Prüf-Firma zeigt horrende Missstände auf - Staat verpulvert jährlich 500 Millionen Euro – wegen falscher Abrechnungen
Jobcenter zahlen Bürgergeldempfängern die Mietnebenkosten – ohne die Abrechnung zu prüfen. Philipp Znidar/dpa
Für die Unterkunft von Sozialhilfe-Empfängern zahlt der Staat. Wie bei anderen Mietern auch müssen dafür jährlich Nebenkosten abgerechnet werden. Weil die Abrechnungen aber größtenteils Fehler enthalten, verpulvert der Staat Millionen.
Im Frühjahr trudeln vielerorts Jahresabrechnungen ein – Strom und Gas beispielsweise, ebenso aber die Mietnebenkostenabrechnung. Nicht selten kommt es für die Empfänger zum Schock, wie beispielsweise bei einem Rentner in Duisburg, der plötzlich 8000 Euro für Strom nachzahlen sollte. Oder bei der Mieterin einer Zweizimmer-Wohnung in Köln, der eine Rechnung von 900 Euro ins Haus flatterte.
Die gute Nachricht: Oft müssen solche Beträge nicht gezahlt werden, weil die Abrechnung fehlerhaft ist. So wurden in den letzten Jahren beispielsweise Preisbremsen vergessen, oder Zählerstände falsch abgelesen. Die schlechte Nachricht: Dafür müssen Betroffene auch wissen, dass es derart häufig zu Fehlern kommt.
Dieses Problem betrifft auch die ohnehin klammen Staatskassen. Denn die Behörden zahlen den Empfängern von Sozialhilfen, wie beispielsweise dem Bürgergeld, die Unterkunft. Insgesamt begleichen die Jobcenter die Mieten und Nebenkosten der insgesamt gut 2,6 Millionen sogenannten Bedarfsgemeinschaften.
Staat zahlt 570 Millionen Euro zu viel, pro Jahr
Und eben diese Abrechnungen seien oft zu hoch, sagt Chris Möller, Gründer der Firma Mineko, gegenüber der „Welt“. Möllers Unternehmen prüft Nebenkostenabrechnungen – insgesamt schon 120.000, allein in diesem Jahr dürften es gut 50.000 werden. Das traurige Fazit: Neun von zehn Abrechnungen sind fehlerhaft, so Möller.
Doch die Ämter prüfen das nicht nach. Ausgehend von den 220 Euro, die im Schnitt zu viel gezahlt werden, gehen so jährlich 570 Millionen Euro an Steuergeldern verloren. Die privaten Mieter in den 21 Millionen Mietwohnungen wiederum zahlen sogar 6,65 Milliarden Euro zu viel. Hier belaufen sich die zu viel gezahlten Nebenkosten auf etwa 317 Euro pro Jahr. Die Differenz ergebe sich daraus, dass die vom Staat bezahlten Wohnungen meist kleiner sind. Allerdings falle die Fehlerquote der Abrechnungen hier sogar noch etwas höher aus.
Viele Vermieter, so Möller gegenüber der „Welt“, wüssten auch, dass die Jobcenter die Abrechnungen nicht überprüfen, und würden die Preise extra höher berechnen. „Mieter, deren Betriebskosten vom Amt beglichen werden, sind beliebt, da in diesen Fällen die Abrechnungen nicht geprüft werden und direkt vom Amt beglichen werden.“
„Jede Abrechnung müsste geprüft werden“
Allenfalls stichprobenartig würden die Abrechnungen nochmal geprüft. Nur: Weil ohnehin so viele Abrechnungen falsch sind, ist der Maßstab ohnehin verzerrt. Vergleichstabellen würden daher wenig helfen. Möller fordert daher mehr Kontrollen: „Gerade heutzutage, wo die Inflation viele Menschen belastet, ist es auch für öffentliche Stellen wichtig, auf fehlerhafte Abrechnungen zu achten und lieber zu kontrollieren als zu vertrauen.“
„Jede Abrechnung müsste geprüft werden“, sagt der Unternehmer weiter, und vergleicht eine regelmäßige Überprüfung dabei mit dem TÜV bei Autos. Die Überprüfung durch Möllers Unternehmen koste, je nach Wohnung, zwischen 49 und 89 Euro, so die „Welt“, sei aber mit einer Rechtsschutzversicherung kostenlos.
Diesen Service bietet Möller auch für Betriebe an. Das Potenzial für Fehler ist hier ungleich größer. So habe man auch bei der Nebenkostenabrechnung eines Hotels Fehler gefunden. Doch dabei ging es nicht um ein paar tausend Euro – sondern um einen Betrag von 1,2 Millionen.