E-Auto laden teurer als tanken? Das vermeintliche Studienergebnis ist falsch
Der Energieversorger LichtBlick beklagt, dass Strom an öffentlichen Ladesäulen immer teurer wird.
Update vom 6.5.2024: Seit der Veröffentlichung der Studie von Statista und Lichtblick überschlagen sich die Schlagzeilen: Elektroautos zu laden sei jetzt generell teurer, als einen Verbrenner zu betanken. So gelesen bei FAZ, Bild, Berliner Zeitung, Autobild und bei den Jungen Freiheit.
Alle diese Publikationen unterschlagen gleich mehrere Aspekte: Die meisten E-Autos werden noch immer zu über 70 Prozent zuhause oder am Arbeitsplatz geladen, und hier sind die Stromkosten in den letzten Monaten erheblich gesunken. Während Lichtblick und Statista noch mit dem offiziellen Durchschnitts-Strompreis für 2023 rechnen (42 Cent pro kWh) sind Neuverträge heute erheblich günstiger und liegen je nach Netzgebiet bei 25 bis 35 Cent pro kWh. Die in der Studie zurecht angeprangerten steigenden Preise an öffentlichen Ladesäulen tragen deshalb nur einen kleinen Teil zu den Gesamt-Verbrauchskosten der meisten E-Autofahrer bei.
In der Preistabelle kommen einige Anbieter vor, mit deren Preisen der rechnerische Verbrauchskostenvergleich zwischen Stromer (20 kWh pro 100 km) und Benziner (6 Liter pro 100 km) schon zugunsten des E-Autos ausgeht. “Laden teurer als tanken” bezieht sich also nur auf einzelne Anbieter.
Der entscheidende Punkt, den die genannten Medien auslassen, ist aber, dass es sich bei den aufgeführten Preisen ausschließlich um Ad-hoc-Tarife handelt, also um den Preis, den man ohne Ladekarte oder Vertrag direkt an der Ladesäule bekommt. Wer nicht die Möglichkeit hat, zu Hause oder am Arbeitsplatz günstiger zu laden, der wird sinnvollerweise nicht auf Dauer bei den Ad-hoc-Tarifen bleiben. Angebote gibt es dafür viele, die besten sind monatlich kündbar und lohnen sich schon bei zwei monatlichen Ladevorgängen. Wir haben in unserem Artikel unten einige sinnvolle Angebote aufgezählt.
Ursprünglicher Artikel vom 30.4.2024:
Das E-Auto unterwegs zu laden, wird in Deutschland immer teurer und kostet bisweilen sogar mehr als tanken. Das rechnet der Energieversorger LichtBlick in einer aktuellen Pressemitteilung vor. Demnach kostet Strom an öffentlichen Ladesäulen zurzeit durchschnittlich 55 Cent an Normalladepunkten (AC) und sogar 66 Cent an Schnellladepunkten (DC). Für eine Reichweite von 100 Kilometern bei einem Stromverbrauch von 20 kWh fallen damit Kosten in Höhe von durchschnittlich 11,10 Euro beziehungsweise 13,11 Euro für eine Stromladung an. Verbrenner-Fahrer zahlen für die gleiche Strecke demnach nur durchschnittlich 10,38 Euro bei sechs Litern Benzinverbrauch. Klimaschädliches Tanken ist damit teilweise günstiger als das Laden unterwegs, resümiert Lichtblick. Für die Analyse hat Statista im Auftrag von LichtBlick die Tarife führender Betreiber ausgewertet.
„Die Preise an den Tank- und Ladesäulen sorgen bei Autofahrer*innen für Fehlanreize und fördern damit klimaschädliches Verhalten. Die Entwicklung ist fatal. Für die Verkehrswende ist der breite Umstieg von Verbrenner- auf E-Autos unerlässlich, ebenso wie verbraucherfreundliche Preise an öffentlichen Ladesäulen”, so Markus Adam, Chefjurist von LichtBlick.
Haushaltsstrom wird günstiger – Ladestrom wird trotzdem teurer
Laut der Auswertung sind die durchschnittlichen Preise pro geladener Kilowattstunde Strom im Vergleich zum letzten Ladesäulencheck weiter angestiegen – die Differenz liegt bei 3 Cent pro kWh am öffentlichen AC-Ladepunkt und 4 Cent pro kWh am DC-Lader. Bemerkenswert: Der Durchschnittspreis für Haushaltsstrom ist im selben Zeitraum gesunken. Eine ähnliche Tendenz lasse sich beim Fahrstrom unterwegs jedoch nicht erkennen.
