GLP-Pfleger Hässig: «Ein Ja müsste das Personal ausbaden!»
GLP-Nationalrat und Pflegefachmann Patrick Hässig kämpft vehement gegen die Kostenbremse-Initiative der Mitte. Im Interview spricht er über seine Arbeitskollegen, absurde Aspirin-Preise und die hohe Anzahl an Spitälern.
20 Minuten: Patrick Hässig, warum kämpfen Sie dagegen, dass die Prämien für Schweizer Familien endlich bezahlbar werden?
Patrick Hässig: Das tue ich sicher nicht. Ich kämpfe gegen die gefährliche Initiative der Mitte-Partei. Wird sie angenommen, müssten Bund und Kantone innert Kürze radikale Sparübungen veranstalten. Das würde so gut wie sicher einen fatalen Schnellschuss bedeuten, den das Personal an der Front ausbaden muss. Nach dem Schritt vorwärts mit dem Ja zur Pflege-Initiative, wären das wieder drei Schritte zurück.
Gemäss ersten Zahlen stiegen die Gesundheitskosten auch dieses Jahr schon stark an. Physiotherapeuten und -therapeutinnen etwa kassieren neun Prozent mehr als 2023. Wie lässt sich das rechtfertigen?
Die Gesundheitskosten sind in den ersten zwei Monaten des Jahres bereits wieder massiv angestiegen, wie Zahlen des Krankenkassendachverbands Santésuisse zeigen.
Das ist eine falsche Silo-Perspektive. Mehr Physiotherapie heisst weniger Operationen und somit weniger Kosten! Wer glaubt, die Kosten durch diese Initiative senken zu können, glaubt wohl auch an den Osterhasen. Die Initiative ignoriert den technologischen Fortschritt in der Medizin und die Demografie völlig. Wir werden immer älter und da ist es nun mal so, dass die Bewegung eingeschränkt wird. Eine Physiotherapie kann immer mehr Menschen die Lebensqualität zurückbringen.
Aspirin kostet in der Schweiz gemäss den Initianten rund 400 Prozent mehr als in Deutschland. Finden Sie das gut?
Nein, das stört und ärgert mich. Aber die Initiative wird hier nicht viel ändern. Solche Absurditäten müssen gezielt bekämpft werden, nicht mit einem Kostendeckel. Da biete ich sehr gerne Hand. Es braucht mehr Generika und auch diese müssen günstiger werden. Ich hoffe auf eine Allianz, die sich gegen die überhöhten Medikamentenpreise durchsetzen kann. Ausgerechnet Mitte-Vertreter, von welchen viele der Pharma- und Krankenkassenlobby sehr nahestehen, haben aber immer wieder verhindert, griffige Lösungen zu finden.
Gibt es Ihres Erachtens keine Ärzte, Therapeutinnen oder Pharmafirmen, welche das heutige System zu ihren Gunsten ausnutzen?
«Die Profiteure in der Branche würden sich nach einem Ja ins Fäustchen lachen und könnten genau so weitermachen», sagt GLP-Nationalrat Patrick Hässig.
Selbstverständlich gibt es schwarze Schafe – genau wie bei diversen anderen Berufen auch. Es geht darum, Fehlanreize konkret zu bekämpfen. Das gelingt aber nicht mit einem Kostendeckel. Die Profiteure in der Branche würden sich nach einem Ja ins Fäustchen lachen und könnten genau so weitermachen.
Was wäre denn Ihr Rezept, um die Prämien zu senken?
Ich würde raten, jedes Jahr zur günstigsten Kasse zu wechseln, solange wir das aktuelle System haben. Das mache ich auch so. Mit dieser Eigenverantwortung könnten viele schon sehr viel Geld sparen, denn der Leistungskatalog ist überall der gleiche. Und wir müssen die Ambulantisierung unbedingt vorantreiben. Was zusätzlich Kosten minimieren kann, ist eine mutige nationale Spitalplanung. Schweizweit haben wir heute zu viele, die im 24-Stunden-Betrieb arbeiten. Das ist unglaublich teuer und ineffizient.
Der Krankenkassenverband Santésuisse unterstützt die Initiative. Das Parlament finde nämlich schlicht keine Lösungen, um Kosten zu senken.
«Wenn Menschen auf dem Notfall sind, werden Kosten zur zweiten Priorität.»
Ich habe da einen Verdacht: Die Krankenkassen versuchen, dank einer Herabsetzung der Grundversicherung mehr Zusatzversicherungen zu verkaufen. Nur da dürfen sie Gewinne machen. Das ist offensichtlich und führt zu einer Zweiklassenmedizin. Das will ich nicht. Wenn Menschen auf dem Notfall sind, werden Kosten zur zweiten Priorität. Das ist normal, jeder will die beste Behandlung für sich und seine Liebsten – und das soll auch so bleiben.
Leute aus Ihrem Komitee sagten, ein Ja gefährde Menschenleben. Unterschreiben Sie diese Aussage?
Ich fand diese Aussage etwas überspitzt. Aber wenn wir nach England schauen, sehen wir, welche Folgen diese Initiative haben kann. Auf dem Notfall kümmern wir uns um Menschen, wenn sie schwere Verletzungen oder akute Krankheiten haben. Aber die Befürchtung, dass sich Leute aus Angst vor den Kosten nicht mehr zum Arzt getrauen, ist berechtigt und kann negative Gesundheitsfolgen haben.
Sie waren prominenter Radiomoderator und wurden Knall auf Fall Pflegefachmann. Haben Sie den Entscheid je bereut?
«Heute habe ich direkt mit Menschen zu tun und beschalle nicht nur ihre Ohren», sagt der frühere Radio-Star.
Nein. Ich hatte 18 Jahre lang einen tollen Medienjob. Aber ich hatte den Wunsch auf eine Veränderung, in meinem Leben war Platz für etwas Neues. Heute habe ich direkt mit Menschen zu tun und beschalle nicht nur ihre Ohren (lacht).
Wie interessiert sind Ihre Arbeitskollegen und -kolleginnen an den beiden Initiativen?
Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Pflegende und Ärzte, die sehr engagiert sind und natürlich auf mich zukommen, seit ich Nationalrat bin. Viele Angestellte im Gesundheitswesen wissen aber kaum, um was es geht. Ich wünschte mir, dass sich das Personal verstärkt mit solchen Initiativen auseinandersetzt. Es gibt mehr Pflegende als Bauern und Bäuerinnen in der Schweiz, aber die Lobby ist klar schwächer. Meine primäre Motivation gegen die Initiative ist der Kampf fürs Personal. Denn dieses würde nach einem Ja leiden. Wer für die Pflege-Initiative stimmte, muss jetzt Nein sagen.
Wie viel arbeiten Sie noch wirklich an der Front mit dem Nationalratsmandat?
Seit dem 1. Mai arbeite ich noch 30 Prozent. Das Stadtspital Zürich ist ein sehr flexibler und kulanter Arbeitgeber. Ich sage ihnen, wann ich verfügbar bin, und dann bin ich flexibel bei den Schichten. In den letzten drei Tagen hatte ich durchgehend Nachtschichten, nun einen Tag Pause und dann wieder Frühdienst. Ich arbeite oft am Stück, damit auch wieder genügend Raum bleibt für die Politik.