Im Reich des Zaren: Neue Enthüllungen über Putins Palast am Schwarzen Meer
Mitten im Krieg scheut der russische Präsident offensichtlich keine Kosten, einen Protzbau einzurichten. Das legen geheim aufgenommene Videos nahe, die die Nawalny-Stiftung veröffentlichte.
Putins Palast am Schwarzen Meer. Die Innenräume zeugen vom dekadenten Geschmack des Hausherren.
Für den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny, der im Februar in einem Straflager mutmaßlich ermordet worden ist, war der Protzbau an der Küste des Schwarzen Meeres so etwas wie „das neue Versailles, das neue Winterpalais“. Vor drei Jahren hatten er und sein Team ein zweistündiges Video über einen gewaltigen Palast am Hochufer von Gelendschik veröffentlicht.
Es war die wohl wichtigste Enthüllung der Kämpfer gegen die Korruption über das System von Präsident Wladimir Putin. Allein in Russland wurde das Video „Ein Palast für Putin. Die Geschichte der größten Bestechung“ viele Millionen Mal auf Youtube geklickt.
Jetzt, mitten in dem brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine, erregt Putins Palast erneut Aufsehen. Nawalnys Anti-Korruptionsstiftung arbeitet nach dessen Tod weiter, wieder wurden Aufnahmen an sie durchgestochen. Sie geben einen Einblick in die Inneneinrichtung des Palastes und damit den mutmaßlichen Reichtum seines Besitzers.
Eine Kapelle für den Hausherrn
Detailreich beschreibt die Nawalny-Mannschaft, die mit den Enthüllungsjournalisten von „Projekt“ zusammengearbeitet hat, das Interieur, zu dem zahlreiche westliche Produzenten von Luxusgütern beigetragen haben. Besonders angetan haben es den Putin-Gegnern die elf Schlafzimmer, eines von ihnen 250 Quadratmeter groß, und die dekadent wirkende persönliche Kapelle für den Hausherrn: Über einem Marmorboden erheben sich dunkel getäfelte Wände und ein Ikonostas. Im Zentrum des Raumes befindet sich eine Art Thron, auf dem Putin bei längeren Andachten sitzen könne. „So etwas nennt sich Zarenplatz“, erklären die Enthüller den historischen Hintergrund.
Aufmerksamkeit beansprucht auch die Auswahl der Bilder in den Räumen. Putin liebt offensichtlich Schlachtenmalerei: von Darstellungen der Schlacht bei Borodino gegen Napoleon bis zur Schlacht gegen die Kreuzritter auf dem Eis des Peipussees zu Zeiten Alexander Newskis. Auch die großformatigen Porträts der Admirale Nachimow, Uschakow und Krusenstern sagen einiges über den Geschmack des Besitzers.
Vor 17 Jahren war mit dem Bau des Gebäudes begonnen worden, über dessen Eingangstor ein goldener doppelköpfiger Adler mit Zarenkrone prangt. Das Anwesen ist 68 Hektar groß, der irgendwo zwischen Neobarock und italienischem Post-Klassizismus changierende Palast hat eine „Wohnfläche“ von fast 17.700 Quadratmetern.
Als das Gerücht aufkam, hier am Hochufer des Schwarzen Meeres lasse sich Putin einen pompösen Alterssitz errichten, leugnete der Kreml und der Milliardär Arkadi Rotenberg meldete sich zu Wort. Er gab an, das Gebäude gekauft zu haben. Er wolle ein Apart-Hotel einrichten. Da Rotenberg zum Freundeskreis Putins aus St. Petersburger Zeit gehört, ging Nawalny seinerzeit von einem Scheingeschäft aus.
Dafür gab es handfeste Indizien, die das Nawalny-Video enthüllte. Der Palast war von Beginn an hermetisch gegen ungebetene Besucher abgeschirmt. Das angrenzende Gelände, eine Fläche viele Male größer als die Monacos, gehört dem Geheimdienst FSB. Schiffe müssen einen Mindestabstand von einer Seemeile einhalten, und über dem Gebiet wurde eine Flugverbotszone eingerichtet.
Oligarchen mussten den Bau finanzieren
Aus Dokumenten, die an die Nawalny-Stiftung durchgestochen wurden, ist erkennbar geworden, wie der Palast finanziert wurde. Einigen Oligarchen war nahegelegt worden, an eine Firma zu spenden, die angeblich medizinische Ausrüstung besorgte. 35 Prozent der Gelder seien allerdings an eine Offshore-Firma gegangen, die nach Angaben Nawalnys mehrheitlich dem Präsidenten gehört haben soll.
Außerdem kaufte der russische Staat medizinische Ausrüstung zu überhöhten Preisen, die Differenz soll auch für Putins Palast verwendet worden sein. Das System funktioniere nach dem Prinzip: „Wer staatliche Gelder abzweigen will, muss mit Putin teilen.“
Auch die Inneneinrichtung ist nach Erkenntnissen von staatlichen oder dem Staat nahestehenden Konzernen wie beispielsweise dem Pipeline-Betreiber „Transneft“ finanziert worden. Er hat sich für einige Millionen Rubel Monatsmiete in ein paar Räume des Palastes eingemietet. Fingiert natürlich.