LichtBlick kritisiert auch die Zugangsbedingungen an öffentlichen Ladesäulen, die laut dem Energieversorger den Umstieg aufs E-Auto unattraktiv machen. Grund sei, dass E-Autofahrer bei überregionalen Fahrten auf verschiedene Anbieter zurückgreifen müssen, die wiederum jeweils unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten anbieten. Das sogenannte Ad-hoc-Laden biete keine zufriedenstellende Alternative, da die Preise hier höher liegen als bei vertragsbasierten Ladetarifen.
LichtBlick beklagt Monopolbildung bei öffentlichen Ladesäulen
Als einen Hauptgrund für die gestiegenen Preise an öffentlichen Ladesäulen nennt LichtBlick die Monopolbildung im Markt. Lokale Monopolisten haben demnach über Jahre hinweg ihre hohen Anteile im Markt verfestigen können. Diese Monopolisten seien in der Regel die jeweiligen lokalen Energieversorger, die mit dem örtlichen Stromnetzbetreiber konzernrechtlich verbunden oder selbst Stromnetzbetreiber sind. Marktanteile von über 80 Prozent bei Normalladepunkten stellen den Normalfall dar – in der Spitze sichern sich Monopolisten sogar bis zu 93 Prozent der Marktanteile in ihrer jeweiligen Region.
Im aktuellen Marktmodell können Stromanbieter keinen eigenen Strom an der Ladesäule anbieten. Vielmehr bestimmt allein der Ladepunktbetreiber den Ladestromlieferanten – dies ist in der Regel der konzerneigene Vertrieb. Daher werden Ladebedingungen und -preise laut dem Energieversorger faktisch von den lokalen Monopolisten bestimmt. Mit ihrer Marktmacht diskriminieren die lokalen Monopolisten zudem Drittanbieter und verlangen von diesen bis zu 89 Prozent höhere Entgelte für die Nutzung der Ladepunkte als von ihren eigenen Kunden für den Bezug von Fahrstrom. Auch die Monopolkommission habe in ihrem letzten Sektorgutachten bestätigt, dass die marktbeherrschende Stellung des lokalen Anbieters zu höheren Ladepreisen an Normalladepunkten führt.
„Die Monopole im Normalladesäulenmarkt werden sich nicht von allein auflösen, der Markt benötigt dringend eine Reform. Darum schlagen wir bereits seit Jahren das Durchleitungsmodell vor. Die Folgen einer solchen Reform würden sich positiv auf die Preise für E-Mobilist*innen auswirken“, so LichtBlick-Chefjurist Adam. „Entsprechende Entwicklungen gab es etwa auch im Zuge der Liberalisierung der Bereiche Haushaltsstrom und Telekommunikation.“
Bei diesen Anbietern können Sie weiterhin vergleichsweise günstig laden
Wer unterwegs smart lädt, kann die von Statista und LichtBlick errechneten Durchschnittspreise von 55 Cent (AC) und 66 Cent (DC) unterbieten.
Laut einem Bericht des Branchenportals Electrive kostet das Laden an Teslas Superchargern für Fahrer von Fremdmarken je nach Standort und Tageszeit aktuell zwischen 55 und 68 Cent pro kWh. Wer allerdings eine Mitgliedschaft für Tesla-Fremdlader abschließt, zahlt zwischen 42 Cent und 51 Cent pro Kilowattstunde am Schnelllader. Die Grundgebühr für die Mitgliedschaft hat Tesla jüngst gesenkt – von 12,99 Euro auf jetzt 9,99 Euro pro Monat. Eine Jahresmitgliedschaft kostet 100 Euro, also rund 8,33 Euro monatlich.
Bei Ionity zahlen Inhaber des “Ionity Passport” eine monatliche Grundgebühr von 5,99 Euro und können dafür im pan-europäischen Schnellladenetz des Anbieters für 59 Cent pro kWh laden. Das sind 20 Cent pro kWh weniger als im Ad-hoc-Tarif “Ionity Direct”. Laut dem Anbieter lohnt sich das Abonnement somit bereits ab 30 kWh geladener Energiemenge pro Monat. Das entspricht rund einem Ladevorgang oder einer Strecke von 150 Kilometern.