News: Wladimir Putin, Krieg in Gaza, CDU-Parteitag
Warum droht der Kremlherrscher wieder mit Atomwaffen? CDU will Grundsatzprogramm beschließen. Und: Wirrwarr um Gaza-Feuerpause. Das ist die Lage am Dienstagmorgen.
News: Wladimir Putin, Krieg in Gaza, CDU-Parteitag
Neue Putin-Drohungen zur Amtseinführung
Mit einem Atomwaffenarsenal verhält es sich wie mit dem Geld: Idealerweise hat man es, spricht aber nicht darüber. Wer dennoch unentwegt damit angeben muss, scheint es nötig zu haben. So wie Russlands Präsident Wladimir Putin. Der Kremlherrscher wird heute offiziell in seine nächste Amtszeit eingeführt. Begleitet wird die Zeremonie von lauten Drohungen aus Moskau. Putin hat unter anderem mehrere Militärverbände angewiesen, den Einsatz taktischer Atomwaffen zu üben.
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Letztlich sind solche Demonstrationen kein Zeichen von Stärke, sondern eher von Schwäche. Die USA haben so viele Atomwaffen, dass sie Russlands größte Städte innerhalb weniger Minuten dem Erdboden gleich machen könnten. Aber wann hört man jemals Joe Biden mit seinen 14 Atom-U-Booten und 5000 Nuklear-Sprengköpfen prahlen? Eben.
Putin und seine Lautsprecher wollen wieder einmal vor allem den Europäern Angst einjagen, damit sie die Ukraine zu einem baldigen Nachgeben gegenüber Russland drängen. Der Russe hofft offenkundig auch, die Ukrainer vom Einsatz weitreichender westlicher Waffen (Atacms) gegen seine Truppen abhalten zu können. Generell markiert Putin für das heimische Publikum gern den starken Max, man denke nur an seine Urlaubsbilder mit nacktem Oberkörper. Der Kremlherrscher steht für eine Form von nationalistischer Machtpolitik, die ungefähr so antiquiert ist wie die Reifen an den russischen Truppentransportern in der Ukraine.
Wirklich schade ist nur, dass er sein Land dabei mit zurück in die Vergangenheit führt, obwohl sich viele Russen sicherlich eine modernere, freiere Zukunft wünschen würden. Bei der heutigen Zeremonie zu Putins Amtseinführung dürfte einmal mehr deutlich werden, dass Putin Russland als Ein-Mann-Show versteht, in der nur einer das Sagen hat: er selbst.
CDU-Parteitag, zweiter Teil
Grundsatzprogramme von Parteien sind das, was bei der Bahn die allgemeinen Beförderungsbedingungen sind. Sie sind irgendwie wichtig, aber kaum jemand liest sie. Das dürfte beim neuen Grundsatzprogramm, das die CDU heute bei ihrem Parteitag in Berlin verabschieden will, nicht viel anders sein, auch wenn sich alle Funktionäre natürlich große Mühe geben werden, den wegweisenden Charakter der Niederschrift zu preisen. Man ahnt schon, dass während der Beratung des Programms ein Teil der 1000 Delegierten mehr Zeit draußen am Würstchenstand als in der Halle verbringen wird. Mahlzeit.
Das Programm trägt den schönen Titel: »In Freiheit leben – Deutschland sicher in die Zukunft führen«. Das könnten so vermutlich auch FDP und SPD über ihre Programme schreiben, aber geschenkt.
Die CDU will ihr Profil als konservative Partei wieder schärfen, unter anderem wird gefordert, dass sich Zuwanderer klar zur deutschen Leitkultur bekennen. Außerdem sollen in der Sozialpolitik mehr Anreize geschaffen werden, Arbeit aufzunehmen. Aber keine Sorge: Niemand muss befürchten, dass die Union unter dem früheren Blackrock-Mitarbeiter Friedrich Merz nun zur neoliberalen Kampfpartei wird. Andernfalls hätte der Wortführer des Sozialflügels der Partei, Karl-Josef Laumann, bei der Vorstandswahl gerade wohl kaum das beste Ergebnis aller Partei-Vizes erhalten (92 Prozent).
Mit einiger Spannung dürfte in der Halle des Estrel Hotels dann der Auftritt von CSU-Chef Markus Söder verfolgt werden. Der Chef der Schwesterpartei spricht traditionell ein Grußwort, der anschließende Applaus wird dabei lustigerweise stets als Gradmesser dafür genommen, wie beliebt oder unbeliebt der Gast aus dem Süden in der CDU gerade ist. Merz wurde nach seiner Wiederwahl zum Parteichef mit knapp 90 Prozent von den Delegierten ausgiebig gefeiert. Söder muss sich also ein wenig anstrengen, wenn er da mithalten will.
