Armin Papperger: Rheinmetall-Chef warnt vor Scheitern der Zeitenwende
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Wenn das Sondervermögen aufgebraucht sei, fehlten laut Armin Papperger jährlich 30 Milliarden Euro. Ohne ein neues Finanzierungspaket drohe die Zeitenwende zu einem „Strohfeuer“ zu werden.
Bei einer Veranstaltung der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung im Industrieclub Düsseldorf gibt Rheinmetall-Chef Armin Papperger einen Einblick, was ihn gerade beschäftigt. Unter anderem die Summe von 30 Milliarden Euro.
Dieser Betrag würde laut dem Chef von Deutschlands größtem Rüstungskonzern jedes Jahr fehlen, wenn das Sondervermögen für die Bundeswehr von der Bundesregierung aufgebraucht sein werde. Papperger zufolge werde das bereits 2026 der Fall sein. „Wenn diese 30 Milliarden Euro nicht investiert werden, dann wird die Zeitenwende scheitern, dann wird das ein Strohfeuer sein“, sagt er.
Aus Sicht des Rheinmetall-Chefs müsse daher ein neues Paket geschnürt werden, „wie immer das aussehen wird“. Ansonsten könne das Zwei-Prozent-Ziel der Nato, das Ausgaben von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung vorsieht, nicht eingehalten werden.
Der 61-Jährige ist aktuell ein gefragter Mann. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine und der danach von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufenen Zeitenwende ist Papperger einer der wichtigsten Ansprechpartner für die Ampelregierung, wenn es um die Aufrüstung Deutschlands und der Ukraine geht.
Das war nicht immer so. Lange Zeit haben Politiker Manager von Rüstungskonzernen gemieden und deren Analysen weitgehend ignoriert. Papperger zufolge hätten nun vor allem die Grünen und Wirtschaftsminister Robert Habeck die größte Wende vollzogen. „Die Grünen haben festgestellt, dass Menschenrechte wichtiger sind als Pazifismus“, sagt er.
Die Industrie vertraue daher darauf, dass die Politik mit Blick auf die Investitionen in die Verteidigung ihr Wort halte. Viele Investitionen würden laut Papperger heute getätigt, ohne dass diese derzeit mit Aufträgen seitens der Bundesregierung gedeckt wären.
Westliche Welt nicht für konventionellen Krieg gerüstet
Den Vorwurf, die deutsche Rüstungsindustrie würde gerade im Bereich der Panzer im Manufakturbetrieb arbeiten, statt eine Massenfertigung zu starten, lässt Papperger nicht gelten. Es gäbe schlichtweg keine größeren Bestellungen, um Panzer am Fließband zu fertigen.
„Es macht keinen Sinn, wenn ich ein Werk für eine Milliarde Euro aufbaue, in dem ich 10.000 Panzer herstellen könnte, und pro Jahr laufen da aber nur 70 raus. Dann bin ich in der zweiten Woche im Jahr damit fertig“, sagt er.
Bei der Munition ist die Lage anders. Der Dax-Konzern legt aktuell unter anderem einen Fokus auf die Produktion von Artilleriemunition. „Die Artillerie ist der Gamechanger“, sagt der Rheinmetall-Chef mit Blick auf den Krieg in der Ukraine. In diesem Jahr werde das Düsseldorfer Unternehmen „Hunderttausende Schuss“ an die Ukraine liefern. Unter anderem auch Prototypen von Artilleriegranaten mit einer Reichweite von 100 Kilometern.
Russland verschießt große Mengen Artilleriemunition. Die Ukraine hingegen kann aufgrund eines Munitionsmangels auf diese Angriffe nur bedingt reagieren. „Die westliche Welt ist für einen konventionellen Krieg nicht gerüstet“, sagt Papperger. Sowohl in Europa als auch in den USA gingen die Produktionskapazitäten von Artilleriemunition in den vergangenen Jahren sukzessive zurück.
Deutschland kann keinen Panzerstahl liefern.
Rheinmetall besaß vor dem russischen Angriff eine jährliche Kapazität von etwa 70.000 Granaten. Bereits in diesem Jahr rechnet der Dax-Konzern mit Kapazitäten in Höhe von 700.000. Mittelfristig sollen es 1,1 Millionen werden.
Dafür baut Rheinmetall in Unterlüß ein neues Artilleriewerk. Auch in Litauen entsteht eine neue Produktionsstätte. In der Ukraine plant das Unternehmen gemeinsam mit einem örtlichen Joint-Venture-Partner ebenfalls den Bau eines Artilleriewerks. Laut Papperger hätten bereits auch die USA und Indien bei Rheinmetall bezüglich Investitionen im Artilleriebereich angefragt.
Papperger rechnet mit 50 Milliarden Euro Marktkapitalisierung
Das Unternehmen arbeite zudem daran, die Lieferketten zu sichern. Dafür habe Rheinmetall im vergangenen Jahr rund 1,3 Milliarden Euro investiert. Ziel ist es, Lagerbestände von Sprengstoffen und Panzer- sowie Munitionsstahl für mehrere Jahre aufzubauen.
Das Problem: Derzeit verfügt Deutschland über keine Sprengstofffertigung. Ein Großteil des Sprengstoffs, der in Artilleriegranaten eingesetzt wird, komme von China, dem größten Sprengstoffhersteller der Welt.
Auch bei der Herstellung von Panzern ist Deutschland abhängig. „Deutschland kann keinen Panzerstahl liefern“, sagt Papperger. Thyssen-Krupp sei der einzige Lieferant dieses Spezialstahls gewesen. „Die haben die Produktion vor drei Jahren eingestellt“, sagt er. Rheinmetall beziehe den Panzerstahl mittlerweile vor allem aus Schweden.
Insgesamt rechnet der Rheinmetall-Chef damit, dass die Rüstungsbranche rund zehn Jahre produzieren müsse, um die Depots der Bundeswehr im Sinne der von Verteidigungsminister Boris Pistorius proklamierten „Kriegsfähigkeit“ auffüllen zu können.
Dementsprechend selbstbewusst blickt er auf die Zukunft des Dax-Konzerns. Die aktuelle Marktkapitalisierung von rund 22 Milliarden Euro könnte laut dem Vorstandsvorsitzenden mittelfristig auf etwa 50 Milliarden Euro mehr als verdoppelt werden.