Propalästinensische Proteste an Universitäten in Berlin: Lehrende stellen sich hinter Studierende
Mehr als 200 Lehrende von Hochschulen haben die Demonstrationen von Studierenden verteidigt. In einem Brief schreiben sie, dass die Versammlungs- und Meinungsfreiheit in Deutschland zu schützen sei.
Propalästinensische Proteste an Universitäten in Berlin: Lehrende stellen sich hinter Studierende
Nach der Besetzung eines Hofes der Freien Universität Berlin durch antiisraelische Demonstranten stellen sich Dutzende Lehrende an Berliner Universitäten hinter die Studierenden. In einem offenen Brief heißt es, sie fühlten sich dazu verpflichtet, »unsere Studierenden auf Augenhöhe zu begleiten, aber auch zu schützen und sie in keinem Fall Polizeigewalt auszuliefern«. Unabhängig davon, ob sie mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden seien, »stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt«.
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Die Lehrenden schreiben, dass die Versammlungs- und Meinungsfreiheit grundlegende demokratische Rechte seien, die an Universitäten zu schützen seien. »Angesichts der angekündigten Bombardierung Rafahs und der Verschärfung der humanitären Krise in Gaza sollte die Dringlichkeit des Anliegens der Protestierenden auch für jene nachvollziehbar sein, die nicht alle konkreten Forderungen teilen oder die gewählte Aktionsform für nicht geeignet halten.« Die Universitätsleitung müsse einen Dialog anbieten und eine gewaltfreie Lösung. Diese Pflicht habe das Präsidium der FU Berlin verletzt, indem es das Protestcamp ohne Gesprächsangebot räumen ließ. Die Lehrenden fordern die Berliner Universitätsleitungen auf, von Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung abzusehen.
In Bremen haben derweil propalästinensische Aktivisten in einem Gebäude der Universität ein Protestcamp errichtet. Rund 25 bis 30 Menschen seien zu einer unangemeldeten Kundgebung zusammengekommen, sagte ein Polizeisprecher. Einsatzkräfte seien vor Ort, es sei bislang friedlich. Auch eine Sprecherin der Universität bestätigte die Einrichtung des Protestcamps in der Glashalle. Dem Polizeisprecher zufolge laufen derzeit Gespräche mit der Hochschulleitung, wie lange die Versammlung gebilligt wird. Die Universität Bremen hat das Hausrecht.
An der Universität Leipzig hatten am Dienstag ein Dutzend Menschen das Audimax besetzt. Der Hörsaal wurde am Abend von der Polizei geräumt.
Zuvor hatten zahlreiche Personen und Institutionen die Besetzung von Universitäten durch Aktivisten kritisiert, wie etwa der Hochschulverband sowie Studierenden- und Polizeivertreter. Universitäten seien »keine Orte für gewaltsame und aus dem Ruder laufende Proteste, wie zuletzt an der HU und nun auch FU Berlin«.
Universitäten seien Orte differenzierter geistiger Auseinandersetzungen, teilte der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Lambert T. Koch, der Deutschen Presse-Agentur mit. Koch sagte zu den Vorfällen in Berlin, die Grenzen von legitimer Israelkritik zu Antisemitismus und von nachvollziehbarem Mitgefühl mit der palästinensischen Zivilbevölkerung hin zu unverhohlener Unterstützung der Terrororganisation Hamas würden immer wieder erschreckend schnell überschritten. Es sei richtig, dass Hochschulleitungen ihr Hausrecht wahrnehmen. »Wer Intoleranz predigt, darf nicht mit Toleranz rechnen«, hieß es. »Nicht nur, aber insbesondere den jüdischen Hochschulangehörigen, die seit dem 7. Oktober auch an deutschen Hochschulen um ihre Sicherheit bangen, sind wir dies schuldig.«
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, bescheinigte Polizei und Justiz in Deutschland, seit den Terroranschlägen der Hamas auf Israel exzellente Arbeit im Umgang mit antisemitischen Demonstrationen geleistet zu haben. Dies habe zuletzt das konsequente Eingreifen der Berliner Polizei bei den propalästinensischen Protesten vor der Berliner Humboldt-Universität gezeigt, bei denen am vergangenen Freitag »unerträglicher Hass und Hetze gegen Israel verbreitet« worden seien.
Gewerkschaft der Polizei fordert Präventionsplan
Studierendenverbände forderten ein konsequentes Vorgehen der Unis. »Die Universitätsleitungen müssen die ›Proteste‹ als das benennen, was sie sind: Versammlungen, die Antisemitismus salonfähig machen und die Sicherheit jüdischer Studierender massiv gefährden«, hieß es in einem Schreiben der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands (JSUD), des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) und des Bundesverbands Liberaler Hochschulgruppen. Keiner der Besetzer erwähne die israelischen Geiseln, hieß es demnach in dem Schreiben. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte einen bundeseinheitlichen Präventionsplan zum Umgang mit antisemitischen Vorfällen an Hochschulen.
In den USA gibt es seit mehr als zwei Wochen an zahlreichen Universitäten Proteste gegen das Vorgehen Israels im Gazakrieg und für Solidarität mit den Palästinensern.