„Welch eine Menschenverachtung! Wieder mal“

Bei einem vorsätzlich gelegten Feuer in einem Wohnhaus in Solingen sterben vier Menschen aus Bulgarien. In der Stadt weckt das Erinnerungen an einen Brandanschlag 1993. Zu einer Trauerkundgebung am Tatort kommen fast 200 Personen.

„welch eine menschenverachtung! wieder mal“

Vor dem Haus versammelten sich die Teilnehmer der Trauerkundgebung am Donnerstag dpa/Christoph Reichwein

Meliha und Emre stehen an der Grünewalder Straße und blicken über die Fahrbahn hinweg auf die Fensteröffnungen der ausgebrannten, rußschwarzen Räume. „Ich bin sehr traurig. Ich fühle mich unsicher. Ich habe persönlich Angst, um mich selber und um meinen Mann“, sagt die 28-jährige Meliha.

Das junge türkeistämmige Paar aus Solingen wohnt etwa einen Kilometer entfernt und ist am Donnerstagnachmittag zum Wohngebäude mit der Hausnummer 69 gekommen, so wie fast 200 weitere Menschen. Sie sind dem Aufruf zu einer Trauerkundgebung gefolgt. Sie wollen ihre Anteilnahme, ihre Trauer, ihre Betroffenheit zeigen und legen Blumen vor das Absperrgitter am Haus. Dort flackern Grabkerzen zwischen Teddys und Gestecken, auf einem Blattpapier in Klarsichtfolie steht: „Welch eine Menschenverachtung! Wieder mal“. Die Polizei hat die viel befahrene Straße in diesem Abschnitt für die Kundgebung gesperrt.

„welch eine menschenverachtung! wieder mal“

Menschen haben Blumen, Kerzen und Kuscheltiere abgelegt Kristian Frigelj

Meliha und Emre stehen weiter hinten, unter dem Vordach eines Raumausstatters. Sie haben es zuerst aus türkischen Medien davon erfahren, dass in der Nacht von Montag auf Dienstag ein Feuer in dem dreistöckigen Haus gelegt wurde und eine türkischstämmige Familie aus Bulgarien gestorben ist, ein dreijähriges Kind, ein fünf Monate alter Säugling und deren Eltern im Alter von 28 und 29 Jahren. Acht weitere Menschen wurden verletzt. In dem Haus haben überwiegend Migranten gewohnt.

Die Tat weckt Erinnerungen

Das Feuer wurde vorsätzlich gelegt, Reste eines Brandbeschleunigers wurden im Treppenhaus gefunden, es geht um Mord und versuchten Mord, so viel können die Ermittler der federführenden Staatsanwaltschaft Wuppertal bisher sagen. Hinweise auf Täter gibt es noch nicht, auch das Motiv scheint unklar. „Anhaltspunkte, die auf ein fremdenfeindliches Motiv deuten, liegen nicht vor“, hat die Staatsanwaltschaft erklärt.

Eine solche Formulierung am Anfang der Ermittlungen ist mindestens riskant. Denn das lässt sich auch so verstehen, als würde etwas ausgeschlossen oder nicht in Betracht gezogen. Der Vorsitzende des Landesintegrationsrats Nordrhein-Westfalen, Tayfun Keltek, hingegen wurde wesentlich deutlicher: „Leider müssen wir davon ausgehen, dass hinter dem feigen Anschlag rassistische Hintergründe stecken.“

In Solingen und weit darüber hinaus denken die Menschen sofort an den 29. Mai 1993, an den Brandanschlag in der Unteren Wernerstraße, keine vier Kilometer vom aktuellen Tatort an der Grünewalder Straße entfernt. Damals verlor die türkeistämmige Familie Genc fünf junge Frauen und Mädchen in dem heimtückisch gelegten Feuer, viele wurden zum Teil schwer verletzt. Als Täter wurden vier junge Deutsche mit Hass auf Migranten und Verbindungen in die Neonaziszene ermittelt und wegen Mordes, Mordversuchs und besonders schwerer Brandstiftung verurteilt. Vom „rechten Terror“ sprach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier 2023, als sich der Anschlag zum 30. Mal jährte.

