Niedersachsen: Silvester-Krawalle – Landesregierung muss Vornamen von Tatverdächtigen nicht nennen
Ein niedersächsischer AfD-Politiker wollte die Vornamen von Tatverdächtigen bei den Ausschreitungen zum Jahreswechsel 2022/23 erfahren. Das brachte ihm Rassismusvorwürfe ein. Nun ist der Mann vor Gericht gescheitert.
Niedersachsens Landesregierung muss die Vornamen von deutschen Tatverdächtigen bei den Silvesterkrawallen nicht nennen. Das hat der niedersächsische Staatsgerichtshof in Bückeburg entschieden. Ein AfD-Landtagsabgeordneter hatte zuvor geklagt, weil er die Namen erfahren wollte. In der Silvesternacht 2022/2023 kam es damals zu Ausschreitungen in dem Bundesland, bei denen mehrere Einsatzkräfte angegriffen worden waren. Einige Landespolitiker warfen der AfD-Landtagsfraktion Rassismus vor.
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AfD-Innenpolitiker Stephan Bothe wollte von der niedersächsischen Landesregierung per Anfrage die Vornamen der deutschen Tatverdächtigen erfahren. Die Landesregierung antwortete, die Vornamen von 19 deutschen Tatverdächtigen seien bislang nicht öffentlich bekannt. Zudem würden sie von der Regierung nicht in einer öffentlich zugänglichen Drucksache veröffentlicht, da so die schutzwürdigen Interessen Dritter verletzt würden. Bothe sah hingegen seine Auskunftspflicht verletzt.
Angriffe auf Einsatzkräfte
In der Urteilsbegründung hieß es vom Staatsgerichtshof, der Antrag sei unbegründet. Es müsse zu befürchten sein, dass die schutzwürdigen Interessen Dritter verletzt würden. Die parlamentarische Bekanntgabe der Vornamen würde einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedeuten und die staatliche Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit missachten, hieß es weiter in der Urteilsbegründung.
Stephan Manke (SPD), Staatssekretär im Innenministerium, zeigte sich erfreut über die Entscheidung. Diese bestätige die Rechtsauffassung der Landesregierung vollständig, teilte er mit.
Wie aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage einer CDU-Landtagsabgeordneten im Februar vergangenen Jahres hervorging, wurden in der damaligen Silvesternacht 18 Einsatzkräfte durch Angriffe verletzt. Danach wurden 53 Strafverfahren eingeleitet. Dabei ging es unter anderem um tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte, Landfriedensbruch, Bedrohung und Beleidigung. Laut der damaligen Antwort wurden 35 Tatverdächtige erfasst, darunter 19 deutsche Verdächtige. Einige Verdächtige hatten neben der deutschen auch eine weitere Staatsangehörigkeit.
»Die AfD-Fraktion will triefenden Rassismus salonfähig machen«
In der Urteilsbegründung verwies der Staatsgerichtshof zudem auf die verhältnismäßig geringe Anzahl der Tatverdächtigen. So bestehe eine sehr konkrete und erhebliche Gefahr der zutreffenden Identifikation zumindest einzelner der 19 Tatverdächtigen deutscher Nationalität. Auch eine Unterrichtung in vertraulicher Form wäre für die Betroffenen nicht zumutbar gewesen, hieß es weiter. Damit ist etwa eine vertrauliche Unterrichtung in einem Ausschuss gemeint.
Mehrere Landtagspolitiker warfen der AfD Rassismus vor. »Die AfD zielt mit ihrer Frage nach den Vornamen von Tatverdächtigen vor allem darauf ab, rassistische Vorurteile zu schüren«, sagte Grünen-Fraktionsvorsitzende Anne Kura. Eine Antwort hätte keinen belastbaren Erkenntnisgewinn zur Silvesternacht gebracht. »Weil die AfD die Preisgabe der Vornamen ersichtlich deswegen begehrte, um die politische Debatte anzuheizen, kam auch eine vertrauliche Unterrichtung im Landtag nicht infrage.«
SPD-Fraktionsvorsitzender Grant Hendrik Tonne sagte: »Das Ziel der AfD-Fraktion ist völlig klar: Sie wollen triefenden Rassismus salonfähig machen.« Weiter sagte Tonne: »Bei uns werden Straftaten verfolgt und sanktioniert, Aussehen oder Vornamen spielen dabei keine Rolle.«