Besuch von Xi Jinping: China festigt Einfluss in Europa über Ungarn
Chinesen willkommen: Ungarns Außenminister Peter Szijjarto (links) mit dem chinesischen Amtskollegen Wang Yi
China stärkt seine Stellung in Europa über das Tor Ungarn. In dem kleinen mitteleuropäischen Land werden praktisch im Monatstakt Investitionen aus der zweitgrößten Volkswirtschaft angekündigt. Vor allem auf dem Gebiet der Automobilindustrie erweist sich China als symbiotischer Partner. Im Rahmen des Besuch des chinesischen Staats- und Parteivorsitzenden Xi Jinping diese Woche haben die politischen Führer beider Länder die Intensivierung der wirtschaftlichen Partnerschaft bekräftigt.
Die Genehmigungen für das Elektroautowerk des chinesischen Elektroautospezialisten BYD seien erteilt worden, in Szeged im Süden Ungarns seien Bau- und Infrastrukturarbeiten im Gange und die ersten BYD-Modelle würden nächstes Jahr vom Band laufen, sagte der Außenminister der nationalkonservativen Regierung, Péter Szijjártó. Er sagte, es sei von entscheidender Bedeutung, dass jeder Aspekt der Automobilindustrie, von der Produktion über die Forschung bis hin zu Dienstleistungen, in Ungarn präsent sei.
BYD hat im Dezember den Bau eines Werkes angekündigt und ist damit unter den ersten großen chinesischen Elektroautobauern mit einer eigenen Produktionsstätte in Europa. Ein zweites Montagewerk in Europa könnte folgen. Europachef Michael Shu sagte am Donnerstag in London, das sei ein Thema für kommendes Jahr. Zugleich kündigte er an, das Modell Seagull auf den europäischen Markt zu bringen. Die europäische Version des Fahrzeugs solle für weniger als 20.000 Euro erhältlich sein. Elektroautos kosten im Schnitt 10.000 Euro mehr als vergleichbare Verbrennerfahrzeuge, vor allem wegen der hohen Kosten für die Batterie – was es schwierig macht, entsprechend günstige Fahrzeuge zu produzieren.
Vervierfachung des Handelsvolumens mit China
Ungarns Handelsvolumen mit China hat sich in zwanzig Jahren auf 12 Milliarden Dollar vervierfacht, und sieben chinesische Städteziele seien von Budapest aus per Flugzeug erreichbar, sagte Ministerpräsident Viktor Orbán. Während vor zwanzig Jahren praktisch keine chinesischen Investitionen in Ungarn getätigt wurden, kamen im vergangenen Jahr drei Viertel der eingehenden Investitionen aus China und boten „Zehntausenden Menschen eine sichere und vorhersehbare Lebensgrundlage“.
Damit macht China deutschen Investoren als größte Gruppe unter internationalen Financiers immer stärker Konkurrenz. Wie sie darüber denken, blieb auf Anfrage bei der Deutsch-Ungarischen Industrie- und Handelskammer (DUIHK) unkommentiert. Kanzleramtsminister Gergely Gulyás unterstrich Ungarns Interesse, so viele chinesische Investitionen wie möglich anzuziehen. Dabei verfolge Ungarn das Prinzip der Konnektivität in der internationalen Zusammenarbeit, und die Regierung wolle mit jedem für beide Seiten vorteilhafte Verträge abschließen, wo immer diese Länder die besten Produkte produzieren.
Szijjártó kündigte an, dass serbische und chinesische Partner prüfen würden, wie in kürzester Zeit eine Rohölpipeline zwischen Ungarn und Serbien gebaut werden könne mit dem Ziel, die Energieversorgungssicherheit für die beiden Länder und die gesamte Region zu erhöhen.
Zusammenarbeit in der Kernkraft
Außerdem werde die Zusammenarbeit auf die Kernenergie ausgeweitet, sagte er. „Wir haben uns nun mit der chinesischen Regierung auf den Entwurf eines Kooperationsabkommens geeinigt, das die gesamte Breite und Breite der Atomindustrie abdeckt, um den Zugang beider Länder zur günstigsten, sichersten und effizientesten Art der Stromerzeugung zu gewährleisten“, sagte Szijjártó.