Bündnis beklagt „Rechtsruck“

Der Name Solingen ist mit diesem Brandanschlag verbunden und erinnert an eine dunkle Zeit. Anfang der 90er-Jahre wurden Molotow-Cocktails auf Unterkünfte geworfen, während teilweise eine aufgebrachte Menge dazu johlte, Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Flüchtlinge starben, wurden verletzt. Neonazis im Osten jagten Migranten auf der Straße. Dann der Mordanschlag in Solingen, im Westen der Republik.

Einige sehen Parallelen zu dieser Zeit. Auch damals gab es politische und mediale Kontroversen über Flüchtlinge und Migranten. Es habe es eine „Pogromstimmung“ gegeben, meint Stephan Stracke am Donnerstagabend bei der Trauerkundgebung an der Grünewalder Straße. Er gehört zum linken Bündnis „Solinger Appell“, das sich nach dem Brandanschlag 1993 gegründet hatte. Stracke weist in seiner Rede darauf hin, dass die Hintergründe des neuen Verbrechens unklar seien. „Wir wissen nicht, ob es Nazis waren“, sagt er. Eines ist für ihn klar: „Es ist eine rassistische Tat.“

Stracke warnt, dass es wieder losgehe mit Angriffen gegen Migranten, beklagt „Rechtsruck“ und Hetze gegen Migranten und Geflüchtete in der Politik, in den Medien. „Es kehren die 90er-Jahre wieder“, sagt er ins Mikrofon. Man müsse „wachsam“ sein und dafür sorgen, „dass sich der Rechtsruck nicht weiter ausbreitet“. Ali Dogan vom Türkischen Volksverein beklagt: „Die Politik in Deutschland führt dazu, rassistische Angreifer zu ermutigen.“ Man müsse eine Politik machen, damit man friedlich miteinander leben könne.

„welch eine menschenverachtung! wieder mal“

Trauerkundgebung in Solingen Kristian Frigelj

Eine junge Frau, die mit Freunden gekommen ist, sieht eine „rechte Kontinuität“ in Deutschland. Eine ältere Frau ist mit ihrem türkeistämmigen Ehemann gekommen. Sie war bei den Kundgebungen nach dem Anschlag 1993 dabei. Sie regt sich darüber auf, dass die Staatsanwaltschaft aktuell keine Anhaltspunkte auf eine fremdenfeindliche Tat sehe. „Dass es automatisch ausgeschlossen wird, entfernt einen doch Lichtjahre voneinander. Dann kann doch kein Vertrauen entstehen“, sagt sie. „Man kann doch einfach sagen, man ermittelt in alle Richtungen.“

Meliha, die mit ihrem Mann Emre gekommen ist, weiß von ihrem Vater, was 1993 passiert ist. Damals war er gerade erst nach Deutschland gekommen. Meliha ist hier geboren. Sie erzählt, dass sie die Schule besucht hat, eine Ausbildung im Einzelhandel gemacht hat und dass sie arbeitet – und dennoch fühle sie sich nicht anerkannt. „Ich zahle meine Steuern, aber ich werde nicht als Deutsche gesehen. Ich fühle mich als Deutsche. In der Türkei fühle ich mich nicht in meiner Heimat, aber man möchte mich hier nicht. Das macht mich echt traurig“, sagt Meliha. Seit dem Brand sind sie und ihr Mann vorsichtiger geworden. Sie schließen abends die Fenster und die Jalousien: „Wir wohnen im Erdgeschoss, und man weiß ja nicht, was reingeworfen wird.“ Sie sagt, dass sie in einem Viertel mit vielen Migranten wohnt. Und in dem Haus an der Grünewalder Straße hätten auch viele Ausländer gewohnt. Inzwischen erfuhr der Westdeutsche Rundfunk von der Staatsanwaltschaft, dass es sich um eine Tat im „zwischenmenschlichen Bereich“ handeln soll.

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