Baden-Württemberg: Chaos beim Parteitag der AfD
Der Machtkampf im Landesverband entzündet sich auch an ihrer Person: Alice Weidel spricht auf Landesparteitags der Südwest-AfD in Rottweil.
Weil der jetzige Vorstand der AfD Baden-Württemberg als zerstritten gilt, sollen die Mitglieder einen neuen wählen. Im Landesverband tobt ein Machtkampf, in den auch Parteichefin Alice Weidel verwickelt ist.
Chaos beim Parteitag der AfD
Es ist kurz nach 13 Uhr, da tritt die Parteichefin selbst ans Mikrofon. Alice Weidel (AfD) steht in der Stadthalle in Rottweil am Rednerpult und ruft: “Wir können uns nicht leisten, einen Konflikt im Landesvorstand weiter in die Länge zu ziehen.” Es bleibe schließlich nicht mehr viel Zeit: Gleichzeitig mit der Europawahl dürfen die Menschen in Baden-Württemberger Anfang Juni auch bei den Kommunalwahlen ihre Stimme abgeben. Daher müsse man die Partei in “ruhiges Fahrwasser” führen, sagt die Co-Chefin der AfD.
Der Landesverband Baden-Württemberg ist ihr Landesverband, Weidel war hier selbst einmal Chefin. Und der Machtkampf, der im Landesverband tobt, entzündet sich auch an ihrer Person. Wenn sie sagt, man wolle den Parteitag “zum Erfolg führen”, ist dies also wohl auch in ihrem eigenen Interesse.
Nach einem Erfolg sieht es an diesem Samstag allerdings überhaupt nicht aus. Als Weidel spricht, sind bereits vier Stunden vergangen. In diesen vier Stunden wurde der Parteitag eröffnet und wieder geschlossen, es gab Buhrufe und Wortgefechte, Vorstandsmitglieder haben sich die Mikrofone abgedreht. Zwischenzeitlich stand der Parteitag gar kurz vor der Absage.
Grund dafür: Die Stadthalle in Rottweil war überfüllt. Die AfD in Baden-Württemberg veranstaltet Parteitage nicht als Delegiertenparteitage, bei denen die Zahl der Teilnehmer im Vorfeld feststeht. Stattdessen kann jedes Mitglied des Landesverbandes kommen und abstimmen – das macht die Sache kaum kalkulierbar. Unklarheit herrscht am Vormittag auch, weil Gäste im Saal sind. Die wiederum sind nicht stimmberechtigt. Stattdessen, so sagen Teile des Vorstandes, seien stimmberechtigte Mitglieder vor der Halle abgewiesen worden. “Leute sind ordnungspolizeilich weggeschickt worden”, sagt Martina Böswald, Beisitzerin im Landesvorstand. Etwaige Vorstandswahlen, die zu diesem Zeitpunkt noch in weiter Ferne scheinen, könnten dadurch anfechtbar werden.
Um etwa viertel vor elf werden dann alle gebeten, den Saal zu verlassen. Es folgt ein zweiter Anlauf, diesmal ohne Gäste. Dann kommt der Parteitag allmählich in Gange, erst am Nachmittag steht überhaupt die Versammlungsleitung fest.
Der Streit kulminierte zuletzt in der Auseinandersetzung um ein Erbe
Hauptsächlich trifft sich der Landesverband der AfD in Baden-Württemberg an diesem Wochenende in Rottweil, um einen neuen Vorstand zu wählen. Der jetzige gilt als blockiert und nicht mehr arbeitsfähig, daher haben 22 der 37 Kreisverbände einen außerordentlichen Parteitag gefordert, um die Machtkämpfe aufzulösen.
Der Streit verläuft zwischen zwei Lagern innerhalb des Landesvorstands: Den Ehrenamtlichen, zu denen sich sieben Vorstandsmitglieder zählen – und den sechs Mandatsträgern, zu denen auch die beiden derzeitigen Landeschefs, Emil Sänze und Markus Frohnmaier, gehören. Sie gelten als Vertraute von Parteichefin Weidel.
