Die Fedpol-Chefin della Valle hat fertig. Das Personal auch
«Dynamische Sicherheits- und Kriminalitätslagen bewältigen»: Fedpol-Chefin Nicoletta della Valle. ; Annick Ramp / NZZ
Am Mittwoch vergangener Woche, um 10 Uhr 32, verschickt Nicoletta della Valle, Chefin des Bundesamtes für Polizei Fedpol, eine E-Mail an ihre Leute. Nach zehn Jahren als Direktorin sei sie so weit: «Ich habe fertig. Oder anders gesagt – basta». Della Valle gibt die Leitung der Behörde, die im Zentrum steht bei der Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität, Anfang 2025 ab. Sie gehe mit einem weinenden und einem lachenden Auge, lässt sie die Kollegen wissen. Wie viele von diesen in Tränen ausgebrochen sind, ist nicht überliefert.
«Es rumort im Fedpol», schrieb der «Sonntags-Blick» vor einer Woche. Beamte beschreiben della Valles Führungsstil hinter vorgehaltener Hand als äusserst ruppig, das Arbeitsklima zuweilen als belastend. Das hinterlasse Spuren. Ein Beispiel: Die Fedpol-Spitze beschäftigt zwei Direktionsassistentinnen und -assistenten. In der Ära della Valle haben sich mehr als 20 Personen auf diesen Posten abgelöst. «Wir können die Fluktuation nicht speziell an einzelnen, konkreten Gründen festmachen», sagt der Fedpol-Sprecher Christoph Gnägi dazu. Er hält fest, «dass ein bedeutender Teil der Personen» immer noch bei Fedpol tätig sei. Und karrierebedingte Stellenwechsel zeigten, dass das Fedpol eine Referenz sei.
Vielen fehlt das Vertrauen
Seit kurzem nicht mehr beim Fedpol angestellt ist ein langjähriger Vizedirektor und Stellvertreter della Valles. Sein Abgang sorgte intern für einige Irritationen. «Personelle Angelegenheiten besprechen und regeln wir zwischen den betroffenen Parteien und nicht in der Öffentlichkeit», so Gnägi.
Mitarbeiterbefragungen, welche die «NZZ am Sonntag» gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz einsehen konnte, deuten darauf hin, dass etwas Grundlegendes nicht stimmt. An der jüngsten Umfrage von 2023 nahmen 671 der rund 1059 Mitarbeiter teil. Die Fedpol-Spitze kommt darin nicht gut weg. 44 Prozent der Befragten stimmen der Aussage «Die oberste Leitung geniesst bei ihren Entscheiden mein Vertrauen» nicht zu. 45 Prozent gaben an, dass Entscheide nicht «auf der Basis von Fakten und sachlicher Argumentation» getroffen würden.
«Die Ergebnisse der Befragung deuten darauf hin, dass es Raum gibt für Verbesserungen, besonders zur Beschleunigung der Entscheidungsprozesse und zur Stärkung der sachlichen Fundamente von Entscheidungen», so der Sprecher.
Das Fedpol müsse mit seinen knappen Ressourcen «dynamische Sicherheits- und Kriminalitätslagen bewältigen». Das erhöhe die Anforderungen an die Mitarbeitenden. «Die anhaltend hohe Arbeitsbelastung und die bestehenden Personalengpässe tragen verständlicherweise nicht zur Arbeitszufriedenheit bei», sagt Gnägi.
Kritik aus dem Parlament
SP-Nationalrätin Barbara Gysi ist Präsidentin des Personalverbandes des Bundes (BPV). «Die Werte der obersten Leitung des Fedpol fallen sehr schlecht aus», sagt sie. Die Ergebnisse decken sich mit den Rückmeldungen, die beim BPV eingegangen seien. Das dürfte auch auf den Führungsstil der Fedpol-Leitung zurückzuführen sein, so Gysi. «Dieser ist bei der Polizei traditionell hierarchischer als in an anderen Stellen der Verwaltung.»
Sicherheitspolitiker äussern sich besorgt. «Das sind keine guten Tendenzen», meint SVP-Nationalrat Mauro Tuena. Das Fedpol sei mit seinem Einsatz gegen die organisierte Kriminalität oder den Menschenhandel zentral für die Sicherheit der Schweiz. Wenn da die Leute nicht zufrieden seien, müsse man das sehr ernst nehmen. FDP-Nationalrätin Maja Riniker sagt: «Das Abschneiden der Fedpol-Spitze lässt mich erahnen, dass über eine längere Zeit ein unbefriedigendes Arbeitsklima vorherrschte.» Es sei aber an der Leitung des zuständigen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), daraus die notwendigen Schlüsse zu ziehen.
Dort war die Stimmung beim Fedpol über die Jahre mehrfach Thema, wie gut unterrichtete Quellen bestätigen. Wirklich verbessert hat sich wenig. Den Chefposten beim Fedpol will der Bund nun demnächst ausschreiben. Basta.