„Populisten in Inhalt und Rhetorik nacheifern? Der Versuch ist krachend gescheitert“

NRW-Ministerpräsident Wüst (CDU) mahnt die Union zur Offenheit für Koalitionen auch mit den Grünen. Er verweist darauf, dass Konservative, die Populisten nacheifern, krachend scheitern. Gleichzeitig stärkt er dem Parteichef den Rücken: Ein „Merz-Problem“ gebe es nicht – aber massive Migrationsprobleme.

„populisten in inhalt und rhetorik nacheifern? der versuch ist krachend gescheitert“

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) im Garten der Landesvertretung in Berlin HC Plambeck/WELT

Egal, wie Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst, 48, auftritt: Er wird immer als Konkurrent von CDU-Parteichef Friedrich Merz und potenzieller Kanzlerkandidat gesehen. Vor dem Bundesparteitag der Christdemokarten, der ab Montag in Berlin stattfindet, rückt Wüst das zurecht.

WELT AM SONNTAG: Herr Wüst, würden Sie sagen, Ihre schwarz-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen funktioniert einigermaßen?

Hendrik Wüst: Wir arbeiten in Nordrhein-Westfalen vertrauensvoll und gut zusammen. Wir wenden unsere gesamte Energie dafür auf, Probleme zu lösen, Herausforderungen zu meistern, und nicht dafür, uns in der Öffentlichkeit zu streiten. Wir sind das Gegenmodell zur Ampel in Berlin.

WELT AM SONNTAG: Dann scheint eine Koalition mit den Grünen nicht so abschreckend zu sein. Warum warnen dann Unions-Ministerpräsidenten so schrill davor?

Wüst: Vielleicht sehnt sich mancher nach einem konstruktiven Koalitionspartner, wie wir ihn in Nordrhein-Westfalen haben.

WELT AM SONNTAG: Die Grünen machen also doch nicht alles falsch?

Wüst: Natürlich haben wir, CDU wie Grüne, weite Wege zu gehen, wenn wir koalieren und gemeinsame Lösungen finden wollen. Wenn uns die Wähler einen entsprechenden Auftrag erteilt haben, dann gilt es, sich der Verantwortung zu stellen und kooperativ zusammenzuarbeiten. Das tun wir. Mit Blick auf die Bundestagswahl gilt: Wir dürfen uns bei den Optionen, die Koalitionen aus der demokratischen Mitte heraus bieten, nicht verengen. Ich habe gerne und vor allem auch erfolgreich mit der FDP regiert, das machen wir nun mit den Grünen – das war eine Entscheidung des Wählers, die wir respektieren.

WELT AM SONNTAG: Klingt das so, als sei eine Große Koalition nach der Bundestagswahl nicht Ihre erste Wahl?

Wüst: Auch die SPD kann immer Partner für die Union sein, wenn es der Wählerwunsch ist. Ich erinnere mich zugleich an die vergangene GroKo sehr gut. Ich weiß daher, dass wir derzeit viele Probleme lösen müssen, die damals bereits akut waren, aber nicht gelöst wurden. Die Neuauflage einer GroKo hat daher für viele Menschen eine sehr überschaubare Verführungskraft. Die Union muss am besten so stark werden, dass es mehrere Optionen gibt.

WELT AM SONNTAG: Die Union stößt in Umfragen bei 30 Prozent an eine Grenze. Warum?

Wüst: Abwarten. Die CDU musste sich nach der Wahlniederlage bei der Bundestagswahl 2021 neu aufstellen. Da kommen wir gut voran, sind aber eben noch nicht am Ende des Prozesses. Die Fraktion leistet gute Oppositionsarbeit, Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz und Generalsekretär Carsten Linnemann sind ein eingespieltes Team. Wir sind gerade dabei, unser neues Grundsatzprogramm zu verabschieden, und bis zur Bundestagswahl sind es noch eineinhalb Jahre. Ich würde also die aktuellen Umfragewerte nicht überinterpretieren. Da ist noch Luft nach oben.

WELT AM SONNTAG: Hat die CDU ein „Merz-Problem“, einen Vorsitzenden, der die Umfragewerte nach unten zieht?

Wüst: Um hier klar zu entgegnen: Nein, die CDU hat dieses Problem nicht. Friedrich Merz hat der CDU nach der verlorenen Bundestagswahl wieder Stabilität gegeben. Ich bin sicher, dass ihm die Delegierten auf dem Parteitag in Berlin zudem mit einem super Ergebnis den Rücken stärken werden. Das wird dann auch die CDU Deutschlands stärken, um auch bundesweit auf bessere Umfragewerte zu kommen.

