Israel-Gaza-Krieg: Neue Verhandlungen nach Israels Vorstoß in Rafah
Die Sorge, dass Israel doch zu einer Großoffensive in Rafah ausholt, wächst. Die Bemühungen um eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln laufen unter Hochdruck. Doch Hamas wie Israel zeigen sich wenig kompromissbereit.
Israel-Gaza-Krieg: Neue Verhandlungen nach Israels Vorstoß in Rafah
Nach dem Vorrücken der israelischen Armee in Rafah im südlichen Gazastreifen drängt die internationale Gemeinschaft auf neue indirekte Verhandlungen zwischen Israel und der islamistischen Hamas. Vor allem die USA geben sich hoffnungsvoll: Die bestehenden Lücken zwischen den Standpunkten beider Seiten könnten geschlossen werden, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, am Dienstag.
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»Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um diesen Prozess zu unterstützen und dieses Ergebnis zu erreichen.« Die Hamas hatte am Montagabend ihre Zustimmung zu einem Verhandlungsvorschlag erklärt, was Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu jedoch als vergeblichen Versuch bezeichnete, den – in der Nacht zum Dienstag dann tatsächlich erfolgten – Vorstoß in Rafah zu torpedieren. Das aktuelle Angebot der Islamisten sei weit von den Anforderungen seiner Regierung entfernt, sagte er am Dienstagabend.
Auch die US-Regierung wies Darstellungen zurück, die Hamas habe kurz vor dem Vorrücken der israelischen Truppen einem Verhandlungsvorschlag über eine Feuerpause zugestimmt. »Die Hamas hat reagiert und in ihrer Antwort mehrere Gegenvorschläge gemacht«, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, am Dienstag in Washington. »Das ist aber nicht dasselbe, wie einen Vorschlag zu akzeptieren.« Vielmehr habe die Terrororganisation »mit Änderungswünschen geantwortet – man könnte es einen Gegenvorschlag nennen – und mit diesen Details befassen wir uns momentan«.
»Weitermachen bis die erste Geisel zurückkehrt«
Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant stellte einen Zusammenhang zwischen dem Rafah-Einsatz vom Dienstag und den Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln her. »Wir sind bereit, Kompromisse einzugehen, um Geiseln zurückzuholen«, sagte Galant nach Angaben seines Büros am Dienstagabend. »Aber wenn diese Option wegfällt, werden wir weitermachen und den Einsatz vertiefen.« Der Einsatz werde fortgesetzt, »bis wir die Hamas im Gebiet von Rafah und im gesamten Gazastreifen eliminiert haben oder bis die erste Geisel zurückkehrt«. Israels Premier Netanyahu hat sein Verhandlungsteam in Kairo angewiesen, an Israels Bedingungen festzuhalten. In Kairo treffen sich derzeit Vermittler aus Katar, den USA und Ägypten mit Delegationen der Hamas und aus Israel zu weiteren Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warnte Israel derweil erneut vor einer Großoffensive in Rafah. »Eine Million Menschen können sich nicht in Luft auflösen. Sie brauchen Schutz«, schrieb die Grünenpolitikerin am Dienstag auf dem Rückweg von ihrer Indopazifik-Reise nach Berlin auf X. »Sie brauchen dringend weiter humanitäre Hilfe.« Dafür müssten die Grenzübergänge Rafah und Kerem Schalom unverzüglich wieder geöffnet werden.
Der militärische Arm der Hamas hatte am Dienstag erneut den Grenzübergang Kerem Schalom mit Raketen und Mörsergranaten angegriffen. Erst am Sonntag hatten die Kassam-Brigaden bei einem Raketenangriff auf Kerem Schalom vier israelische Soldaten getötet. Der wichtigste Grenzübergang für die Lieferungen von Hilfsgütern aus Israel in den Gazastreifen wurde daraufhin ebenfalls vorerst geschlossen.
Die israelische Offensive im Gazastreifen war durch den beispiellosen Angriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober ausgelöst worden. Dabei wurden nach israelischen Angaben etwa 1170 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Durch die anschließenden israelischen Angriffe im Gazastreifen wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, inzwischen mehr als 34.700 Menschen getötet.