Wann kommt endlich die Feuerpause in Gaza?
Bei den Verhandlungen zwischen der Terrororganisation Hamas und Israel über eine mögliche Waffenpause in Gaza blicken vermutlich nur noch einige Eingeweihte durch. Angeblich will die Hamas nun einen Vorschlag der Vermittler aus Ägypten und Katar dazu annehmen. Das klingt wie ein Durchbruch, die israelische Seite will aber von einer Einigung nichts wissen. Premier Benjamin Netanyahu erklärte, der Entwurf sei »weit von Israels notwendigen Forderungen entfernt«. Er will erneut eine Delegation nach Kairo entsenden, die weiterverhandeln soll.
Zugleich intensivieren die israelischen Streitkräfte ihre Angriffe auf die Hamas-Einheiten in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen. Es wurden mehrere gezielte Bombardements im Osten von Rafah vermeldet. Mehr als 100.000 Zivilisten sollten die Gegend auf Anordnung der israelischen Streitkräfte zu ihrem eigenen Schutz verlassen.
So stellt sich weiter die Frage, wann es endlich zu der Feuerpause kommt, für die unter anderen auch US-Präsident Joe Biden eintritt. Wie zu hören ist, bleibt der Hauptstreitpunkt die Dauer der Feuerpause. Die Hamas will ein generelles Ende der Kampfhandlungen, offenkundig, um ihre eigene Position in Gaza konsolidieren zu können. Israel setzt hingegen auf eine vorübergehende Pause, um die Geiseln zu befreien. Danach könnte der Angriff der israelischen Streitkräfte gegen die Hamas dann fortgeführt werden. Das passt, man ahnt es schon, natürlich vorn und hinten nicht zusammen.
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…ist der linke US-Senator Bernie Sanders. Der 82 Jahre alte Politiker aus dem US-Bundesstaat Vermont will im November erneut für seinen Senatssitz kandidieren. Seine Wiederwahl kann als gesichert gelten, der Bundesstaat ist eine linke Hochburg. Da Senatoren jeweils für sechs Jahre gewählt werden, wäre Sanders am Ende seiner nächsten Wahlperiode 88 Jahre alt.
Für US-Präsident Biden, der mit 81 Jahren erneut für das Präsidentenamt kandidiert, ist Sanders’ Entschluss eine gute Nachricht. Sanders stützt Biden (politisch gesprochen) im Wahlkampf, er kann dem Präsidenten dabei helfen, vor allem Wähler aus dem linken Lager zu gewinnen.
Eine andere Frage ist, warum Menschen wie Sanders (und auch Biden) nicht einfach irgendwann in den wohlverdienten Ruhestand wechseln können. Vermutlich haben sie selbst einfach das Gefühl, unersetzlich zu sein. Das soll ja vorkommen.
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Erster bemannter Testflug von Boeings »Starliner« kurz vor Abflug verschoben: Der erste bemannte Einsatz von Boeings »Starliner«-Kapsel verzögert sich – schon wieder. Zwei Stunden vor dem geplanten Start in Cape Canaveral wurde der Abflug abgesagt. Wegen eines neuen Sicherheitsproblems.
US-Flugaufsicht leitet neue Untersuchung bei Boeing ein: Neue Probleme für Boeing: Beim Bau einiger Maschinen des Langstreckenjets 787 »Dreamliner« wurde womöglich die Verbindung zwischen Rumpf und Tragflächen nicht überprüft. Nun ermittelt die FAA.
108. Pulitzerpreis steht im Zeichen des Gazakriegs: Für ihre Berichterstattung über den Terroranschlag der Hamas ist der »New York Times« der Pulitzerpreis verliehen worden. Die Jury würdigte zudem alle Medienschaffenden, die über den Konflikt in Gaza berichten.
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Schreien, wimmern, Bücher kaufen: Wie ausgerechnet die Video-App TikTok junge Menschen zum Lesen bringt. Noch vor wenigen Jahren hieß es, Internet und Smartphones seien der sichere Tod der Buchhandlungen; junge Leute würden kaum noch lesen. Doch das stimmt nicht, wie mein Kollege Henning Jauernig herausgefunden hat: Die sogenannte Book-Tok-Bewegung sorgt dafür, dass sogar 16- bis 19-Jährige wieder mehr Geld für Bücher ausgeben. In einem deutschen Buchverlag war es die jüngste Mitarbeiterin, die ihren Kolleginnen erklärte, welche Literaturtipps auf TikTok funktionieren.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihr Roland Nelles, US-Korrespondent