WELT AM SONNTAG: In den europäischen Staaten regieren inzwischen fast überwiegend Mitte-rechts-Koalitionen. Ist Europa insgesamt auf dem bürgerlich-konservativen Weg?

Wüst: Richtig ist, dass es kaum mehr sozialistische oder sozialdemokratische Regierungen in Europa gibt. Das hat klare Ursachen, die auch in der Aufstellung der bürgerlichen Parteien liegen. Wir sehen seit Jahren eindeutig: Dort, wo konservative Parteien den Fehler gemacht haben, Populisten in Inhalt und Rhetorik nachzueifern, ist der Versuch krachend gescheitert. Teilweise sind diese Parteien praktisch komplett verschwunden. Dagegen zeigen nicht zuletzt die jüngsten Erfolge aus der EVP-Parteienfamilie, etwa in Spanien, Griechenland oder zuletzt in Portugal, dass ein dezidierter Weg der Mitte, ein breiter Ansatz mit Volkspartei-Anspruch, ein Garant für Erfolg und Stabilität ist.

Auch andere Erfolge mit einem klaren Kurs wie in Polen, Skandinavien oder Benelux sind bemerkenswert. Das sollten wir im Blick behalten. Die CDU ist über Jahrzehnte die große Volkspartei der Mitte in Europa – das bleibt unser Anspruch.

WELT AM SONNTAG: Ist die CDU nicht auf dem Weg, deutlich konservativer zu werden? Im Entwurf des Grundsatzprogramms steht beispielsweise: „Leistung muss sich lohnen“, „Wer arbeiten kann, soll arbeiten“, „Klimaschutz geht nur marktwirtschaftlich“, und „Mut zur Leitkultur“ …

Wüst: Was ist falsch daran, dass sich Leistung lohnen muss? Das ist Teil des Gründungsversprechens der Bundesrepublik Deutschland.

WELT AM SONNTAG: Soll man das Bürgergeld, so wie es derzeit existiert, abschaffen?

Wüst: Das Bürgergeld setzt in Teilen falsche Anreize, weil es zu stark in Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens geht. Zur DNA des Landes Nordrhein-Westfalen gehört in besonderer Weise das Thema Solidarität. Solidarität mit denen, die nicht für sich sorgen können. Diese Menschen müssen wir unterstützen. Von allen anderen aber muss man erwarten können, dass das, was sie können, eingebracht wird. Und dass sie dazu bereit sind, durch Arbeit, Bildung, Ausbildung, Fortbildung zu einer gerechten und solidarischen Gesellschaft beizutragen.

WELT AM SONNTAG: Dieser längste Parteitag in der CDU-Geschichte soll angeblich ruhig und harmonisch werden. Wird er das? Grundsatzprogramm abnicken, bisschen Debatte, fertig?

Wüst: Bisschen Debatte ist gut gesagt. Es liegen rund 2200 Änderungsanträge vor. Sie werden eine lebhaft diskutierende Partei erleben, die sich ein neues Grundsatzprogramm gibt und sehr ernsthaft an vielen wichtigen Fragen und Herausforderungen arbeitet. Diskussion belebt und erweitert den Horizont aller. Das ist gut! Eine gute Debattenkultur hat nichts mit fehlender Harmonie zu tun. Im Gegenteil: Sie ist wichtig, ganz besonders für eine Volkspartei wie die CDU.

WELT AM SONNTAG: Ist die Abstimmung über den CDU-Vorsitzenden auf dem Parteitag eine Probeabstimmung über den Kanzlerkandidaten?

Wüst: Wie gesagt: Die Partei wird Friedrich Merz mit einem tollen Ergebnis den Rücken stärken. Die CDU ist und bleibt eine loyale Partei. Die Kanzlerkandidatenfrage, so ist es verabredet, soll nach den im Herbst stattfindenden Landtagswahlen entschieden werden. Unsere Freunde in den östlichen Bundesländern, die die Wahlkämpfe führen, nehmen zu Recht in Anspruch, dass bei diesen Wahlen über Landespolitik entschieden werden soll. Deshalb werde ich mit keiner Äußerung diese Verabredung infrage stellen.

WELT AM SONNTAG: Wie verlässlich ist Markus Söder bei der Kandidatenfindung?

Wüst: Auf Markus Söder ist natürlich Verlass. Ich kenne ihn seit mehr als zwei Jahrzehnten. Die CSU spielt eine entscheidende Rolle bei der Bundestagswahl. CDU und CSU sind dann stark, wenn sie gemeinsam hinter einem Kandidaten stehen. Es ist daher gut, dass sowohl die CSU sowie die Landesverbände eng in die Kandidatenfindung eingebunden werden sollen. Das erhöht die Akzeptanz.

