Gericht rüffelt Schule: Handy zu beschlagnahmen war «unzumutbar»
Das Freiburger Schulgesetz erlaubt es Lehrern, die Smartphones ihrer Schüler für bis zu zwei Wochen einzuziehen. Das sei «unverhältnismässig und unzumutbar», urteilt nun das Kantonsgericht.
Wenn Freiburger Schülerinnen und Schüler dabei ertappt werden, wie sie während der Schulzeit auf ihrem Smartphone herumtippen, müssen sie danach unter Umständen eine Weile darauf verzichten. Artikel 66 des Reglements zum Gesetz über die obligatorische Schule (SchR) sieht vor, dass die Schule ihnen das Gerät bis zu zwei Wochen entziehen darf.
Doch damit dürfte es nun vorbei sein: Ende April hat das Freiburger Kantonsgericht zugunsten eines Vaters entschieden, der sich gegen die Praxis wehrte. Seinem damals 17-jährigen Sohn, der 2022/2023 ein Austauschjahr an der Orientierungsschule (OS) in Marly absolvierte , wurde im März 2023eine Woche lang das Handy entzogen, nachdem er in in der Garderobe der Turnhalle Musik gehört hatte. Gemäss Reglement der betroffenen OS müssen elektronische Geräte ausgeschaltet und im Rucksack verstaut werden, sobald das Schulgebäude betreten wird.
Einschränkungen im Alltag
Gegenüber 20 Minuten kritisierte der Vater L.B.* damals, dass der Sohn für die getrenntlebenden Eltern nur schwer erreichbar gewesen sei und das Mobiltelefon beispielsweise nicht für laufende Bewerbungen sowie für alltägliche Belange (Abonnemente für den öffentlichen Verkehr, bargeldloses Bezahlen, soziale Kontakte, Games) nutzen konnte.
Mit einer ersten Beschwerde bei der Direktion für Bildung und kulturelle Angelegenheiten blitzte der Vater ab. Die Massnahme solle auch der Abschreckung dienen, was nur mit der Einziehung des Smartphones über eine längere Dauer erreicht werden könne, argumentierte die Behörde.
Einschränkungen in vernetzter Welt zu gross
Das Kantonsgericht räumt zwar ein, dass das kurzzeitige Einziehen des Mobiltelefons zu einem störungsfreien Unterricht beitragen kann. Die Massnahme sei jedoch «unverhältnismässig», wenn sie über die Dauer der Schulzeit hinausreiche und sich über bis zu zwei Wochen erstrecke. Die Einschränkungen, die dadurch entstehen würden, seien «in der heutigen vernetzten Gesellschaft dann auch als nicht zumutbar zu qualifizieren», heisst es im Urteil.
Angesichts des eher geringfügigen Verstosses im konkreten Fall – der Schüler störte durch den Gebrauch des Smartphones nicht den Unterricht, sondern hörte lediglich Musik in der Garderobe – wäre der einwöchige Handy-Entzug nach Ansicht des Gerichts selbst dann nicht verhältnismässig gewesen, wenn er sich ausschliesslich auf die Schulzeit bezogen hätte.
Das Kantonsgericht stützt seinen Entscheid auch darauf, dass die eingangs erwähnte Regelung, welche eine Einziehung von maximal zwei Wochen für zulässig erklärt, im kantonalen Vergleich «offensichtlich (zu) weit» gehe. In den Kantonen Zürich, Basel-Landschaft oder Solothurn etwa müssen eingezogene Handys nach dem Vormittagsunterricht oder spätestens Ende Nachmittag den Schülern wieder ausgehändigt werden.
«Urteil war zu erwarten»
Vater L.B.*, der Jura studierte, zeigt sich mit dem Entscheid des Gerichts zufrieden, wenn auch nicht überrascht: «Es war zu erwarten, dass das Gericht so entscheidet, da der Handyentzug über die Schulzeit hinaus in keinem anderen Kanton zulässig ist», sagt er auf Anfrage von 20 Minuten. Das Urteil bringe Rechtsklarheit für die Freiburger Schulen, die jetzt ihre Praxis gemäss den Ausführungen des Kantonsgerichts anpassen müssen. Für B. ist klar: «Handyentzug über die Schulzeit hinaus wird generell nicht mehr möglich sein.»
*Name der Redaktion bekannt