Osterfest in Russland: Vollständige Solidarisierung mit dem Putin-Staat

osterfest in russland: vollständige solidarisierung mit dem putin-staat

Patriarch Kyrill I., Oberhaupt des Moskauer Patriarchats und damit der Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK).

In Russland werden, nach dem Terroranschlag auf die Konzerthalle Crocus City Hall bei Moskau im März, die Rufe nach Wiedereinführung der Todesstrafe immer lauter. Dass aber ausgerechnet ein Kirchenvertreter diese Strafe verteidigt, sticht dann doch ins Auge. So geschehen auf einem russischen YouTube-Kanal, der sich eigentlich Glaubensthemen widmet. Ein Historiker und ein orthodoxer Priester diskutieren dort über die Todesstrafe, wobei der Geistliche für die Wiedereinführung plädiert – sie könne auch eine „Prävention des Terrorismus“ sein.

Die Journalistin und Autorin des Telegram-Kanals „Orthodoxie und Zombies“, Xenia Lutschenko, wundert das wenig. Der Geistliche gebe lediglich die Stimmungen wieder, die in der russischen Gesellschaft vorherrschten, außerdem demonstriere er seine Loyalität dem Staat gegenüber.

Von Anfang an unterstützte das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I., den Krieg in der Ukraine. Er verfasste sogar ein „Gebet für das Heilige Russland“, das auf seine Anweisung hin in allen Kirchen verlesen wird. „Gib uns den Sieg durch deine Macht“, heißt es darin.

Die vollständige Solidarisierung der Kirche mit dem Staat hat ihre Wurzeln in den 1990er-Jahren, erklärt Erzpriester Andrej Kordotschkin, der wegen seiner Antikriegshaltung suspendiert wurde. Als der Kommunismus zusammenbrach, habe das orthodoxe Christentum die ideologische Leere gefüllt, und Menschen, die im sowjetischen System aufgewachsen und nicht gewohnt waren, kritisch zu denken, traten der Kirche bei.

Der Priester, der inzwischen in den Niederlanden dient, sagt heute: „Die religiöse Renaissance der Perestroika-Jahre hat sich als oberflächlich erwiesen.“ Der Theologieprofessor Andrej Kurajew sieht noch tiefere Gründe: Wenn Patriarch Kyrill den Krieg in der Ukraine zum Ausdruck des ewigen Kampfes Russlands mit dem Westen erklärt, schwinge das in den Herzen vieler Russen mit. Ein Mensch der russischen Kultur habe das Bedürfnis, einer großen Idee zu dienen – und sich der Konsumgesellschaft des Westens entgegenzustellen.

„Der Weltrat des russischen Volkes“ unter dem Vorsitz des Patriarchen verabschiedete Ende März ein Dokument, demzufolge die „militärische Spezialoperation“ in der Ukraine „eine Etappe des Befreiungskrieges des russischen Volkes“ und aus „spiritueller Sicht“ ein „heiliger Krieg“ sei. Kyrill weiß genau, was er tut. „Heiliger Krieg weckt in jeder europäischen Sprache zwei Assoziationen: Kreuzzüge und Dschihad“, erklärt Kordochkin, „ein Sowjetmensch jedoch assoziiert damit das gleichnamige Lied, das wenige Tage nach Beginn des Großen Vaterländischen Krieges (deutsch-sowjetischer Krieg 1941–45, Anm. d. Red.) geschrieben wurde.“

Das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche sakralisiert den Krieg in der Ukraine, indem er ihn als Fortsetzung eines endlosen Krieges darstellt. Darin tritt das „strahlende Russland den dunklen Kräften“ entgegen. Diese Rhetorik wiederholt fast wortwörtlich die Litaneien Putins über den dekadenten Westen mit seinen vermeintlich feindseligen Absichten gegenüber Russland. Der Patriarch bedient das Regime Putins, indem er ihm, wie Lutschenko es nennt, ein „orthodoxes Design“ verpasst.

Russische Machthaber betonen gerne die angebliche Einheit des Volkes. Doch genauso wie in der russischen Gesellschaft ist auch in der Kirche das Gegenteil der Fall – nämlich eine Spaltung, die auch Kordotschkin beobachtet: „Wie in der Sowjetunion ist öffentlicher Dissens im modernen Russland unmöglich.“ Das bewiesen die Schicksale von Hunderten von Priestern. Geistliche, die für den Sieg Russlands nicht beteten, riskierten die Suspendierung oder sogar strafrechtliche Verfolgung. Gleichzeitig nehme die Denunziation in der Kirche zu; kriegskritische Priester hätten Angst vor ihren eigenen Gemeindemitgliedern.

Xenia Lutschenko: „Die Priester aus verschiedenen russischen Regionen, mit denen ich gesprochen habe, sagen übereinstimmend: ‚Mir ist klar, dass ich früher oder später denunziert werde.‘“ Ein Paradebeispiel sei die Geschichte eines Dorfpriesters, der im März 2022 vor nur zehn Gemeindemitgliedern eine Antikriegspredigt hielt. Zwei Stunden später kam die Polizei. Das Zivilgericht verurteilte den Geistlichen zu einer hohen Geldstrafe wegen „Verunglimpfung der russischen Streitkräfte“. Das Kirchengericht untersagte ihm die Ausübung des Priesteramts, „bis er öffentlich Buße getan hat“.

