News des Tages: Angriff auf Matthias Ecke, Friedrich Merz auf CDU-Parteitag, Wladimir Putin
Die Polizei vermutet bei einem Täter, die den SPD-Politiker Matthias Ecke verprügelten, einen rechtsextremen Hintergrund. Merz umgarnt den Osten und Putin lässt Nuklearstreitkräfte nahe der Ukraine üben. Das ist die Lage am Montagabend.
News des Tages: Angriff auf Matthias Ecke, Friedrich Merz auf CDU-Parteitag, Wladimir Putin
1. Weitere Tatverdächtige vom Angriff in Dresden identifiziert
Am Freitag, bevor in Dresden der SPD-Politiker Matthias Ecke beim Plakate aufhängen brutal zusammengeschlagen wurde, organisierte die rechtsradikale Partei »Freie Sachsen« in Brand-Erbisdorf eine Kundgebung gegen eine Unterkunft für Geflüchtete.
Die Ortschaft liegt keine 50 Kilometer von Dresden entfernt. Rund 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zogen durch die Straßen und grölten »Lügenpresse halt die Fresse« und »Brand-Erbisdorf sagt nein zum Asylantenheim«.
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An den Laternenmasten dort hängen kaum mehr Plakate demokratischer Parteien, sondern vorwiegend solche der »Freien Sachsen« auf denen Sprüche wie »Handschellen müssen klicken« zu lesen sind.
Am Rande dieser – nun, soll man das Demo nennen? – machten sich Leute lustig über tätliche Angriffe, feixten, manche müssten nach Schlägen »direkt ins Gesicht« sicher »vier Wochen ins Krankenhaus«, höhöhö. Ganz vorn dabei: etwa zwei Dutzend Jugendliche, manche vermummt, manche vielleicht erst 13 oder 14 Jahre alt. Zu sehen ist das Ganze in einem Thread auf X der Journalistin Kili Weber. Einige der Jugendlichen schwenken Reichsflaggen und Sachsenfahnen, deren Wappen die »Freien Sachsen« als ihr Logo gekapert haben.
Man könnte die Sache als Aufzug politisch Verirrter abtun. Doch er steht für eine aggressive Stimmung, in der eine enthemmte Rechte gegen ihre politischen Feinde und das offen abgelehnte »System« und die demokratischen Parteien agitiert.
Diese gezielt aufgeheizte politische Atmosphäre bietet ein Umfeld, das Gewalttaten wie den Angriff auf Ecke den Weg bereitet. Aus Worten, aus Brüllen und Johlen werden womöglich Taten.
Nachdem sich wegen des Angriffs auf Ecke bereits am Sonntag ein 17-Jähriger bei der Polizei gestellt hatte, wurden nun auch drei weitere Tatverdächtige ermittelt, wie das Landeskriminalamt Sachsen und die Staatsanwaltschaft Dresden mitteilten.
Bei Wohnungsdurchsuchungen stellten Beamte Beweismittel sicher, jetzt werden sie ausgewertet. Die vier jungen Männer sind 17 oder 18 Jahre alt. Die Polizei vermutet bei einem Täter einen rechtsextremen Hintergrund. Bis zum Abschluss der Ermittlungen werde es noch dauern, hieß es.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sagt, »es muss darum gehen, Haltungen in der Gesellschaft zu ändern.« Das fange bei Kindern an.
In Dresden und Berlin demonstrierten am Sonntag mehrere tausend Menschen für Demokratie und gegen Gewalt (lesen Sie hier mehr).
Und auch in Brand-Erbisdorf stellten sich den highen Sachsen – einige wirkten sichtlich alkoholisiert – entschlossene Bürgerinnen und Bürger entgegen. Immerhin.
2. Merz fährt gern in den Osten
Wenn im Herbst in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt wird, geht es für die CDU um viel. In Dresden will sie weiterhin den Ministerpräsidenten stellen, in Erfurt und Potsdam greift sie nach dem Amt, das bisher Bodo Ramelow von den Linken und Dietmar Woidke von der SPD innehaben. Dass es für Koalitionen reicht, bei denen die CDU den Ministerpräsidenten stellt, scheint aktuell nicht besonders erfolgversprechend.
