Die beiden sozialdemokratischen Ratspräsidenten bekommen ein Upgrade und fliegen first class nach New York, Mehrkosten gibt es keine. Ist das Vorteilsnahme? Sicher nicht
Die SP-Politiker Eric Nussbaumer und Eva Herzog präsidieren in diesem Jahr die beiden Räte. ; Anthony Anex / Keystone
Die Reise begann mit einem Akt der Solidarität. Nationalratspräsident Eric Nussbaumer machte der Flugzeugcrew klar, dass er ihr Angebot gerne annehme und sein Ticket upgraden lasse. Aber unter einer Bedingung: Er fliege nur First, wenn auch Eva Herzog, die Präsidentin des Ständerats, in den Genuss eines Klassenwechsels komme.
Fliegen Parlamentarier länger als vier Stunden, zahlt ihnen der Steuerzahler ein Ticket in der Businessklasse. Die beiden waren im März unterwegs für einen mehrtägigen Arbeitsbesuch in den USA. Gleicher Komfort für gleichwertige Wichtigkeit, die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern sowie zwischen den eidgenössischen Räten war demnach auch auf den über 6000 Kilometern bis nach New York gewährleistet.
Swiss hält grundsätzlich fest, dass für Upgrades dieser Art «ganz klare Vorgaben» bestünden. Demnach werden Amtsträger nicht bevorzugt behandelt. Auf Anfrage lassen Nussbaumer und Herzog über die Parlamentsdienste ausrichten, dass das Angebot der Fluggesellschaft aus rein «betrieblichen Gründen» zustande gekommen sei.
Was das genau heissen mag? Wurden die armen Genossen zum höchsten Komfort und Konsum verführt, angestiftet zum Kapitalismus? Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung. Kosten für das Upgrade, das wird von beiden Seiten betont, seien keine verrechnet worden. Der Steuerzahler kann also beruhigt zur Tagesordnung übergehen. Arbeiten Sie weiter, in Bundesbern gibt es nichts zu sehen.
Mit den Ämtern der Ratspräsidenten haben die Upgrades ganz sicher nichts zu tun. Wie kann man überhaupt darauf kommen? Das hätte ein komisches «Gschmäckle» und wäre ohnehin nicht mehr zeitgemäss. Erst vor kurzem musste die Schweizer Landesregierung nebst ihrer Loge im Stadttheater Bern auch auf die Jahresabonnemente von Seilbahnen Schweiz verzichten.
Die Skiabos im Wert von jährlich je rund 4000 Franken gerieten unter Verdacht, nicht kompatibel mit dem Verbot der Vorteilsnahme zu sein. Der Bundesrat hat das Bundesamt für Justiz eingeschaltet. Selbst den Alt-Bundesräten wird ab dem nächsten Jahr das Gratis-Skiabo gestrichen. Das Aide-Mémoire wurde entsprechend ergänzt. Mässig Freude herrscht. Die beiden Ratspräsidenten nehmen es da lockerer, ganz im Sinn der Gewaltenteilung.
Im Leitfaden für die Parlamentarier steht schliesslich, dass die Annahme von «einzelnen, geringfügigen, sozial üblichen Vorteilen» nicht strafbar sei. Die Kaufkraft-Experten Nussbaumer und Herzog werten den Klassenwechsel denn auch etwa gleich wie einen Blumenstrauss oder eine Flasche Wein. Mit First statt Business für ein paar Tage nach New York – wer von den SP-Wählern im Grossraum Basel kennt das nicht?
Der Wert der Tickets lässt sich nur schwer beziffern und kann sich aus vielerlei Faktoren zusammensetzen. Mobilitätsexperten rechnen für Langstreckenflüge mit der Faustregel: rund 3000 bis 4000 Franken für Business, First ab 10 000 Franken. Oder sagen wir zwei Jahreskarten für die Schweizer Seilbahnen. Die abgehobenen Sozialdemokraten zu verfemen, wäre aber falsch.
Keine Fluggesellschaft dieser Welt kann von den beiden eine allfällige Erwiderung erwarten. Die SP stimmte in den letzten Jahren immer konsequent gegen den Flugverkehr. Sie ist nicht nur für die Einführung einer Kerosinsteuer sowie einer Flugticketabgabe und somit für die Verteuerung des Fliegens für alle anderen Schweizer. Sie will auch die Kurzstreckenflüge in Europa einschränken – etwa nach Rom. Die heilige Stadt ist die nächste Destination der beiden Ratspräsidenten. Am kommenden Montag werden sie mit Bundespräsidentin Viola Amherd der Vereidigung der Schweizergarde beiwohnen.