Die Verfolgung andersdenkender Geistlicher erklärt sich durch die Angst der Kirchenoberen, sich vor dem Kreml zu blamieren. „Putins Russland ist ein Reich der Sicherheitskräfte. Für Patriarch Kyrill ist das Schlimmste, Ungehorsam in seinem Zuständigkeitsbereich zu offenbaren. Denn so würde er in Putins Augen wie ein schwacher Vorgesetzter aussehen“, weiß Theologe Kurajew, der inzwischen im Prager Exil lebt.

osterfest in russland: vollständige solidarisierung mit dem putin-staat

Selbstbewusstsein in der Isolation: Präsident und Patriarch kämpfen für ihr „heiliges“ nicht-westliches Russland.

In einer kürzlich gehaltenen Predigt bekräftigte der Patriarch, dass andere Länder von einer Ideologie beherrscht würden, die „den Glauben an Gott ausschließt“. Demgegenüber sei Russland ein „gläubiges Land“. Aber ist Russland wirklich so religiös? Mehr als 70 Prozent der Russen bekennen sich zwar als orthodox, doch Erhebungen zufolge geht nur ein Prozent regelmäßig in die Kirche. Was an Ostern gefeiert wird, weiß nur die Hälfte der Russen, und sechs Prozent verwechseln Weihnachten und Ostern.

Xenia Lutschenko: „In Russland gibt es eine ‚stellvertretende Religion‘, bei der die Mehrheit, die sich kulturell mit der Orthodoxie identifiziert, die Religiosität an wenige sogenannte praktizierende Gläubige delegiert.“ Der Einfluss der Kirche habe mit der Religiosität der Menschen nichts zu tun. Der Einfluss sei auch nicht spirituell, sondern politisch. Entsprechend sei der im ganzen Land ausgestrahlte TV-Sender des Moskauer Patriarchats, Spas, ein ernst zu nehmendes Propagandainstrument, stellt die Journalistin fest.

Seit Kriegsbeginn hat sich das Patriarchat voll und ganz mit der politischen Linie des Kremls solidarisiert. Trotzdem glaubt Kordotschkin an die Erneuerung der russischen Kirche im „schönen Russland der Zukunft“. Der Kirchendissident Kurajew hingegen ist skeptisch. Nach einem Machtwechsel würden die Kirchenführer behaupten, Opfer des Putin-Regimes gewesen zu sein: „Die Kirche, werden sie sagen, war doch immer gegen Gewalt. Erinnern Sie sich nur an die Predigten von Vater Andrej Kurajew.“

Hatte die russische Kirche eine Chance, sich zu erheben und gegen den Krieg auszusprechen? Kurajew meint, er kenne keinen einzigen Fall in der Geschichte der Orthodoxie, in dem ein Geistlicher seinen Zaren aufgefordert hätte, von einem Krieg Abstand zu nehmen. Daher sei es sinnlos, über den Patriarchen oder sein Gefolge zu diskutieren. Jeder auf diesem Thron erfülle nur eine Funktion. Nach Ansicht des Theologen wäre ein anderer Patriarch sogar schlimmer: „Kyrill hat kein Charisma. Wenn eine charismatischere Person an seiner Stelle wäre, hätte sie dasselbe gesagt, bloß überzeugender.“

Putin und sein Umfeld stellen ihre Religiosität gerne zur Schau. Allerdings scheint ihnen der Krieg wichtiger zu sein. So findet am Ostersonntag in Moskau eine Generalprobe der Militärparade zum Sieg der Sowjetunion über Hitlerdeutschland statt. Deshalb wurden auch die morgendlichen Liturgien der Kirchen im Stadtzentrum abgesagt. Die Prioritäten seien klar, sagt Lutschenko: „Das Hauptereignis ist die Parade. Und Ostern – nun ja, die Popen werden zur festgesetzten Zeit das Weihrauchfass schwenken, und der Präsident wird in die Christ-Erlöser-Kathedrale kommen.“

„Aber in jenem Frühling ist Christus nicht auferstanden“, schrieb Maximilian Woloschin (1877–1932) in seinem Gedicht „Rotes Ostern“. Zu jener Zeit, in den Jahren nach der Oktoberrevolution, herrschte in Russland ein blutiger Bürgerkrieg. Woloschins Zeilen werden heute noch von Gläubigen zitiert. Erzpriester Kordotschkin begrüßt das Osterfest denn auch hoffnungsvoll: „Ich habe mit meinen Freunden in Kiew und in Charkiw gesprochen. Für sie ist es keine Frage, ob sie Ostern feiern oder nicht. In diesem Fest finden sie die Antwort, die ihnen sonst niemand geben kann.“

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