Bürgergeld in der Kritik: Jobcenter-Mitarbeiter fordern härtere Sanktionen und drastische Kürzungen
Neue Studie
Bürgergeld in der Kritik: Jobcenter-Mitarbeiter fordern härtere Sanktionen und drastische Kürzungen
Das Bürgergeld ist in der Kritik: Eine Studie zeigt, dass Jobcenter-Mitarbeiter härtere Sanktionen fordern. Die Erhöhungen ab 2023 sind ihnen zu hoch.
Berlin – Seit Ende März gibt es beim Bürgergeld strengere Strafen für diejenigen, die sich weigern, Arbeit anzunehmen. Dennoch sind Kritiker der Meinung, dass die ab Anfang 2023 geplanten Erhöhungen zu großzügig sind und stattdessen Kürzungen erforderlich wären. Durch diese Erhöhungen erhalten die Empfänger des Bürgergeldes durchschnittlich 25 Prozent mehr Geld. Eine Studie unter den Mitarbeitern der Jobcenter zeigt, dass sie sich von der Politik ein strengeres Vorgehen wünschen.
Bürgergeld laut Jobcenter-Mitarbeiter zu großzügig
Bernd Siggelkow, Gründer von Arche, bezeichnet das Bürgergeld als „Ein Verbrechen an unseren Kindern“. Im Gegensatz dazu sah Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Bürgergeld den „Geist der Ermutigung und Befähigung“, zumindest waren das seine Worte im Herbst 2022. Seitdem ist viel Zeit vergangen. Der Sozialwissenschaftler Jürgen Schupp hat untersucht, wie die Mitarbeiter der Jobcenter das Bürgergeld bewerten. Die Studie wurde vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Zusammenarbeit mit der Universität Bochum durchgeführt.
Schupp fasste gegenüber tagesschau.de zusammen: „Das Bürgergeld hat vor allem ein Imageproblem“. An der Untersuchung nahmen insgesamt 1.894 Mitarbeiter aus sieben Jobcentern teil. „Bei den Jobcenter-Beschäftigten überwiegen Skepsis und Ablehnung“, zitierte das Portal den Wissenschaftler. „Sie erkennen nur wenige Verbesserungen“. So lehnte die „Mehrheit“ der Befragten (60 Prozent) eine Erhöhung des Regelsatzes ab. Zur Erinnerung: Anfang des Jahres hatte die Regierung das Bürgergeld für Alleinstehende auf 563 Euro angehoben.
Berlin
Fast drei Viertel (73 Prozent) sprachen sich zudem gegen eine Abschwächung der Strafen bei Nichtbeachtung von Vorschriften oder gar Ablehnung von Jobangeboten aus. Bisher gab es ein Stufenmodell, das regelte, wie Jobcenter mit Regelverstößen umgehen: Es waren Kürzungen der Gelder zwischen zehn und 30 Prozent vorgesehen, verteilt über mehrere Monate. Seit Ende März gibt es eine neue Sanktion: „erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die wiederholt die Zusammenarbeit verweigern und eine zumutbare Arbeit nicht aufnehmen, der Regelbedarf für bis zu zwei Monate entzogen werden kann“.
Bürgergeld senkt laut Jobcenter-Mitarbeiter die Arbeitsanreize
Trotzdem gab es neue Kritik von der Union. „Das Bürgergeld hat die Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Jobverweigerern massiv aufgeweicht“, sagte Stephan Stracke, Sprecher für Arbeit und Soziales der Unionsfraktion, zur nun vorgestellten Studie. Es müsse eine Balance zwischen „Fördern und Fordern“ geben. Die Mitarbeiter der Jobcenter scheinen das genauso zu sehen – ihrer Meinung nach sind Bürgergeldempfänger schwerer zu erreichen (59 Prozent der Befragten), weniger motiviert und weniger kooperativ. Die Anreize, einen neuen Job anzunehmen, seien geringer als zuvor.
Die Studie zeigt jedoch auch positive Aspekte – zum Beispiel bemerkten die Mitarbeiter der Jobcenter die höheren Regelsätze und die verbesserten Coaching-Möglichkeiten für Langzeitarbeitslose. Schupp warnte jedoch, dass die Studie nicht repräsentativ sei und Politiker daraus keine direkten Handlungsempfehlungen ableiten sollten.
FDP will 2025 eine Nullrunde beim Bürgergeld
Die Debatte um das Bürgergeld hatte zuletzt innerhalb der Ampel-Koalition eine kleine Krise ausgelöst. Da es zu Jahresbeginn ungewöhnlich stark gestiegen ist, hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bereits angekündigt, 2025 eine Nullrunde drehen zu wollen. Der Paritätische Gesamtverband konterte: Eine beauftragte Ökonomin rechnete vor, dass auch die deutlichen Erhöhungen des Bürgergelds nicht mit dem massiven Kaufkraftverlust mithalten können, den Menschen in der Grundsicherung erlitten hätten.
Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, forderte eine „Grundsanierung des Systems“ Bürgergeld. Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte er: „Deutschland ist mit dem Bürgergeld auf dem Weg in Richtung bedingungsloses Grundeinkommen“. Es gebe eine „Mehrheit“ im Land, die glaube, dass das Bürgergeld zu mehr Arbeitsverweigerung führe. Laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit bezogen 2023 etwa 3,9 Millionen Erwerbsfähige Bürgergeld, bei 0,4 Prozent davon habe eine Kürzung stattgefunden.