WELT AM SONNTAG: Ihr Innenminister Herbert Reul hat betont, Deutschland könne nicht unendlich viele Migranten aufnehmen. Wann sind die Kapazitäten in NRW erschöpft?

Wüst: Es kommen derzeit jeden Monat 4000 bis 5000 Menschen allein nach Nordrhein-Westfalen. Das stellt alle staatlichen Ebenen vor große Herausforderungen. Wir haben aktuell 108.000 Kinder in der Erstförderung in Nordrhein-Westfalen. Das heißt, die Kinder unterliegen der Schulpflicht, können aber nicht gut genug Deutsch, um im Regelunterricht mitzukommen. Wir haben 40.000 Analphabeten im Schulsystem.

Die Kommunen leisten Großartiges, das Land unterstützt sie bei Unterbringung und Versorgung. Aber gute Integrationsarbeit ist bei immer mehr Menschen, die zu uns kommen, immer schwieriger zu leisten. Deswegen ist es so wichtig, dass wir eine Änderung dieser Migrationspolitik hinbekommen.

WELT AM SONNTAG: Sie meinen eine Begrenzung der Migration?

Wüst: Wir müssen irreguläre Migration beenden. Die Bundesregierung arbeitet immer erst dann sichtbar an diesem Thema, wenn eine Ministerpräsidentenkonferenz ansteht. Dann ist es drei, vier Tage in aller Munde. Es werden großspurige Ankündigungen gemacht, es müsse in großem Stil abgeschoben werden. Die Voraussetzung dafür, nämlich Migrationsabkommen mit den Herkunftsländern abzuschließen, werden aber nicht geschaffen.

Im vergangenen Jahr waren über 100 Millionen Menschen auf der Flucht. Wir haben den Krieg in der Ukraine, wir haben die Auseinandersetzungen im Nahen Osten. Migration ist keine vorübergehende Erscheinung. Deswegen habe ich zur Entlastung auch sehr klar für Asylverfahren in Drittländern geworben. Wir können die Probleme nicht allein innerhalb der EU lösen.

WELT AM SONNTAG: Die Bundesregierung hat zugesagt, die sogenannte Drittstaaten-Regelung zu prüfen. Mit welchem Ergebnis rechnen Sie?

Wüst: Wir haben in Europa eine Migrationspolitik der zwei Geschwindigkeiten. Länder wie Großbritannien, Italien oder Dänemark arbeiten aktiv an möglichen Lösungen. Deutschland spielt auf Zeit. Das können wir uns aber dauerhaft nicht erlauben. Ich warne den Kanzler ausdrücklich davor zu glauben, dass mit einer Verzögerungstaktik das Migrationsproblem und die Folgen der Massenzuwanderung gelöst werden. Wenn die Mitte des politischen Parteienspektrums nicht in der Lage ist, ein solches Thema zu lösen, dann wenden sich die Menschen enttäuscht in Richtung der politischen Ränder ab. Das haben wir gerade in den Niederlanden erlebt.

WELT AM SONNTAG: Mit welchen Staaten können Sie sich eine Drittstaaten-Regelung vorstellen? Mit Ruanda oder europäischen Ländern?

Wüst: Es gibt sicher eine Vielzahl von Ländern, die bereit dazu wären, wenn wir ihnen dafür Angebote machen. Wenn wir beispielsweise Perspektiven für reguläre Migration schaffen, indem wir eine Ausbildung gewährleisten, damit dann auch nach unseren Standards ausgebildete Menschen zu uns kommen können. Genau an diesen Dingen muss gearbeitet werden. Niemand behauptet, dass das einfach wäre. Aber die Alternative ist, es laufen zu lassen und hinzunehmen, dass es nur die Menschen zu uns schaffen, die die Fluchtroute über das Mittelmeer überlebt haben. Das bedeutet auch: Es würde weiter zugesehen, wie Tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken. Das kann und darf keine Lösung sein.

WELT AM SONNTAG: Haben Sie das Gefühl, dass eine Drittstaaten-Regelung redlich geprüft wird?

Wüst: Das kann ich erst sagen, wenn die Bundesregierung dazu zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz im Juni vorgetragen hat, was sie übrigens schon Anfang des Jahres tun wollte. Sie hat allerdings viele Monate allein dafür gebraucht, um entsprechende Experten zusammenzutrommeln. Das wird der Dimension dieses Problems in keiner Weise gerecht. Ich kann nur davor warnen, mögliche Lösungen immer weiter nach hinten zu schieben. Das wird den Kommunen, die vielerorts am Limit sind, nicht gerecht.

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