Palästina-Protest in Berlin: Lehrende kritisieren FU-Präsident Günter Ziegler wegen Polizeieinsatz
Polizeibeamte gehen gegen eine propalästinensische Demonstration auf dem Theaterhof der Freien Universität Berlin vor.
Fast 100 Lehrkräfte von Berliner Universitäten zusammen mit mehr 150 Lehrenden anderer Universitäten kritisieren in einem offenen Statement den Präsidenten der Freien Universität Berlin Günter Ziegler dafür, einen Polizeieinsatz gegen die eigenen Studierenden veranlasst zu haben.
Es geht um die propalästinensische Protestveranstaltung auf dem Gelände der Freien Universität, die am Dienstag von der Polizei beendet worden ist. Laut Polizei sind dort teils verbotene Parolen gerufen worden. Einzelne Personen seien wegen Volksverhetzung und Hausfriedensbruchs vorübergehend festgenommen worden. Es würden Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Ihr Selbstverständnis verpflichte sie dazu, sich schützend vor die Studierenden zu stellen und sie in keinem Fall Polizeigewalt auszuliefern, heißt es in dem Statement. Die Unterzeichner betonen, dass sie unabhängig davon unterschrieben haben, ob sie mit den Forderungen des Protestcamps einverstanden sind oder nicht. Es gehe ihnen darum, das Recht auf friedlichen Protest zu verteidigen. Dieser schließe auch die Besetzung von Uni-Gelände ein. „Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind grundlegende demokratische Rechte, die auch und gerade an Universitäten zu schützen sind“, heißt es. Angesichts der angekündigten Bombardierung Rafahs und der Verschärfung der humanitären Krise in Gaza sollte die Dringlichkeit des Anliegens der Protestierenden auch für jene nachvollziehbar sein, die nicht alle konkrete Forderungen teilten oder die gewählte Aktionsform für nicht geeignet hielten.
Günter Ziegler hatte dagegen in der RBB-„Abendschau“ gesagt, die Universitäten seien nicht der Ort für Protestcamps, sondern der Ort für wissenschaftlichen Dialog und Austausch. Die FU sei, wie andere Hochschulen auch, ein offener Ort. Man werde auch weiter den Dialog kultivieren und dazu einladen, in angemessenem Rahmen die Themen in Forschung und Lehre zu verhandeln, so Ziegler.
Es sei keine Voraussetzung für grundrechtlich geschützten Protest, dass er auf Dialog ausgerichtet sei, schreiben dagegen die Lehrkräfte, unter ihnen die Philosophin Rahel Jaeggi und die Integrationsforscherin Naika Foroutan, beide lehren an der Humboldt-Universität, sowie der Historiker Sebastian Conrad von der Freien Universität Berlin. Weitere prominente Unterzeichner von anderen Hochschulen sind Oliver Nachtwey, Mithu Sanyal, die Philosopin Eva von Redecker und Diederich Diederichsen.
Weiter heißt es in dem Statement, es gehöre zu den Pflichten der Universitätsleitung, solange wie nur möglich eine dialogische und gewaltfreie Lösung anzustreben. „Diese Pflicht hat das Präsidium der FU Berlin verletzt, indem es das Protestcamp ohne ein vorangehendes Gesprächsangebot polizeilich räumen ließ.“ Das verfassungsmäßig geschützte Recht, sich friedlich zu versammeln, gelte unabhängig von der geäußerten Meinung.
Laut FU-Präsident Ziegler hatten die Demonstranten auch versucht, in Räume und Hörsäle der Uni einzudringen, um diese zu besetzen. Es sei zu Sachbeschädigungen gekommen. Die FU habe Strafanzeigen erstattet. Die Unterzeichner des Statements aber bitten darum, von einer strafrechtlichen Verfolgung abzusehen. „Nur durch Auseinandersetzung und Debatte werden wir als Lehrende und Universitäten unserem Auftrag gerecht.“
Auch der Asta der FU, der Allgemeine Studierendenausschuss, teilt auf seiner Webseite mit, dass er die gewaltsame Räumung einer friedlichen Protestaktion für sehr gefährlich und absolut unverhältnismäßig hält. „Wir sehen darin einen Angriff auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit.“
Das Vorgehen der Universität gegen die Studierenden nennt der Asta repressiv und eskalierend. „Das Präsidium der sogenannten freien Universität ist verantwortlich für die gewaltsame Räumung und die Gefährdung von Studierenden durch die Polizei. Wir fordern daher das Präsidium zum sofortigen Rücktritt auf.“
Volker Beck, der Geschäftsführer des Tikvah-Instituts und Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, wiederum kritisierte das Statement der Lehrenden auf der Plattform X: „Ok, Antisemitismus interessiert diese Lehrenden mit keiner Silbe. Gewaltaufrufe wie Intifada von Berlin bis Gaza fallen wohl unter die Kategorie ‚Räume der kritischen Öffentlichkeit‘. Dies sind dann perspektivisch wohl ‚judenfreie Räume‘.“
Die Palästina-Aktivisten hatten am Dienstvormittag den Theaterhof an der sogenannten Rostlaube der Universität im Stadtteil Dahlem besetzt. Es beteiligen sich rund 150 Personen an der Aktion, Zelte wurden aufgestellt. Die Polizei forderte die Aktivsten auf, den Hof freiwillig zu verlassen. Einige Personen taten das, andere wurden weggetragen. Die Polizei war mit rund 200 Kräften im Einsatz.