Ein Flüchtlingsdeal um fast jeden Preis
Die EU schliesst den Pakt mit dem Libanon – einem Staat, der als instabil gilt. Der Grund liegt wohl in der bevorstehenden Europawahl.
Hand in Hand in Hand in Beirut: Ursula von der Leyen mit dem libanesischen Premierminister Najib Mikati (Mitte) und Nikos Christodoulides, dem Präsidenten der Republik Zypern (2. Mai).
Jetzt also der nächste EU-Migrationsdeal mit einem arabischen Staat: Erst war Tunesien dran, dann Ägypten, nun der Libanon. EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen schüttelte in dieser Woche die Hände des libanesischen Premierministers Najib Mikati. Der Deal: Finanzhilfe in Höhe von rund einer Milliarde Euro, um die zuletzt gestiegenen Flüchtlingszahlen von Syrerinnen und Syrern nach Zypern einzudämmen. Mit dem EU-Geld soll auch das Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen im Libanon gestärkt werden.
Kann das eine gute Idee sein? Der Staat am Mittelmeer ist so instabil, wie ein Land nur sein kann: Die einheimische Währung hat mehr als 95 Prozent ihres Wertes verloren, internationale Geldgeber fordern gebetsmühlenartig Reformen, bevor sie das Land wieder unterstützen. Seit eineinhalb Jahren scheitern alle Versuche, einen Präsidenten zu wählen. Hinzu kommt, dass die vom Iran unterstützte libanesische Hizbollah ein Staat im Staat ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Geld in den Händen korrupter Eliten und unliebsamer Milizen landet, ist sehr hoch.
Punkten beim Thema Migration
Auch im Umgang mit Geflüchteten ist das Land in der Region berüchtigt: Nirgendwo haben palästinensische Geflüchtete so wenig Rechte wie hier, syrische Geflüchtete sollen gegen ihren Willen zurückgeführt worden sein. Laut Schätzungen halten sich im Libanon 1,5 Millionen Menschen auf, die vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflüchtet sind. Das ist bei einer Gesamteinwohnerzahl von 5,5 Millionen eine grosse Belastung für das Land. Angesichts der wirtschaftlichen Krise werden die Syrer zunehmend zum Feindbild im Libanon.
Von der Leyen weiss das alles. Doch mit Blick auf die Europawahl hofft sie, beim Migrationsthema zu punkten. Bei Italiens rechter Regierungschefin Giorgia Meloni rennt sie damit offene Türen ein. Und das scheint gerade Vorrang zu haben.
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