News: Friedrich Merz, Xi Jinping, Extremismus
CDU-Parteitag beginnt in Berlin mit Wahl des Parteichefs. Chinas Präsident Xi Jinping ist auf Europa-Tour. Und: Warum die Angriffe auf Politiker so traurig sind. Das ist die Lage am Montagmorgen.
News: Friedrich Merz, Xi Jinping, Extremismus
CDU startet ihren Parteitag
Die politische Karriere des Friedrich Merz ist zweifellos eine besondere Geschichte. Sie erinnert an die schaurig-schöne Erzählung von Alexandre Dumas: der »Graf von Monte Christo« (natürlich minus das Blutvergießen).
Es war einmal ein Merz: Nachdem er sich vor gut 20 Jahren nicht gegen seine Konkurrentin Angela Merkel durchsetzen konnte, verschwand der Mann mehr oder weniger von der Bildfläche. Beleidigt, gedemütigt, ja, wahrscheinlich auch verbittert. Doch nach Jahren der politischen »Verbannung« ist er jetzt bei der CDU als Vorsitzender wieder obenauf und könnte bei der Wahl im nächsten Jahr sogar nach der Macht im Kanzleramt greifen. Das wäre seine ultimative Rache für die erlittene Schmach.
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Ein Zwischenschritt dorthin ist für Merz der CDU-Parteitag, der heute im Berliner Estrel Hotel beginnt (hier endet der Monte-Christo-Vergleich). Merz stellt sich zum ersten Mal zur Wiederwahl und natürlich werden alle schauen, wie gut oder schlecht das Wahlergebnis ausfallen wird. In der Kulisse lauern die Konkurrenten, die ebenfalls auf das Kanzleramt schielen (Wüst, Söder usw.). Sollte die Partei Merz heute deutlich den Rücken stärken, wäre er sicherlich in einer guten Ausgangsposition, um den Top-Job für sich selbst zu reklamieren.
Merz darf sich aber nicht zu früh freuen. Der Vorsitz einer Oppositionspartei ist bekanntlich ein Schleudersitz. Wenn die Landtagswahlen im Herbst für die Union schlecht ausgehen, wird auch der Chef angeschaut – und dann steigen die Aktien der Konkurrenten. Eine andere Frage ist zudem, ob Merz für den Kanzlerposten überhaupt geeignet wäre. Das weiß man immer erst so richtig, wenn jemand dann tatsächlich auf dem Stuhl im Kanzleramt sitzt. Siehe das aktuelle Beispiel.
Macron rollt für Xi den Teppich aus
Fast fünf Jahre ist es her, dass der chinesische Staatspräsident Xi Jinping in Europa zu Gast war. Nun ist es wieder so weit: Xi wird von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Montag mit viel Pomp zum Staatsbesuch empfangen. In Paris ist dann auch ein Gespräch mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen geplant. Anschließend wollen Macron und Xi gemeinsam die Pyrenäen besuchen, wo Macron einst als kleiner »Manu« mit seiner Familie die Sommerferien verbrachte.
Die Reise passt zur Strategie des Chinesen: Xi ist erkennbar bemüht, das Verhältnis zur EU zu entkrampfen. Es gibt zahlreiche Streitpunkte, die er gern bereinigen würde, insbesondere in Handelsfragen. Auch ist Xi auf der Suche nach Freunden, um ein Gegengewicht zur globalen Vormachtrolle der USA herzustellen. Bei Macron ist er da genau richtig, denn auch der sieht nicht ein, warum Europa – und speziell Frankreich – allein auf die Vereinigten Staaten als Partner setzen sollten.
Der Franzose baut vor, auch mit Blick auf eine mögliche zweite Amtszeit von Donald Trump. Sollte Trump versuchen, die Europäer und gerade Frankreich nach Belieben auszutricksen oder herumzukommandieren, kann es aus Pariser Sicht nicht schaden mit den neuen Freunden in Peking den einen oder anderen politischen Gegenpakt einzugehen. Man kann das als doppeltes Spiel bezeichnen – oder als kluge Diplomatie.
Natürlich wird bei der Visite auch der Krieg Russlands in der Ukraine eine Rolle spielen: Macron wünscht sich, so wie die meisten Europäer, dass Peking Druck auf Moskau ausübt, den Krieg zu beenden. Im Anschluss reist Xi weiter nach Serbien und Ungarn, die beide Partnerländer in Chinas Infrastruktur- und Investitionsinitiative »Neue Seidenstraße« sind.
