Pistorius hört viel Lob für den Gleichschritt von USA und Deutschland
Die US-Regierung setzt auf den starken Partner Deutschland. Das erlebt der Verteidigungsminister bei seinem Besuch. Der Druck wegen des Ukraine-Kriegs auf beide Länder steigt. Weshalb eine weitere militärische Verstärkung diskutiert wird.
Kranzniederlegung am Grab des unbekannten Soldaten auf dem Arlington-Friedhof in Washington dpa/Britta Pedersen
Boris Pistorius spricht gutes Englisch, obwohl er nie im englischsprachigen Ausland gelebt hat. Dass es mitunter hapert mit dem Verstehen, gibt der Verteidigungsminister freimütig zu. Am Donnerstagnachmittag hält er während seiner USA-Reise eine Rede an der Johns Hopkins University in Washington. Ein Student fragt, wie er als womöglich künftiger Bundeskanzler mit rechtsextremen Gefahren umgehen würde. Da ist es mit dem Englisch des Ministers plötzlich nicht weit her.
Die Reise läuft aus Sicht des Sozialdemokraten zu gut, um sich auf Glatteis zu begeben. Pistorius hat vor der Rede seinen Amtskollegen Lloyd Austin getroffen, der vor den Kameras vom „Gleichschritt“ der beiden Nationen schwärmte. „Ob bei der Abschreckung gegen die Aggression des Kremls oder der Stärkung der Stabilität im Indo-Pazifik, unsere zwei stolzen Demokratien sind im Gleichschritt“, erklärt der US-Verteidigungsminister. Deutschland sei eine „Macht für Frieden und Sicherheit“ und „einer unserer stärksten und verlässlichsten Partner.“
Ein Gleichschritt, der auch für die Art der Abschreckung gilt, die Berlin und Washington gegenüber Wladimir Putin für die richtige halten. Die verbale Zurückhaltung, mit der beide Regierungen seit dem Februar 2022 agieren, setzt sich mehr als zwei Jahre später fort. Dabei führen beide Länder die Rangliste derer an, die Kiew in seinem Kampf gegen die russische Invasion mit den meisten Waffen versorgen.
Pistorius und sein Amtskollege Lloyd Austin am Pentagon AP/Kevin Wolf
Die USA liegen selbstredend weiterhin Milliarden vor den Deutschen. Aber nachdem Olaf Scholz lange Zeit nur zögernd, auf großen Druck und vor allem erst dann liefern ließ, nachdem Joe Biden vorgelegt hatte, hat sich Berlin nun als finanziell wichtigster europäischer Verbündeter der Ukrainer etabliert.
Während Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit Drohszenarien auf strategische Ambiguität setzt, soll die deutsch-amerikanische Abschreckung durch die Lieferung von immer mehr Waffen sprechen und nicht durch viele Worte. Wenn der britische Außenminister David Cameron verkündet, Kiew dürfe selbst über den Angriff russischen Bodens mit britische Raketen entscheiden, hängt Bidens Nationaler Sicherheitsberater den US-Beitrag in kleines Licht.
Die jüngst von Washington gelieferte Atacms-Raketen, mit denen die ukrainische Armee nunmehr sogar Ziele auf der russisch besetzten Krim angreift, seien „keine Wunderwaffe. Sie sind eine nützliche Fähigkeit, aber nur ein Zusatz. Sie werden den Krieg nicht entscheiden“, erklärte Jake Sullivan vor ein paar Tagen. Sullivan traf Pistorius kurzfristig am Donnerstag in Washington. Fraglich, ob der Amerikaner Druck auf Pistorius und damit Scholz machte, die von Wolodymyr Selenskyj dringend erbetenen deutschen Taurus-Marschflugkörper zu liefern.
Washington will Sullivan zufolge die Ukraine, nachdem das lang umstrittene Hilfspaket von fast 60 Milliarden Euro endlich auf dem Weg ist, militärisch in die „stärkstmögliche Position für Verhandlungen versetzen“.
Aus Sicht Washingtons gelingt das nicht, indem die Alliierten Putin mit der Verlegung von Soldaten drohen. „Für die US-Regierung ist strategische Ambiguität keine Option. Sie hat keine Absicht, Soldaten in die Ukraine zu schicken. Man kann nicht bluffen etwas zu tun, das aus innenpolitischen Gründen unmöglich ist“, sagt Jeremy Shapiro, Direktor am European Council on Foreign Relations in Washington. Putin habe derweil schon viele rote Linien gezogen, welche der Westen seit zwei Jahren kontinuierlich überschritten habe.
Der Gleichschritt von Deutschen und Amerikanern in Sachen Ukraine-Kommunikation hält an. Noch zumindest. Denn in der US-Hauptstadt wird nicht übersehen, mit welchen Widerständen Pistorius zu Hause zu kämpfen hat. Der SPD-Mann geht öffentlich und offensiv damit um. Deutschland sei „zu einer fairen transatlantischen Lastenteilung“ bereit.
Bein Besuch der Firma Boeing in Philadelphia dpa/Britta Pedersen
Auch deshalb müsse der Verfassungsauftrag verteidigungsfähiger Streitkräfte zum Schutz der Bevölkerung und des demokratischen Staatswesens mit der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse vereinbar sein, betont der Minister. Wie er in Berlin das Geld dafür findet, darüber spricht er gleich nächste Woche mit seinem FDP-Koalitionspartner Christian Lindner.
Gespräche, die Washington aufmerksam verfolgt. Auch hier ist mittlerweile angekommen, dass sich hinter den 100 Milliarden Sondervermögen ein unbekannt großes Loch auftut. „Pistorius ist in Washington ein Name, den man kennt. Die jüngste Initiative, die Ukraine mit noch mehr Luftabwehrsystemen auszustatten, ist hier gut angekommen“, sagt Sophia Besch, Sicherheitsexpertin der Carnegie-Stiftung.
Wenn aber deutlich werde, dass Pistorius in der Regierungskoalition keine über den Sonderfonds substanziell hinausgehende Finanzierung durchsetzt, „schadet das seiner Autorität in Washington“.
Um den guten Willen Deutschlands zu belegen, verkündete der SPD-Politiker nach seinem Treffen mit Austin, dass Berlin die Lieferung von drei weiter reichenden Raketenartilleriesystemen aus den USA an die Ukraine bezahlen werde. „Die stammen aus Beständen der US-Streitkräfte und werden von uns bezahlt“, so Pistorius. Das so genannte Himars („High Mobility Artillery Rocket System“) ist ein Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesystem und kostet einen höheren zweistelligen Millionenbetrag.