Israel kämpft notfalls allein, kündigt Netanjahu an
Israel zeigt sich von Drohungen der USA mit Waffenbeschränkungen unbeirrt. Sein Land werde auch ohne Hilfe kämpfen, versprach Ministerpräsident Netanjahu. Die Verhandlungen über eine Feuerpause sind unterdessen unterbrochen.
Benjamin Netanjahu dpa/Amir Cohen
Israel will sich auch durch wachsenden Druck seines engsten Verbündeten USA nicht von seinem Kriegskurs im Gazastreifen abbringen lassen. „Wenn wir für uns alleine stehen müssen, dann werden wir für uns alleine stehen“, sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in einer am Donnerstag veröffentlichten Videobotschaft. Sein Armeesprecher Daniel Hagari sagte, man verfüge über genügend Waffen und Munition, um den Einsatz in der Stadt Rafah fortzusetzen.
Die US-Regierung hatte gedroht, Waffenlieferungen im Falle einer großangelegten Invasion in der mit Flüchtlingen überfüllten Stadt einzuschränken. Nun appellierte sie erneut an Israel, von einer umfassenden Bodenoffensive in der an Ägypten grenzenden Stadt im Süden Gazas abzusehen und so auch eine Beschränkung amerikanischer Waffenlieferungen abzuwenden.
Die Vollversammlung der Vereinten Nationen soll unterdessen an diesem Freitag über eine Stärkung der Rechte der Palästinenser innerhalb des größten UN-Gremiums abstimmen. Der Resolutionsentwurf räumt dem bisherigen Beobachterstaat Palästina eine aktive Teilnahme an den Sitzungen der Vollversammlung ein, gibt ihm aber kein reguläres Stimmrecht.
Die Palästinenser wollen sich mit der Beschlussvorlage gleichzeitig weltweiten Rückhalt für eine UN-Vollmitgliedschaft sichern. Vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges handelt es sich bei dem Vorstoß in der UN-Vollversammlung mit ihren 193 Mitgliedstaaten in New York auch um ein internationales Stimmungsbild zum Nahostkonflikt.
Diplomatinnen und Diplomaten gehen davon aus, dass die Resolution die notwendige Mehrheit von zwei Dritteln aller abgegebenen Stimmen locker erreicht – und das Ergebnis auch internationale Rückendeckung für die Palästinenser angesichts der jüngsten Eskalation im Nahostkonflikt widerspiegeln dürfte.
Das israelische Militär hat nach wiederholten Drohnenangriffen auf den Norden Israels nach eigenen Angaben Stellungen der proiranischen Hisbollah-Miliz im Süden des Libanons attackiert. Wie die israelische Armee in der Nacht zum Freitag mitteilte, griffen Kampfflugzeuge dort militärische Gebäude und „terroristische Infrastruktur“ an. Die Angaben der Armee konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Sorge vor einer Großoffensive
Israels Einsatz in Rafah dauert an. Seit Beginn des Vormarsches im östlichen Teil der Stadt in der Nacht zum Dienstag seien etwa 50 bewaffnete Männer von Israels Truppen getötet worden, berichtete die „Times of Israel“. Das Militär bestätigte den Bericht. Nach Armee-Schätzungen wurden etwa 150.000 Menschen aus dem Ostteil Rafahs evakuiert. Der Einsatz in Rafah zielt nach Angaben Netanjahus darauf ab, die verbliebenen Geiseln zu befreien und die letzten Bataillone der Hamas in der Stadt zu zerschlagen.
Der Einsatz befeuerte jedoch Sorgen, dass dies der Beginn einer Großoffensive sein könnte. In Rafah sollen sich noch mehr als eine Million Binnenflüchtlinge aufhalten. Die „Times of Israel“ berichtete indes, dass die Armee angesichts der laufenden Geisel-Verhandlungen derzeit nicht vorhabe, den Aufruf zur Evakuierung auf andere Gebiete von Rafah auszuweiten.
Die in Kairo laufenden indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe und eine Freilassung von Geiseln wurden am Donnerstag unterbrochen. Die „New York Times“ sprach von einem Rückschlag, nachdem es zuletzt Anzeichen für eine mögliche baldige Einigung gegeben habe. Nach Aussagen eines Beamten soll es unter Teilnehmern der Gespräche wütende Reaktionen auf den Vorstoß der israelischen Armee in Rafah gegeben haben.
Gleichwohl gingen die Unterhändler davon aus, dass weder die islamistische Hamas noch Israel die über die Vermittler Ägypten, Katar und die USA laufenden Verhandlungen abbrechen werden. Das Team der Hamas verließ Kairo nach eigenen Angaben Richtung Katar.