Im Ministerium für Nationale Wirtschaft fand ein Treffen zwischen der Széchenyi-István-Universität Győr, dem europäischen Tochterunternehmen von Nio , einem Pionier der chinesischen Elektroautoindustrie, und der ungarischen Agentur für Mobilitätsentwicklung, einem Mitglied der Széchenyi-Universitätsgruppe statt, wo sich die Parteien auf die Unterzeichnung einer Kooperations-Absichtserklärung einigten. Ungarns Ziel sei es, seine Rolle als wirtschaftlichen Treffpunkt weiter zu stärken. Konkretes Ziel ist die Entwicklung von Batteriemanagement und -diagnostik auf der Grundlage der Erfahrungen mit der in Ungarn eingerichteten innovativen Batteriewechselstation.
China als Vorbild
Wie wichtig Forschung für die zweitgrößte Volkswirtschaft ist, belegt die rasant gestiegene Zahl an Patenten. China sei schon lange kein Produzent von Imitaten mehr, schreibt Péter Pál Kránitz, leitender Forscher am Ungarischen Institut für Auswärtige Angelegenheiten, in einem Beitrag für das ungarische Medium „Világgazdaság“. Er weist darauf hin, dass China bei Forschung und Entwicklung, der Anwendung innovativer Verfahren und der industriellen Produktion der fortschrittlichsten Techniken an der Spitze stehe. „Wir können viel von dem fernöstlichen Riesen lernen – das ist das Ziel des Chinesisch-ungarischen Zentrums für Technologietransfer.“
Am engsten sei die Zusammenarbeit in der Lebensmittelindustrie, wo das chinesisch-ungarische Forschungszentrum für Lebensmittelwissenschaften seit 2017 an einer der größten chinesischen Universitäten tätig ist. „Wir sind Zeugen eines historischen Wandels in der chinesischen Wirtschaft. In nur wenigen Jahrzehnten hat sich das Land vom ‚Montagewerk der Welt‘ zu einem der innovativsten Länder entwickelt, das im Jahr 2023 auf Platz 13 des globalen Innovationsindex stand.“ Die Modernisierung der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt werde durch starke staatliche Unterstützung vorangetrieben. „Nach den Vereinigten Staaten sind chinesische Gründungen mit rasanten Wachstumsraten die am stärksten kapitalisierten der Welt, meist in Form von staatlichen Zuschüssen“, erörtert Kránitz.
Ein Schwerpunkt der neuen Art der chinesischen Wirtschaft seien die erneuerbaren Energien. Der Wissenschaftler weist darauf hin, dass chinesische Unternehmen im Jahr 2021 bereits gut die Hälfte der weltweiten Produktion erreichten. „Bei der Erzeugung von Batterien für Elektroautos hat China sogar einen noch größeren Anteil, nämlich mehr als 60 Prozent des Gesamtmarktes“, schreibt Kránitz.
Ungarn hätte beachtliche Vorteile durch die Partnerschaft. Denn die Regierung habe erkannt, dass die billigen und effizienten Technologien, die die Weltwirtschaft antreiben, einschließlich derjenigen, die für den grünen Wandel unerlässlich sind, jetzt nicht nur im Westen, sondern auch im Osten erworben werden können. Das Chinesisch-ungarische Zentrum für Technologietransfer diene der gegenseitigen industriellen Entwicklung von China und Ungarn.
Eric Hendriks, niederländischer Soziologe, China-Experte und Gastforscher am Donau-Institut, bezeichnete die Europareise des chinesischen Präsidenten Xi Jinping als enorm wichtig. Schließlich könne die politische Unterstützung Pekings Ungarns Status als mitteleuropäisches Zentrum der chinesischen Industrie festigen. „BYD, das Flaggschiff der chinesischen Elektroautoproduktion, errichtet eine Fabrik in Szeged, aber dies ist nur das herausragendste Beispiel chinesischer Unternehmen.“ Er betonte: „In Ungarn entsteht ein ganzer chinesischer Industriekomplex.“ Vor dem Besuch des chinesischen Präsidenten wurde angedeutet, dass der chinesische Automobilhersteller Great Wall Motors sein erstes europäisches Werk in Bicsérd bei Pécs bauen könnte. Doch scheint dieses Projekt auf der grünen Wiese noch nicht reif für eine Ankündigung zu sein.