Angriffe auf Politiker
Das Entsetzen über die Häufung von Angriffen auf Politiker im Europawahlkampf ist groß. Die Ermittlungsbehörden haben seit Jahresbeginn 112 politisch motivierte Straftaten im Zusammenhang mit Wahlen registriert, davon 30 gegen Amts- und Mandatsträger – und das sind nur die Zahlen aus Sachsen.
Besonders schlimm: Der sächsische SPD-Politiker Matthias Ecke erlitt nach einer Attacke einen Bruch des Jochbeins und der Augenhöhle sowie Hämatome im Gesicht. In Berlin und Dresden kam es deshalb am Wochenende spontan zu Demonstrationen für Demokratie und gegen Gewalt mit mehreren tausend Teilnehmern.
Einer der Täter im Fall Ecke ist mutmaßlich ein 17 Jahre junger Mann, was einmal mehr die Frage aufwirft, was eigentlich in manchen Elternhäusern und Schulen dieses Landes los ist. Eine Tendenz zur allgemeinen Verrohung und/oder ein grober Mangel an demokratischer Bildung scheinen dort normal zu sein. Traurig.
Wenn alle Täter feststehen, braucht es harte Strafen. Ein paar Stunden Hof fegen am Altersheim werden da nicht reichen. Demokratien müssen sich gegen ihre Feinde wehren.
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Verliererin des Tages …
… ist Kristi Noem. Die Gouverneurin des US-Bundesstaates South Dakota redet sich in diesen Tagen um Kopf und Kragen. Erst kürzlich sorgte die passionierte Jägerin für Aufregung, als sie damit prahlte, einst ihre »untrainierbare« Jagdhündin »Cricket« erschossen zu haben. Nun erklärte sie in einem TV-Interview auch der Hund von US-Präsident Joe Biden, »Commander«, sollte getötet werden. Schließlich habe dieser im Weißen Haus Leibwächter des Präsidenten angegriffen.
Noem gilt als eine mögliche Vizepräsidentschaftskandidatin von Donald Trump. Ob sie ihre Chancen auf den Job mit diesem Gerede erhöht, darf jedoch bezweifelt werden. Viele Wähler – auch im Trump-Lager – schrecken ihre Gruselgeschichten wohl eher ab. Oder wie der TV-Moderator Stephen Colbert so treffend sagt: »Wer Hündchen mag, wird Kristi Noem nicht mögen.«
Mehr zum Thema hier: Trumps mögliche Vizekandidatin schlägt vor, auch Bidens Schäferhund zu töten
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
Uno beklagt Einschränkung der Pressefreiheit in Israel: Die israelische Regierung hat den unliebsamen Sender Al Jazeera abgeklemmt – und erntet dafür international Kritik. Auch die Vereinten Nationen monieren Beschneidungen der Pressefreiheit.
Tickets für gestrichene Flüge verkauft – Millionenstrafe für Qantas: Die Airline wusste, dass die Maschinen nicht starten würden – und brachte dennoch Tickets auf den Markt. Für die australische Qantas wird das nun teuer. Die Kundschaft soll entschädigt werden.
Innenministerin Faeser fordert mehr Polizeipräsenz für Wahlkämpfer: Ein SPD-Politiker wurde krankenhausreif geprügelt, nun geht es an die Aufarbeitung der Attacke von Dresden: Innenministerin Nancy Faeser will besseren Schutz im Wahlkampf – und klare Kante gegen rechts.
Diesen Text möchte ich Ihnen heute besonders empfehlen:
Der Neandertaler als Popstar: In einem Kalksteinbruch bei Düsseldorf legten Arbeiter im August 1856 Knochen frei und warfen sie zum übrigen Abraum. Erst der Naturforscher Johann Carl Fuhlrott erkannte, dass das Gerippe von einem Menschen stammte. 1864 erhielt das Skelett seinen Namen: Homo neanderthalensis. Seit seiner Entdeckung musste der Neandertaler allerhand erdulden: Die Popkultur machte ihn mal zur Witzfigur, mal zum Helden. Mein Kollege Sebastian Kretz hat einen Streifzug durch die Kultur unternommen.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihr Roland Nelles, US-Korrespondent