Netanjahu kritisiert Vorschlag für Waffenruhe – Armee greift Ziele in Rafah an
Seit Wochen laufen die Gespräche über eine Feuerpause im Gaza-Streifen. Jetzt stimmte die Terrororganisation Hamas einem ägyptisch-katarischen Vorschlag zu. Doch Israels Ministerpräsident Netanjahu sieht die israelischen Forderungen darin nicht erfüllt.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat erklärt, der aktuelle Vorschlag für eine Feuerpause im Gaza-Streifen sei weit davon entfernt, die israelischen Forderungen zu erfüllen. Trotzdem werde man eine Arbeitsdelegation zu weiteren Gesprächen entsenden. Netanjahu sagte zudem, Israel werde seinen Militäreinsatz in Rafah fortsetzen.
Das israelische Militär bekräftigte indes einen Aufruf zur Evakuierung des Ostteils von Rafah. Die Armee teilte außerdem mit, sie habe am Montagabend Ziele der Terrororganisation Hamas im Osten der Stadt angegriffen.
Stunden zuvor hatte die Hamas mitgeteilt, sie akzeptiere einen Vorschlag Ägyptens und Katars für eine Waffenruhe. Die Details des Vorschlags waren allerdings nicht bekannt. Israelische Medien berichteten unter Berufung auf ungenannte Regierungsvertreter, der Plan der Hamas weiche von einem früheren israelischen Entwurf ab, auf den sich Israel und Ägypten vor zehn Tagen geeinigt hätten und der die Grundlage indirekter Verhandlungen gewesen sei.
OpenStreetMap; Infografik WELT
Laut dem israelischen Fernsehsender Channel 12 wurden „alle möglichen Klauseln“ eingefügt. Es handele sich um einen einseitigen Vorschlag ohne Einbeziehung Israels, stand in einem weiteren Bericht. Ägypten habe die Bestimmungen einseitig gelockert, damit die Hamas zustimme.
Israels Polizeiminister Itamar Ben-Gvir sprach im Online-Dienst von „Spielen“ der Hamas. Es solle darauf nur eine Antwort geben: die Eroberung der Stadt Rafah und den Sieg über die Hamas, schrieb der rechtsextreme Politiker. Ein namentlich nicht genanntes Kabinettsmitglied sprach Berichten zufolge von einem Täuschungsmanöver der Hamas, um Israel als Verweigerer darzustellen.
Die US-Regierung teilte am Abend mit, den Vorschlag zu prüfen und sich mit den Partnern in der Region abzustimmen. Ein Sprecher des US-Außenministeriums verwies darauf, dass sich der Direktor des US-Geheimdienstes CIA, Bill Burns, derzeit im Nahen Osten aufhalte, um auf eine Waffenruhe hinzuarbeiten.
Hamas spricht von dreistufiger Feuerpause
Die Hamas hatte auf ihrer Website mitgeteilt, der Leiter des Polit-Büros der Hamas, Ismail Hanija, habe mit dem Ministerpräsidenten Katars, Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, und dem ägyptischen Geheimdienstchef Abbas Kamel telefoniert. Der ranghohe Hamas-Vertreter Chalil al-Hajja erklärte, der vereinbarte Vorschlag sehe eine dreistufige Feuerpause mit dem Ziel eines dauerhaften Waffenstillstands vor.
Al-Hajja sagte dem katarischen Sender Al-Dschasira, jede der drei Phasen würde 42 Tage dauern. Zudem enthalte die Vereinbarung Pläne für einen vollständigen Rückzug Israels aus dem Gaza-Streifen, die Rückkehr der durch den anhaltenden Krieg vertriebenen Palästinenser sowie einen Austausch von Geiseln mit Gefangenen. Israel lehnte einen vollständigen Abzug bisher ab.
Jubel in Rafah
Die Ankündigung der Hamas erfolgte einige Stunden, nachdem Israel die Evakuierung von Teilen Rafahs angeordnet hatte. Laut Israel ist die Stadt im Süden des Gaza-Streifens die letzte Hochburg der Hamas. Israel hat sich zum Ziel gesetzt, die militant-islamistische Organisation zu zerschlagen, die bei einem Terrorangriff mit Verbündeten Anfang Oktober mehr als 1200 Israelis getötet und etwa 250 entführt hatte. US-Präsident Joe Biden äußerte in einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu seine Sorge über die Folgen einer möglichen Militäroffensive auf Rafah.
Menschen jubeln auf den Straßen in Rafah REUTERS
Nach der Nachricht von der Annahme des Waffenruhevorschlags durch Hamas gingen Menschen in Rafah jubelnd auf die Straßen, wie die Nachrichtenagentur AP berichtete; so als wäre der Frieden schon erreicht. Nach Angaben eines AFP-Reporters riefen die Menschen Parolen, weinten Freudentränen und schossen in die Luft.