Umso mehr umgarnt der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz den Osten. In den Tagesthemen gestern Abend stellte er die Leute dort zwar wieder unfreiwillig als leicht minderbemittelt dar: »Man muss im Osten mehr erklären als im Westen, das ist wahr. Aber ich tu’s gern und ich fahr da richtig gern hin.«
Merz’ Interesse für den Osten wäre jedoch glaubwürdiger, wenn er wenigstens das Personal richtig aussprechen würde. Beim heutigen CDU-Parteitag in Berlin nannte er meinem Kollegen Florian Gathmann zufolge den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt und CDU-Parteifreund wieder »Haselhoff«. Richtig heißt er Haseloff.
In Wahrheit dürfte Merz ohnehin nur eine Personalie im Auge haben: seine eigene. Merz will Kanzler werden. Und auf dem Parteitag klang er so, als wäre er es bereits: Er hielt eine Parteitagsrede, die im Kern auch Angela Merkel so hätte abliefern können, schreibt Florian in seinem Kommentar. Der CDU-Chef spiele fürs Erste auf Sicherheit.
Zumindest bei den Delegierten kam das gut an. Der Parteichef stellte sich zum ersten Mal der Wiederwahl – und bekam rund 90 Prozent.
3. Kreml lässt Nuklearstreitkräfte nahe der Ukraine üben
Als Russlands Machthaber Wladimir Putin sieben Monate nach Beginn seines Überfalls auf die Ukraine und der gestarteten Teilmobilmachung davon sprach, er werde zum Schutz Russlands und seines Volkes »alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen«, wurde das im Westen als Drohung verstanden. Er schrecke auch vor Atomwaffen nicht zurück, so die Befürchtung.
»Das ist kein Bluff«, sagte Putin damals, so als ahnte er schon, dass ihn niemand ernst nimmt. Manche Experten wie Marcus Keupp, Militärökonom und Dozent an der Militärakademie der ETH Zürich hielten Putins Vorgehen nämlich für genau das: einen Bluff. »In Wahrheit zieht das russische Regime den Schwanz ein, sobald der Westen Stärke zeigt.«
Doch aktuell zeigt der Westen wenig Stärke. Russland fällt es immer leichter, in der Ukraine Boden gutzumachen. Davon offenbar ermuntert, spricht der Kreml nun wiederholt von Atomwaffen – und will sie sogar in der Nähe der Ukraine testen. »Während der Übung wird eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Vorbereitung und den Einsatz von nicht strategischen Atomwaffen zu üben«, erklärte das russische Verteidigungsministerium. Wann? »In naher Zukunft.«
Der Befehl zur Übung wurde nur einen Tag vor Putins Amtswiedereinführung erlassen. Nach den inszenierten Wahlen in Russland findet morgen im Kreml die offizielle Zeremonie statt, mit der Putins fünfte Amtszeit beginnt. Putin hatte sich im März mit einem Rekordergebnis von mehr als 87 Prozent eine weitere Amtszeit gesichert.
Im Juni 2022 sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg im SPIEGEL: »Wir beabsichtigen nicht, Atomwaffen in Osteuropa zu stationieren. Und wir werden nicht spiegeln, was Russland tut.«
Es ist ein schmaler Grat: Würde man heute anders entscheiden und Atomwaffen nach Polen verlegen, wie es dessen Präsident Andrzej Duda erst im April anregte, könnte das als Provokation gegenüber Russland verstanden werden. Lässt man es bleiben, provoziert dagegen Putin nach Lust und Laune.
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Cartoon des Tages
Und heute Abend?
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Auch kommen ausschließlich Frauen als Expertinnen zu Wort: die Journalistin und Brandt-Affäre Heli Ihlefeld, die DDR-Spionin Lilli Pöttrich, die Autorin & Journalistin Yasmine M’Barek, die Journalistin Eva-Maria Lemke, die Historikerin Katja Hoyer oder die Leiterin Forschung des Stasi-Unterlagenarchivs, Daniela Münkel.
Selbst wenn man denkt, alles über die Guillaume-Affäre zu wissen – in dieser spannenden Doku lernt man doch noch neue Aspekte hinzu.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Janko Tietz, Ressortleiter Nachrichten