AfD in Thüringen: Eine Stadt beginnt, sich zu wehren

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Protest am Fenster in Bad Lobenstein

Michael Pape hofft, „dass unsere Meinung respektiert wird“. Seine Meinung: Für Demokratie und Toleranz, gegen Rechtsextremismus und die AfD. Damit hat er sich im thüringischen Bad Lobenstein lange allein gefühlt. Am vergangenen Montagabend aber kommt er mit Gleichgesinnten zu einer Mahnwache zusammen, friedlich und ruhig wollen sie ihre Ablehnung der AfD am Südende des Marktplatzes zeigen. Im Vergleich zu den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus, die in vielen deutschen Städten stattgefunden haben, sind sie wenige: rund 90 laut Polizei, mehr als 120 sagen die Veranstalter. Aber es ist das erste Mal, dass es in Bad Lobenstein überhaupt eine Gegendemonstration zu einer AfD-Veranstaltung gibt.

Auf dem nördlichen Teil des Marktplatzes, getrennt durch vier Einsatzwagen der Polizei, findet gleichzeitig eine Kundgebung der AfD statt. Wie man jemanden ernst nehmen soll, der für Toleranz und Demokratie auf die Straße geht, aber ein Verbot der Opposition fordert, fragt ein Redner. In Wahrheit sei es die Bundesregierung, die Nazimethoden anwende. Beifall und Pfiffe hallen über den Platz. Etwa 120 Menschen stehen laut Polizei um das AfD-Zelt, die Organisatoren sprechen von 200 Teilnehmern.

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Christian Herrgott, CDU

Pape meint, dass jede Debatte vergiftet sei: „Das große Problem ist, dass man sich nicht wirklich traut, seine Meinung zu äußern oder anzuecken.“ Erst vor rund einem halben Jahr hat er sich mit anderen „Demokraten“, wie sich viele selbst nennen, vernetzt. Damals hat er eine Veranstaltung der Volkshochschule über Rechtsextremismus besucht. Er blieb mit anderen Teilnehmern in Kontakt, und sie haben gemeinsam die Initiative „Dorfliebe für alle“ gegründet. Zuvor sei er zwar politisch interessiert gewesen, gerade was Rechtsextremismus und Verschwörungstheorien betrifft, aber nicht aktiv. Die „Dorfliebe“ hat die Mahnwache organisiert und einen offenen Brief für Solidarität geschrieben. Die AfD wirft ihnen dafür Hetze vor, sagt Pape.

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Überzeug Michael Pape von der Initiative „Dorfliebe für alle“ demonstriert gegen eine Kundgebung der AfD.

Die Frage, auf welcher Seite sie stehen, stellt sich für die knapp 6000 Einwohner von Bad Lobenstein an diesem Sonntag, denn im Saale-Orla-Kreis wird ein neuer Landrat gewählt. In die Stichwahl haben es der CDU-Kandidat Christian Herrgott und Uwe Thrum von der AfD geschafft. Herrgott kam im ersten Wahlgang auf 33,3 Prozent der Stimmen. Thrum hat die absolute Mehrheit mit 45,7 Prozent knapp verfehlt. Wenn er gewinnt, wird er nach Robert Sesselmann im Landkreis Sonneberg der deutschlandweit zweite AfD-Landrat.

„Beängstigend“ findet eine junge Teilnehmerin der Mahnwache den Gedanken. Sie erinnert sich, wie zur dortigen Wahl über Sonneberg berichtet wurde und wie sie selbst darüber geredet hat. Dass es nun auch in ihrer Heimat so weit kommen könnte, kann die Auszubildende kaum fassen.

Gleichzeitig kennt sie viele Leute in ihrem Alter, die AfD-Anhänger sind. