Geschäftsaussichten: EU-Firmen ziehen Geld aus China ab – und stoßen dabei auf Probleme
Europäische Firmen in der Volksrepublik sind so pessimistisch wie noch nie, zeigt eine neue Umfrage. Gewinne werden zunehmend in Europa ausgeschüttet anstatt investiert – sofern die Firmen das können.
Schlechte Geschäftsaussichten und niedrige Zinsen sorgen dafür, dass EU-Firmen zunehmend ihre Gewinne aus China abziehen. Das geht aus der jüngsten Umfrage der dortigen EU-Handelskammer hervor, die diese gemeinsam mit der Unternehmensberatung Roland Berger durchgeführt hat.
Die EU-Firmen in der Volksrepublik bewerten ihre Geschäftsaussichten so negativ wie noch nie seit der ersten Umfrage 2012. Obwohl die harten Corona-Restriktionen aufgehoben wurden, ist das Chinageschäft nach der Überzeugung von zwei Dritteln der Unternehmen im vergangenen Jahr schwieriger geworden.
„Statt ihre Gewinne aus dem Chinageschäft zu reinvestieren, zahlen die Unternehmen jetzt verstärkt aus“, sagt Jens Eskelund, Präsident der EU-Handelskammer in China.
Der mit Abstand wichtigste Grund für den Pessimismus ist das langsamere Wirtschaftswachstum. 44 Prozent der Firmen erwarten, dass ihre Profitabilität in den kommenden zwei Jahren leiden wird. Ein wichtiger Grund dafür sind sinkende Preise, die 70 Prozent der Firmen in ihrem Segment spüren. Die geringen Preise sind Folge des Überangebots in vielen Branchen, das unter anderem der Staat durch Subventionen ausgelöst hat.
„Die Unternehmen beginnen darauf zu reagieren“, so Eskelund. Sie fangen an, ihre ursprünglich für China geplanten Investitionen in andere Länder zu lenken. Rund ein Viertel der Unternehmen hat das bereits entschieden oder überlegt, es zu tun. Der Trend nehme „leicht zu“, sagte der Kammerchef.
Er zeigte sich überrascht, wie gering der Anteil der Gewinne aus dem Chinageschäft sei, den die Unternehmen vor Ort investieren wollen. So gab lediglich ein Drittel der Firmen an, zehn oder mehr Prozent ihrer Chinagewinne zu reinvestieren. Der Anteil sinke, obwohl die Gewinne ohnehin schrumpften, erklärte Eskelund.
Fast 30 Prozent mit Schwierigkeiten bei Geldtransfers ins Heimatland
Die Ausschüttung der Gewinne an die europäische Muttergesellschaft, die „Repatriierung“, stellt die Unternehmen allerdings vor ungeahnte Probleme. Von den 529 teilnehmenden Unternehmen gaben 28 Prozent an, Schwierigkeiten bei der Ausschüttung von Dividenden zu haben.
Die Probleme zeigen sich vor allem in Südchina. Fast ein Fünftel der dort ansässigen EU-Firmen, die an der Umfrage teilgenommen haben, verzeichnen Schwierigkeiten bei der Gewinnübertragung. Bei einem weiteren Fünftel kam es zu Verzögerungen bei den Transfers. Das weckt Erinnerungen an 2016.
Damals hatten die Behörden die Kontrollen verschärft, um die hohen Kapitalabflüsse zu stoppen. Einige internationale Konzerne klagten in der Folge zeitweise über Schwierigkeiten, ihre Dividenden auszuschütten.
Auch Anfang dieses Jahres hatten Investoren angesichts der eingetrübten wirtschaftlichen Aussichten hohe Summen aus China abgezogen. Zu Details, was genau die Ursache für die aktuellen Probleme bei der Ausschüttung von Dividenden ist, konnte die EU-Kammer auf Nachfrage zunächst keine Angaben machen.
Grundsätzlich unterliegt die Ausschüttung von Gewinnen aus dem Chinageschäft an die Muttergesellschaft strengen Kriterien. Einige Experten erwarten, dass die chinesischen Behörden die Auflagen angesichts der jüngsten Kapitalabflüsse weiter verschärfen könnten.
EU-Firmen in China: Parallelen zu 2016
Kammerchef Eskelund sieht in der aktuellen wirtschaftlichen Lage in China viele Parallelen zu der Krise 2016: Wie Anfang dieses Jahres habe es auch damals einen Kurssturz an den Aktienmärkten gegeben. Damals wie heute habe es Probleme auf dem Immobilienmarkt gegeben, die Währung habe abgewertet, und in zahlreichen Branchen seien als Folge staatlicher Industriepolitik hohe Überkapazitäten entstanden.
Eskelund zeigte zwar Verständnis dafür, dass Chinas Staatsführung die Modernisierung der Industrie fördern wolle. Aber viele ausländische Unternehmen würden die Entwicklung „ein wenig mit Angst“ sehen. Denn die Erfahrung etwa in der Solar- und E-Auto-Industrie zeige, dass die Förderung ausgewählter Industrien schnell zu Überkapazitäten führen könne.
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