Peter Plate über Ost-Berlin in den Neunzigern: „Die aufregendste Zeit meines Lebens“
Nach Berlin ziehen oder nicht? Peter Plate jedenfalls würde es immer wieder tun.
Sänger, Produzent und Komponist – all das ist Peter Plate schon. Seit kurzem kann der Rosenstolz-Gründer noch eine weitere Berufsbezeichnung in seine Vita schreiben. Gemeinsam mit seinem Komponisten-Partner Ulf Leo Sommer hat der 56-Jährige nämlich gerade die künstlerische Intendanz im Theater des Westens übernommen.
Mit „Ku’damm 56“ und „Romeo & Julia“ haben Plate und Sommer an der traditionsreichen Bühne in der Kantstraße bereits zwei Musical-Highlights inszeniert. Nun wartet mit „Ku’damm 59“ wohl die Fortsetzung einer Erfolgsgeschichte, schließlich wurden schon vor der Premiere am 5. Mai mehr als 50.000 Tickets verkauft.
Grund genug, Peter Plate für unseren Berlin-Fragebogen zu interviewen, schließlich hat der Mann schon so einige Jahre in der Hauptstadt verbracht und verschiedene Ecken Berlins kennengelernt. Inzwischen lebt er am Savignyplatz in Charlottenburg. Und das hat auch einen ganz praktischen Vorteil: „In mein Studio gelange ich per Fahrstuhl, und zu meinem Traumjob ins Theater des Westens sind es nur fünf Minuten zu Fuß.“
1. Herr Plate, Sie sind in Indien zur Welt gekommen, haben in Hamburg, Goslar und Braunschweig gelebt. Seit wann ist Berlin Ihr Anker?
Ende des Jahres 1990 ließ ich mich in Berlin nieder, präziser gesagt in Friedrichshain. Für mich, einen jungen Mann voller Träume, war es die aufregendste Zeit meines Lebens. Berlin-Ost, wo täglich neue Bars eröffneten und man die schönsten Möbelstücke einfach auf der Straße fand. Acht Jahre lang wohnten wir in zwei Einzimmerwohnungen übereinander; in einer bauten wir uns ein kleines Tonstudio, in der anderen – nun, dort schliefen wir lediglich. Diese Stadt wurde mein Zuhause, trotz ihres bedauerlichen Mangels an Meeresnähe.
2. Ihr Lieblingsort in der Stadt?
Jahrelang war es mein Tonstudio, ein Ort, an dem ich mich verbergen konnte. Aber nun, seit einiger Zeit, hat das Theater des Westens diesen Titel übernommen. Wenn ich dort umhergehe, fühle ich mich durch und durch glücklich und stets ein bisschen aufgeregt – das scheint mir die richtige Temperatur fürs Gemüt zu sein.
3. Ihre persönliche No-go-Area?
Als ich nach Berlin kam, gab es keine Türpolitik, jeder war überall willkommen. Heutzutage beunruhigt mich die zunehmende Exklusivität. Das ist nicht meine Welt.
4. Wo in Berlin wollten Sie immer schon mal hin, haben es aber noch nie geschafft?
Es ist mir ein bisschen peinlich, aber einige Museen habe ich noch nie von innen gesehen. Die Absicht ist da, doch oft endet der Tag früher als geplant in einer Bar. Aber Zeit habe ich ja noch.
5. Ein freies Frühlingswochenende – was steht auf Ihrer To-do-Liste?
Ein Ausflug ins Grüne mit meinem Mann und unserem Hund – nach Wannsee oder Brandenburg, tief in den Wald, wo man mehr Natur als Menschen trifft. Etwas Schöneres gibt es kaum.
6. Ein Abend mit Freunden – in welchem Restaurant wird reserviert?
Am liebsten sind mir Abende, an denen wir selbst kochen. Aber wenn es um Restaurants geht, dann zieht es mich ins Grand Café Saint Germain am Savignyplatz. Französische Küche nach einer Theateraufführung ist kaum zu übertreffen.
7. Einkaufen in der Stadt: In diesem Store kennt Ihre Kreditkarte kein Limit.
Bramigk & Breer in Charlottenburg – bei jedem Besuch will ich nur ein Geschenk kaufen und verlasse den Laden stets mit einem weiteren Geschenk für mich selbst.
8. Wie oft waren Sie schon im Berghain?
Zu Hause, auf Privatpartys und im Urlaub tanze ich am liebsten. Das Berghain wollte ich bisher nicht von innen sehen.
9. Der beste Stadtteil Berlins – von diesem Kiez kriege ich nie genug.
Ich leiste Widerstand gegen diese Frage. Aber offensichtlich hält mich etwas am Savignyplatz fest.
10. In dieses Viertel bringen mich keine zehn Pferde.
Meine Neugier ist groß, doch meine Faulheit manchmal größer. Viertel, die sich als hundefeindlich erweisen, sind nichts für mich und meinen Hund. Es scheint, als wäre mancherorts ein Hund weniger willkommen als ein Regenschauer.
11. Das nervt mich am meisten an der Stadt:
Berlin hat ein großes Herz, aber manchmal fühlt es sich an, als würde es sich unnötig verengen. Die Bürokratie, der Reformstau, die horrenden Mieten, das marode Schulsystem und die unterbezahlte soziale Arbeit – wo soll ich anfangen? Und habe ich schon erwähnt, dass ich diese Stadt trotzdem über alles liebe?
12. Das muss sich in Berlin dringend ändern:
Berlin muss ein bezahlbares Pflaster für alle bleiben. Für die jungen Träumer, die hier ankommen, für die Alten, die ihren Lebensabend hier verbringen wollen, für Alleinerziehende und eigentlich für jeden. Das sollte unser Anspruch sein.
13. Kommen vs. Gehen: Soll man jetzt noch nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?
Wer bin ich, jemandem Ratschläge zu erteilen? Berlin ist stets eine Versuchung wert – und ich? Ich würde es immer wieder tun.