zu.
Einige Jahre ist es her, da schrieb Ralph Denk (50), Gründer und Chef des wichtigsten deutschen Radrennstalls, mit Stift und Papier einen Brief. Der Adressat: Dietrich Mateschitz, Gründer und damals CEO von Red Bull. Dem inzwischen verstorbenen Multimilliardär versuchte Denk in dem Schreiben eine Partnerschaft zwischen dem Lifestyle-Unternehmen und seiner WorldTour-Mannschaft Bora Hansgrohe schmackhaft zu machen. Drei Tage später kam die Antwort von Mateschitz’ Leuten. Man solle doch mal sprechen. So erzählt es Denk im Gespräch mit dem manager magazin.
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Aus heutiger Sicht gelang dem Teamchef damit wohl sein größter Coup. Red Bull kaufte ihm jüngst 51 Prozent seines Rennstalls ab. Der Salzburger Großkonzern ist damit jetzt wie geplant Mehrheitseigner der deutschen Equipe. Denk hält die restlichen 49 Prozent und wird das Team weiterhin managen. Bei der „Tour de France“ im Sommer werden die Radprofis des Teams unter dem Namen „Red Bull Bora Hansgrohe“ starten.
Der Einstieg des Energy-Drink-Herstellers verdeutlicht die Zeitenwende im deutschen Radsport. Nachdem die großen Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum sich nach dem Dopingskandal lange eher vom Radsport ferngehalten haben, erlebt die Brache nun das Comeback. Neben Red Bull zog der Profisport zuletzt auch noch einige weitere Schwergewichte an.
Sponsorenboom
Handelsgigant Lidl ist beispielsweise neuer Namenssponsor der Deutschland Tour und Hauptsponsor des US-amerikanischen Radprofiteams Lidl-Trek. Modekonzern Hugo Boss stellte 2023 gleich drei Kooperationen im Radsport vor. Auch Denk und sein Team verzeichnen wieder deutlich mehr Sponsoringbedarf aus der Wirtschaft. Allein in diesem Jahr gewann der Rennstall Sportartikelkonzern Puma, Financier Grenke und Boss als neue Partner, unabhängig vom Einstieg von Red Bull.
„Ich denke schon, dass der Radsport wieder sehr salonfähig ist“, sagt Denk, der den Rennstall 2010 gegründet hatte, also mitten in der Krise. „Wir haben die Glaubhaftigkeit ein Stück weit zurückerobert nach den harten Dopingjahren im Radsport.“ Viele Firmen können sich seinen Erfahrungen nach inzwischen wieder mit den Werten des Radsports identifizieren. „Es ist ein harter Sport und fasziniert viele.“
Netflix als Imagebooster
Zum gestiegenen Interesse dürften nicht nur die Corona-Pandemie und der Trend zum gesunden und nachhaltigen Leben beigetragen haben, sondern auch der Netflix-Effekt. Der Streamingriese lancierte vergangenen Sommer die Doku-Serie „Tour de France – Im Hauptfeld“. Darin blickt sie hinter die Kulissen der Tour de France 2022 und begleitet, dramatisch inszeniert, einige der Topteams beim prestigeträchtigsten Radrennen der Welt.
Auch Red Bull sah im Radsport offensichtlich ein attraktives Investment und baute sein Engagement aus. Nach dem Brief von Denk hatten die beiden Unternehmen zunächst eine Partnerschaft für ein weltweites Talent Scouting Programm gestartet. Aushängeschild ist seit jeher der frühere Skibergsteiger und heutige Radprofi Anton Palzer (31). Jetzt, drei Jahre später, wollen die Österreicher selbst im Peloton vorneweg fahren.
Überraschend ist der Einstieg insofern, da die thailändischen Mehrheitseigner von Red Bull seit Jahren kritisch auf die hohen Marketingausgaben blicken. Seit dem Tod des Patriarchen im Oktober 2022 haben die Thais das Sagen, Alleinerbe des 49-Prozent-Anteils ist der Sohn des Konzerngründers Mark Mateschitz (31). Die operative Führung ging an drei Geschäftsführer: Franz Watzlawick (56), Alexander Kirchmayr (53) und Oliver Mintzlaff (48). Letzterer hatte früher Fußballbundesligisten RB Leipzig geführt, der genauso wie das Formel-1-Team zum Lifestyle-Imperium gehören.
Im Vergleich dazu dürfte der Einstieg bei Bora Hansgrohe den Konzern allerdings nur einen Bruchteil gekostet haben, aber ihm vergleichsweise viel Aufmerksamkeit bringen. Über die Verkaufssumme wurde Stillschweigen vereinbart.
Im Radsport sind für Hauptsponsoren Medienpräsenzen von etwa 1:20 möglich. Das heißt: Die Reichweite, die man für 20 Euro klassische Fernsehwerbung erreicht, lässt sich über Radsport-Werbung schon für einen Euro erzielen. Im Fußball ist der Return längst nicht so hoch.
Für Denk, der kürzlich den slowenischen Superstar Primož Roglič (34) verpflichtete, ist es die Chance, die Lücke zu den Platzhirschen Visma-Lease a Bike, UAE oder Ineos zu schließen. Wer gewinnen will, braucht schließlich auch Geld.
In den vergangenen Jahren pumpten immer mehr Golfstaaten ihre Millionen in den Radsport und trieben so die Spanne der Teambudgets massiv in die Höhe. Zum Beispiel die Vereinigten Arabischen Emiraten in das Team um Tadej Pogačar (25), auch Bahrain, Saudi-Arabien und Kasachstan sind staatliche Unterstützer. Das UAE-Team soll zuletzt 35 Millionen Euro schwer gewesen sein, das Ineos-Team der britischen Milliardärsfamilie Ratcliffe sogar 50 Millionen, während andere nur über 8 Millionen verfügen. Im Mittelfeld mit etwas mehr als 18 Millionen lag das deutsche Team.
„Das hat es für uns, die im Sponsorenportfolio Mittelständler wie die Firma Bora und die Firma Hansgrohe haben, schon extrem schwer gemacht, finanziell dagegenzuhalten“, sagt Teamchef Denk. Auch er habe mit arabischen Investoren gesprochen, sich dann aber dagegen entschieden. Die Abhängigkeit von Sponsoren ist enorm mit 95 Prozent der Einnahmen.
Mit Red Bull habe es sofort gepasst. Allein schon die räumliche Nähe. Die Headquarter liegen gerade einmal 45 Autominuten auseinander. Zusammen wolle man in den Nachwuchs investieren und eigene Rennfahrer entwickeln, anstatt sie viel Geld auf der ganzen Welt zusammenzukaufen. „Das ist nicht unser Ansatz“, sagt Denk.
Das Ziel der neuen Allianz steht fest: „Wir wollen mit Red Bull die Tour de France gewinnen und die attraktivste Marke im Radsport werden.“