Die tierische Aussteigerin
Sarah Pruß wandert seit vier Jahren mit Pferden und Ziegen durch Deutschland. Meistens schläft sie im Wald. Jetzt trifft sie in Pirna ein, um in der Region zu bleiben.
Wanderreiterin, Aussteigerin und eine Frau mit Charakter: Sarah Pruß schreitet über die Stadtbrücke in Pirna. Ihre Tiere, die ihr beste Freunde sind, hat sie dabei. © Karl-Ludwig Oberthür
Diese junge Frau mit den dunklen Haaren und dem freundlichen Lächeln im Gesicht fällt auf. Sie geht auf der Stadtbrücke in Pirna in Richtung Copitz. Klappernde Hufgeräusche begleiten sie. Sarah Pruß führt ihre Pferde mit den aparten Namen Cordelleo und Cataluna sicher an den Zügeln. Im Schlepptau sind noch ihre beiden Ziegen Alisha sowie Flora, die munter herumspringen. Ganz klar: Die Fünfergruppe ist der Hingucker.
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Übernachten im Schnee
Sarah Pruß ist eine Aussteigerin. Seit vier Jahren wandert sie mit ihrer Menagerie durch Deutschland. Diesmal startetet sie am 22. März ihre Tour in Erlangen in Bayern, wo sie mit ihren Tieren auf einem Pferdehof überwinterte. Die Strecke verlief über die Fränkische Schweiz, Bayreuth, das Fichtelgebirge, wo sie der erste Schnee erwischte, dann weiter über Tschechien, ins Vogtland und Erzgebirge. Schließlich wanderte und ritt sie über Liebstadt nach Pirna. Ihr eigentliches Ziel ist nach fast 500 Kilometern Lohmen. Denn dort wohnt ihr Freund Alexander, den sie zwischenzeitlich geheiratet hat.
Hotels? Fehlanzeige. Mit Pferden und Ziegen wäre sie noch nicht einmal bis zur Rezeption gekommen, sagt sie. Die 25-Jährige hatte stattdessen einen Biwaksack bei sich und ist oft bei freundlichen Menschen untergekommen. “Ich habe auch manchmal im Stall geschlafen, sodass ich immer bei meinen Tieren war”, berichtet Sarah Pruß.
Unterwegs traf sie oft hilfsbereite Menschen. So durfte sie beispielsweise in Bayreuth im Stadtpark schlafen. Fast all-inclusive, denn die Dame vom städtischen Grünflächenamt brachte am nächsten Morgen Futter und frisches Wasser für die Tiere. Im Vogtland kam Pruß bei einem Geigenbauer und seiner Familie unter, und zu Ostern wurde sie von den Besitzern der Burg Oberaufseß in Franken eingeladen, gemeinsam die Feiertage auf dem Anwesen zu verbringen. “Es sind wichtige Begegnungen und wichtige Menschen für mich”, blickt Sarah Pruß zurück.
Wanderreiten heißt für sie Freiheit
Aber warum nimmt eine junge Frau das Wagnis auf sich, allein durch Deutschland zu wandern? “Ich hatte mein Studium abgebrochen und arbeitete danach auf einem Pferdehof in Basel. Irgendwann passte es nicht mehr. Ich suchte nach meinem Lebensstil, wie ich mich weiterentwickeln, aber dennoch mit meinem Pferd zusammenbleiben könnte. Auch Freiheit ist für mich wichtig. Die Lösung war die Wanderung”, erzählt die gebürtige Hamburgerin.
Pferde reißen aus
Offen gibt sie zu, dass sie manchmal Angst hatte. “Starke Emotionen gehören zu solch einer Wanderung dazu”, sagt sie. In der ersten Nacht im Fichtelgebirge bei Schneefall durchbrachen die beiden Pferde den von Sarah Pruß aufgezogenen provisorischen Zaun. “Sie hatten Angst, es war kalt und sie hatten kein Futter”, erinnert sich die Wanderreiterin. Glücklicherweise bemerkte sie relativ zeitnah das Ausbüxen von Cordelleo und Cataluna. Per GPS-Ortung fand sie die beiden Ausreißer schnell wieder und konnte sie unbeschadet zurück zu ihrem Biwak bringen, wo die Ziegen schon auf sie warteten.
Da sie oft sehr abgelegene Wege wählte, waren diese nicht immer geräumt. Lag ein umgestürzter Baum quer über dem Pfad, zersägte sie ihn kurzerhand, damit auch ihre Pferde weitergehen konnten. Abenteuer pur.
Viel Aufmerksamkeit in den Städten
Wo sie auch hinkamen, das Quintett zog immer die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich. “Besonders extrem war es in den Fußgängerzonen in den größeren Städten, wie zum Beispiel in Rothenburg und Bamberg, wo wir auf den früheren Wanderungen durchkamen”, sagt Pruß. Viele staunten, wunderten sich oder entdeckten eigene Sehnsüchte, etwas Außergewöhnliches zu wagen. “Ich denke, meine Wanderung ist auch ein Funke für einige Menschen gewesen”, sagt sie und freut sich, dass sie etwas weitergeben konnte.
Erfahrungen mit anderen teilen
Das möchte sie auch weiterhin. Denn in Lohmen plant sie die Errichtung einer Wilderlebnisschule. Sie selber möchte in Reichweite ihres Mannes in einer Jurte auf einer Lichtung wohnen. Von hier aus sollen Touren mit den Tieren durch die Natur starten. “Das Wandern und das Leben in der Natur macht etwas mit einem, diese Erfahrungen möchte ich gerne mit anderen teilen, sie bereichern”, sagt Sarah Pruß.
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