Causa Jian G.: „Politiker wollen auch mit deutlicher Anti-China-Haltung punkten“ - Berliner Expertin
Der Spionage-Verdacht eines Mitarbeiters von Maximilian Krah schlägt weiter hohe Wellen. Was könnte der Mann an China verraten haben?
Vor gut einer Woche wurde ein Mitarbeiter des AfD-Europapolitikers Maximilian Krah festgenommen. Der Verdacht gegen den Deutsch-Chinesen Jian G.: Er soll für China spioniert haben. Gleichzeitig soll G. in der Vergangenheit auch für den Verfassungsschutz des Landes Sachsen als Informant tätig gewesen sein. Krah musste auf einen Auftritt beim AfD-Wahlkampfauftakt verzichten, Justizminister Marco Buschmann (FDP) geht von weiteren Enttarnungen in der nächsten Zeit aus.
Genia Kostka leitet das Institut für China-Studien an der Freien Universität Berlin. Sie vermutet eine neue Taktik Chinas hinter der mutmaßlichen Spionage im Europa-Parlament. Vor Panikmache warnt sie dennoch ausdrücklich. Ein Gespräch über die Interessen Chinas, Spekulationen in den Medien und den Umgang mit der Systemkonkurrenz.
Frau Kostka, was ist Ihnen als Erstes durch den Kopf geschossen, als Sie gehört haben, dass ein Mitarbeiter des AfD-Politikers Maximilian Krah unter dem Verdacht der Spionage für China verhaftet worden ist?
Spionage gab es schon immer von allen Seiten. Es ist aber trotzdem ungewöhnlich, dass China jetzt auf verschiedenen Ebenen versucht, Einfluss zu nehmen – dass es also nicht mehr allein um Wirtschaftsspionage geht.
Was kann sich China denn erhoffen, wenn ein Mitarbeiter eines Parlaments Informationen liefert?
Informationen sind die neuen Daten. Sie sind das, was man heutzutage braucht, wenn sich die geopolitischen Verhältnisse zuspitzen. Wir erleben aktuell, dass es immer mehr Blockbildungen gibt, autoritäre Staaten und Demokratien stehen sich gegenüber. Die Spannungen haben zugenommen. Und das ist dann natürlich informativ oder wichtig für große Mächte wie China, zu wissen, was in den anderen Ländern passiert.
Und Europa spielt natürlich eine wichtige Rolle. Man hofft ja, dass Europa sich nicht ganz auf die Seite der USA schlägt, sondern dass man in Europa auch ein bisschen, sagen wir mal, Einfluss haben und einige Länder für sich gewinnen kann. Da ist es gut, wenn man auf radikale Parteien wie die AfD Einfluss nehmen kann, die in Europa und auch in Deutschland leider gerade viel zu sagen haben.
Viele Politiker sagen jetzt, der Verdacht gegen den AfD-Mitarbeiter sei nur die Spitze des Eisbergs. Teilen Sie die Einschätzung?
Das ist sehr spekulativ. Ich glaube, es gibt immer verschiedene Organe, bei denen die Kommunistische Partei Informationen sammelt, also nicht nur über Personen, sondern beispielsweise auch über soziale Medien. Was sich gewandelt hat, ist, dass in Deutschland sensibler damit umgegangen wird, auch weil die deutsch- chinesischen Verhältnisse komplexer geworden sind. Das Land ist nicht nur Wirtschaftspartner, sondern mittlerweile redet man ja auch davon, dass China vielleicht ein politischer Rivale sein könnte. Die Bundesregierung pusht die werteorientierte Außenpolitik, und da passt China überhaupt nicht rein.
Was hat das für Folgen?
Durch eine höhere Sensibilität wird mehr darauf geachtet, dass man, wenn man mit China zusammenarbeitet, sei es in der Wissenschaft, sei es militärisch, sei es politisch, das Gegenüber sehr strategisch vorgeht. Und ich glaube, es ist gut, dass man dieses Bewusstsein jetzt stärkt. Das heißt aber nicht, und das finde ich auch wirklich wichtig, dass jeder chinesische Forscher oder jeder chinesische Mitarbeiter ein Spion ist. Dies ist inzwischen zu einem Problem geworden und das muss man kritisch sehen. Das ist Rassismus. Wir merken das in der Wissenschaft. Plötzlich wird diskutiert, ob man Stipendiaten aus China überhaupt noch zulassen darf, weil diese regierungsnah sein sollen. Das geht zu weit.
Die Debatten darüber werden auf jeden Fall scharf geführt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat von einer Bedrohungslage gesprochen, sollte sich bestätigen, dass vonseiten der AfD für China spioniert worden ist. Ist das übertrieben oder real?
Das teile ich so nicht. Ich glaube eher, die Politiker wollen auch mit ihrer deutlichen Anti-China-Haltung punkten. China ist anders als Russland mit Präsident Wladimir Putin, der wirklich die Regeln der internationalen Ordnung gebrochen hat. Ich denke, China versucht, zweigleisig zu fahren. Das Land hat viele Vorteile vom internationalen, politischen System, aber einen internationalen Konflikt möchte es nicht. Das schadet China nur selbst.
Zurzeit hat das Land auch genügend eigene Probleme, viele hochrangige Politiker sind verschwunden, um nur ein Beispiel zu nennen. Die wollen jetzt keinen Konflikt. Das ist es vonseiten der deutschen Politik fast ein bisschen Panikmache und gefährlich, weil dadurch die Beziehung noch weiter zugespitzt werden können. Ich finde es wichtiger, einfach weiter das Gespräch zu suchen. Natürlich müssen klare rote Linien gezogen werden, Spionage ist absolut nicht akzeptabel – genauso wie wenn internationale Regeln gebrochen werden.
China dementiert heftig, hat vergangene Woche die deutsche Botschafterin einbestellt. Ist das Verhalten denn glaubhaft?
Das ist Schadensbegrenzung, auch um sich gegen Rufmord zu wehren. China will jetzt nicht dieses Image haben, dass das Land überall spioniert. Bislang ist es auch nicht erwiesen. Daher muss man jetzt auch vorsichtig sein mit diesen Anschuldigungen.