Mehrheit der Islamisten im Land sind deutsche Bürger
Teilnehmer auf der Islamisten-Demonstration in Hamburg am 27. April
Die von den Sicherheitsbehörden als gefährlich eingestuften Islamisten sind mehrheitlich deutsche Staatsbürger. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion hervor. Demnach stufen die Behörden mit Stand 3. April 2024 im Phänomenbereich „religiöse Ideologie“ der politisch motivierten Kriminalität 480 Personen als Gefährder ein. Zusätzlich gibt es 504 „relevante Personen“, die unter „religiöser Ideologie“ erfasst werden. Die Polizei traut diesen Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu.
Von den 480 Gefährdern besitzen 342 die deutsche oder eine doppelte Staatsbürgerschaft; das sind 71 Prozent. Von den 504 „relevanten Personen“ seien es 334 (66 Prozent), heißt es in der Antwort auf die Anfrage, die der F.A.Z. vorliegt und über die die „Welt“ zuerst berichtet hatte. Auch unter den Personen, welche die Verfassungsschutzbehörden als „islamistisch-terroristisches Personenpotential“ zusammenfasst, hat eine knappe Mehrheit die deutsche Staatsbürgerschaft. Insgesamt handelt es sich bei dieser Gruppe um 1680 Personen.
Zwölf islamistische Gefährder wurden 2023 abgeschoben; darunter vier in den Irak und drei nach Tadschikistan. Dieses Jahr wurden bislang vier islamistische Gefährder abgeschoben. 94 Gefährder (davon 39 Deutsche) und 22 „relevante Personen“ (davon 15 Deutsche) aus dem Phänomenbereich „religiöse Ideologie“ sind aktuell in Deutschland in Haft. Offene, also noch nicht vollstreckte Haftbefehle gibt es in Deutschland keine. Gegen 124 Personen, die sich im Ausland aufhalten, gibt es hingegen 138 noch nicht vollstreckte Haftbefehle.
Kalifat oder Grundgesetz?
Vor dem Hintergrund, dass die meisten islamistischen Gefährder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, ruft eine Äußerung aus dem Bundesjustizministerium Fragen hervor. Das von Marco Buschmann (FDP) geführte Haus reagierte am Dienstag auf eine Demonstration von Islamisten in Hamburg. Dort hatten sich laut Polizei am Samstag etwa 1100 Anhänger der als gesichert extremistisch eingestuften Gruppe Muslim Interaktiv versammelt. Sie forderten das Kalifat und protestierten gegen eine angeblich islamfeindliche Politik.
Aus dem Ministerium hieß es wenige Tage später auf der Plattform X: „Wir leben in Deutschland in einem Rechtsstaat. Wer hier das Kalifat ausrufen will, gehört nicht zu unserem Land. Hier in Deutschland gilt das Grundgesetz.“ Dabei blieb ungewiss, was ein Justizministerium meint, wenn es jemandem abspricht, zu „unserem Land“ zu gehören. Der Minister selbst äußerte sich ähnlich. „Wem ein Kalifat lieber sein sollte als der Staat des Grundgesetzes, dem steht es frei auszuwandern“, schrieb Buschmann.
Auf einen Entzug der Staatsangehörigkeit können die Äußerungen kaum angespielt haben. Sie ist laut Grundgesetz verboten. Auch der Verlust der Staatsangehörigkeit ist nur unter strengen Voraussetzungen möglich, etwa wenn eine Person eine andere Staatsangehörigkeit annimmt oder sich fremden Streitkräften anschließt. Ein Verlust gegen den Willen kommt außerdem nur in Betracht, wenn die Person dadurch nicht staatenlos wird.
Eine Ablehnung der Ordnung oder eine religiöse Haltung reichen für einen Verlust der Staatsangehörigkeit nicht aus. Das wollte der Parlamentarische Rat verhindern, als er das Grundgesetz ausarbeitete. Aus dem Ministerium war am Donnerstag zu hören, dass es Buschmann um das Staatsangehörigkeitsrecht nicht gegangen sei. Er habe nur eine „persönliche Haltung“ zum Ausdruck bringen wollen.