Anwältin rechnet mit weiteren Vorwürfen gegen Filmstar Depardieu
Paris. Immer wieder erheben Frauen schwere Vorwürfe gegen Gérard Depardieu. Nun gab die französische Staatsanwaltschaft bekannt, dass sich der Schauspieler im Herbst vor Gericht verantworten muss.
Der französische Schauspieler Gerard Depardieu 2018 in Brüssel. (Archiv)
Die Anwältin zweier Frauen, die den französischen Filmstar Gérard Depardieu wegen sexueller Gewalt angezeigt haben, rechnet mit dem Bekanntwerden weiterer Fälle. „Es gibt sicher noch andere Frauen, die noch nicht ausgesagt oder Klage eingereicht haben“, sagte die Anwältin Carine Durrieu-Diebolt am Dienstag dem Sender France Info.
Depardieu muss sich im Oktober erstmals wegen sexueller Gewalt vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft ordnete das Verfahren nach einer Anhörung des Schauspielers am Vortag auf einer Polizeiwache an. Geklagt hatten zunächst zwei Frauen, die ihm sexuelle Übergriffe bei Dreharbeiten 2021 und 2014 vorwarfen.
Der Fall von 2014 gilt inzwischen als verjährt. Allerdings reichte eine weitere Frau, die 2021 an demselben Film beteiligt war, ebenfalls Klage ein. Im Fall einer Verurteilung wegen sexueller Belästigung drohen Depardieu bis zu fünf Jahre Haft. „Es gibt einen Wendepunkt in der Affäre Depardieu“, sagte Durrieu-Diebolt . „Es haben sich mehr als 20 Frauen zu Wort gemeldet, und sie werden jetzt endlich ernst genommen“, fügte sie hinzu.
Die Fälle, wegen derer sich Depardieu im Oktober vor Gericht verantworten muss, betreffen Dreharbeiten für den Film „Les volets verts“ von Jean Becker. Eine der Klägerinnen, die als Bühnenbildnerin am Set gearbeitet hatte, hatte in einem Interview mit „Mediapart“ ausführlich berichtet, wie es ihr ergangen war.
Depardieu habe zahlreiche anstößige Bemerkungen gemacht, sagte sie. Zudem habe er sie „brutal gepackt“ und „an der Taille, am Bauch und bis zu den Brüsten“ begrapscht. Leibwächter des Schauspielers hätten Depardieu schließlich gestoppt.
„Wir mussten uns von morgens bis abends seine Schweinereien anhören“, sagte die Schauspielerin Anouk Grimberg, die in dem Film mitspielte, kürzlich der Nachrichtenagentur AFP. „Wenn Produzenten Depardieu engagieren, wissen sie, dass er ein Aggressor ist“, fügte sie hinzu.
Die zweite Klägerin hat als Regie-Assistentin bei dem Film mitgearbeitet. Ihre Vorwürfe sind im Detail nicht bekannt. Bei dem etwa zehn Stunden dauernden Verhör sei es auch zu einer Gegenüberstellung zwischen Depardieu und den Klägerinnen gekommen. Depardieu wies die Vorwürfe der Frauen bei dem Verhör zurück.
Depardieu wurde bereits mehrfach wegen sexueller Gewalt angezeigt. Seit 2020 ermittelt die Justiz wegen mutmaßlicher Vergewaltigung der Schauspielerin Charlotte Arnould. Die Schauspielerin Hélène Darras hatte ihn wegen sexueller Belästigung angezeigt, das Verfahren wurde jedoch wegen Verjährung eingestellt. Die Journalistin Ruth Baza verklagte Depardieu wegen Vergewaltigung im Jahr 1995 in Spanien.
Depardieu weist bislang sämtliche Vorwürfe zurück. „Ich habe niemals eine Frau missbraucht“, schrieb er in einem im Oktober veröffentlichten offenen Brief.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte dem Schauspieler mehrfach öffentlich den Rücken gestärkt und auf die Unschuldsvermutung verwiesen. „Ich bin ein großer Bewunderer von Gérard Depardieu“, sagte er im Dezember. Frankreich könne stolz auf ihn sein.
Depardieu gehört zu den bekanntesten Filmstars Frankreichs. Er arbeitete mit den bedeutendsten Regisseuren und Schauspielerinnen des Landes zusammen und spielte in mehr als 200 Filmen und Serien mit. Zu seinen bekanntesten Rollen zählen der wortstarke Cyrano de Bergerac und der wildschweinliebende Obelix, für den er sich schon aufgrund seiner Körperfülle bestens eignete.
Seine ebenso ungehobelte wie anrührende Art sicherte ihm über Jahrzehnte die Gunst seines Publikums. Diese bröckelte in den vergangenen Jahren und Monaten jedoch immer weiter, je mehr Frauen ihm öffentlich Vorwürfe machten. Zudem erregte ein Dokumentarfilm Aufsehen, in dem Depadieu am Rande eines Drehs zu sehen ist, wie er zahlreiche sexistische und vulgäre Bemerkungen macht.
Depardieu bestreitet die Vorwürfe vollständig. In einem in der Zeitung „Le Figaro“ im Herbst veröffentlichten Brief bezeichnet er sich als Opfer einer „medialen Lynchjustiz“ und schrieb „Niemals nie habe ich eine Frau missbraucht“. Depardieu führte fort: „Ich bin weder ein Vergewaltiger noch ein Raubtier. Ich bin nur ein Mann…“. Auch mehrere Dutzend Künstlerinnen und Künstler – unter ihnen die Schauspielerin Charlotte Rampling und die Musikerin und ehemalige französische First Lady Carla Bruni – beklagten, dass die Unschuldsvermutung bei Depardieu, dem „vermutlich größten aller Schauspieler“, außer Acht gelassen werde.
Meinungen über den Schauspieler gehen auseinander
Die Meinungen zu Depardieu und den schweren Vorwürfen, die gegen ihn erhoben werden, gehen in Frankreich auseinander. Bei vielen sorgte der Darsteller, der in mehr als 200 Filmen mitspielte, erst im Dezember mit Äußerungen in einer Fernsehreportage über seine Reise nach Nordkorea im Jahr 2018 für Entsetzen. Darin gibt er immer wieder frauenfeindliche und fragwürdige Kommentare von sich, bezeichnet Frauen etwa als „große Schlampen“.
Die damalige Kulturministerin Rima Abdul-Malak veranlasste zu prüfen, ob Depardieu ein Verdienstorden der Ehrenlegion entzogen werden solle. Das geschah letztlich nicht. Der Schauspieler hatte die höchste französische Auszeichnung 1996 erhalten. Den Nationalorden von Quebec und seinen Titel als Ehrenbürger der belgischen Gemeinde Estaimpuis verlor Depardieu. Das Pariser Wachsfigurenkabinett ließ seine Figur entfernen.
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