Im Hintergrund spielt dem Vernehmen nach auch der langjährige Streit zwischen Weidel und dem Bundestagsabgeordneten Dirk Spaniel eine Rolle. Spaniel war selbst einmal Landessprecher der Partei in Baden-Württemberg, er steht hinter den sieben Ehrenamtlichen und versucht selbst immer wieder nach der Macht zu greifen. Spaniel ist an diesem Samstag jedenfalls häufig in vertraulichen Gesprächen mit Mitgliedern der “Sieben”, wie sie immer wieder genannt werden, zu sehen.
Der Streit kulminierte zuletzt in der Auseinandersetzung um ein Erbe, das dem AfD-Kreisverband Ludwigsburg 2021 übertragen wurde. Der dortige Kreisvorsitzende, Martin Hess, gilt ebenfalls als Weidel-Vertrauter. Im Umgang mit dem Erbe kam es zu Unregelmäßigkeiten. Im Lager der “Sieben” bestünde mit Blick auf die beiden Landesvorsitzenden der Verdacht, dass “gemauschelt und betrogen, aber zumindest nicht korrekt informiert wurde”, schrieb etwa das Schwäbische Tagblatt.
Im Foyer der Rottweiler Stadthalle heißt es zudem, das Lager um Sänze und Frohnmaier habe darauf gedrängt, den Parteitag zu diesem Zeitpunkt durchzuführen, auch um seine Macht im Landesvorstand zu sichern und auszubauen – und damit auch den Einfluss von Alice Weidel.
Bei manchen der “Sieben” tritt die Wut über die Parteichefin indes offen zutage. Martina Böswald, Beisitzerin im Vorstand, etwa sagt angesichts des chaotischen Starts des Parteitags: “Die Ursache ist blond und kommt vom Bodensee” – gemeint ist die Parteichefin.”Frau Weidel hasst mich”, sagt Böswald. Ihr Zorn richtet sich auch gegen Emil Sänze und Markus Frohnmaier. “Die beiden Landesvorsitzenden sind angetreten, um den Landesverband zu einen. Das haben sie nicht gemacht, im Gegenteil”, sagt Böswald. Stattdessen hätten Sänze und Frohnmaier während ihrer Zeit als Landessprecher damit angefangen, sich über den Landesvorstand hinwegzusetzen. Hansjörg Schrade, ebenfalls Beisitzer im Landesvorstand und Teil der “Sieben”, vermutet hinter den angestrebten Neuwahlen die “politische Absicht die ‘Sieben’ zu entsorgen”.
Im Lager von Alice Weidel sieht man die Sache anders
Im Lager von Alice Weidel sieht man die Sache anders. Mit der Gruppe der “Sieben” sei keine weitere Zusammenarbeit mehr möglich gewesen, “weil sie alles blockiert haben”, sagt Weidels Sprecher Daniel Tapp. Die “Sieben” seien aufgewiegelt worden, auch von Dirk Spaniel, Weidels Gegner im Landesverband, so Tapp. Spaniel habe den Fokus, “Alice Weidel abzuschießen” und sei damit sehr umtriebig im Landesverband unterwegs. Hinter dem Zorn auf die Parteichefin stecke aber auch das, was für die AfD typisch ist. “Immer gegen die da oben sein. Und wenn die da oben in der eigenen Partei sind, dann eben gegen die”, sagt Tapp.
Zwischen all dem Chaos findet am Samstagabend dann doch noch eine Wahl des Vorstandes statt. An dessen Spitze stehen weiterhin Emil Sänze und Markus Frohnmaier. 75,7 Prozent der Mitglieder stimmten für Frohnmaier, 76,46 für Sänze. Damit hat sich das Lager von Alice Weidel durchgesetzt. Von einem Erfolg kann jedoch nicht wirklich die Rede sein. Zu aufgeheizt ist die Stimmung, zu chaotisch die Organisation. In einem ruhigen Fahrwasser ist die AfD in Baden-Württemberg damit wohl nicht.