Nawalny-Vertrauter bei Lanz: „Putin betrachtet westliche Gesetze als Schwäche“
TV-Kritik
Nawalny-Vertrauter bei Lanz: „Putin betrachtet westliche Gesetze als Schwäche“
TV-Talk am 2. Mai mit Markus Lanz im ZDF.
TV-Talk über Meinungsfreiheit und Demokratiegefährdung, die Entwicklung im Ukraine-Krieg und die Situation russischer Oppositioneller.
Hamburg – „Die Zeiten sind rau, Politik ist keine Schönwetterveranstaltung“ fasste der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner seine Stimmung zusammen. Er bemühte sich bei Markus Lanz im ZDF redlich, die eher durchwachsenen Umfragewerte seiner Partei etwas weniger durchwachsen erscheinen zu lassen.
Keine leichte Aufgabe, gerade da sich die Baustellen einmal mehr häufen. Natürlich war auch die Kalifat-Demonstration Thema, vor allem die Frage, ob man die augenscheinlich extremistischen Veranstalter zu verbieten könne. Die Hürden dafür sind jedoch hoch, erklärte Stegner. Aktionismus bringe hier nichts, erst wenn genug Material für ein erfolgreiches Verbot gesammelt ist, sollte die Innenministerin aktiv werden. Doch reicht das bei Organisationen, die schon seit Jahren oder gar Jahrzehnten vom Verfassungsgericht als extremistisch eingestuft werden?
Wie viel Einfluss hat der Iran auf den radikalen Islamismus?
Der Islamwissenschaftler Hamed Abdel-Samad vermutete eine zu große Vorsicht gegenüber Staaten wie dem Iran, mit dem intensive Wirtschaftsbeziehungen bestehen. Dass der Iran intensive Verbindungen zum Islamischen Zentrum Hamburg, der sogenannten „Blauen Moschee“, unterhält, wissen die Behörden seit langem. Wie viel Einfluss der Iran auf den radikalen Islamismus hat, so wie er am vergangenen Wochenende auf den Hamburger Straßen zeigte, ist die Frage.
Herbe Vorwürfe machte Abdel-Samad der SPD und den Grünen, die in seinen Augen zu einer Schieflage der Gesellschaft beigetragen haben: „Im Schatten des Multikulturalismus wächst der Islamismus und auch der Rechtsradikalismus.“ Er selbst lebt seit zehn Jahren mit Polizeischutz und wurde bei Veranstaltung auch schon von Mitgliedern der Gruppe „Muslim Interaktiv“, die Organisatoren der Kalifat-Demonstration, verbal angegriffen. Inszenierte Störungen seien dies gewesen, provozierte Skandale, die für Aufmerksamkeit sorgen sollen, aber jede Diskussion niederbrüllen.
Markus Lanz etwas diffus
Von ähnlichen Situationen berichtete auch Sabine Adler, Osteuropa-Expertin und Journalistin beim „Deutschlandfunk“, die vor wenigen Wochen ihr neues Buch „Was wird aus Russland? – Über eine Nation zwischen Krieg und Selbstzerstörung“ veröffentlichte. Zunehmend unsicher fühlt sie sich. Aber kann dieses Gefühl auch auf die Gesellschaft als ganzes übertragen werden? Etwas diffus hörte es sich an, wie Markus Lanz in seiner Sendung von einem zunehmenden Kontrollverlust sprach, von Irritation über Sechsjährige, die Kopftuch tragen, von Menschen mit deutschem Pass, die dennoch Deutschland zu verachten scheinen. Solche Menschen gibt es ohne Frage in Deutschland. Aber auch sie sind in erheblichem Maße von der Meinungsfreiheit geschützt, ein hohes Gut – das aber natürlich auch ausgenutzt werden kann.
Nawalny-Vertrauter: Putin verachtet den Westen
Ist der Westen zu tolerant gegenüber seinen Gegnern, seinen Feinden? So wie auch gegenüber den Angriffen von Osten, aus Russland, von Putin? Leonid Wolkow, russischer Politiker und enger Vertrauter von Alexej Nawalny, erklärte bei Markus Lanz im ZDF, wie Putin die Freiheit des Westens verachtet, aber gleichzeitig auch für seine Methoden missbraucht: „Putin betrachtet die Tatsache, dass es in den westlichen Staaten Gesetze gibt als Schwäche“ meinte Wolkow, eine Schwäche, die gnadenlos für Propaganda, Sabotageakte und versuchte Einflussnahme verwendet wird.
„Markus Lanz“ im ZDF | Die Gäste der Sendung am 2. Mai 2024 |
Ralf Stegner | SPD-Politiker |
Sabine Adler | Journalistin |
Hamed Abdel-Samad | Islamwissenschaftler |
Leonid Wolkow | Russischer Politiker |
So wie ein Kalifat sich als global und grenzüberschreitend bezeichnet, so betrachtet auch Putin, laut Wolkow, die Einflusssphäre Russlands als potenziell grenzenlos. Wie lange machen die russischen Bürger das jedoch noch mit, wie lange akzeptieren sie, in einem autokratischen Regime zu leben, zum Spielball der Machtinteressen Putins zu sein? Ob der Ukraine-Krieg Putin eher hilft oder schadet, mag man sich fragen, zumal auch Wolkow betonte: „Das ist nicht Russlands Krieg, das ist Putins Krieg.“
Kleine Demonstrationen in Russland machen Hoffnung
Auch im russischen System, in der ausufernden Bürokratie, den Millionen Beamten gibt es immer wieder Menschen, so Sabine Adler, die sich für Geld oder auch aus idealistischen Gründen, gegen das System, gegen Putin stellen. Informationen, Daten, Fakten, Wahrheiten werden dadurch bisweilen an Online-Medien weitergegeben und ermöglichen zumindest kleine Einblicke in das System Putin.
Auch dass es zunehmend kleine Demonstration gibt, wie Leonid Wolkow berichtete, macht ein wenig Hoffnung, dass sich die Lage doch irgendwann ändern könnte. Die Geschichte könnte sich wiederholen: So wie sich in der Sowjetunion Ende der 80er Jahre innerhalb kürzester Zeit die Dinge änderten, so könnte es auch jetzt passieren. Das jedenfalls hofft Wolkow, während sich Adler skeptischer zeigte: „Die Begeisterung sich hinter Putin zu versammeln ist nie so hoch wie zu Kriegszeiten“, zumal Familien von gefallenen Soldaten, mit sehr hohen Summen entschädigt und damit auch ruhiggestellt werden. Auf ein Ende des Ukraine-Krieges darf man also nicht so bald hoffen, zu nützlich ist er für den Machterhalt Putins. (Michael Meyns)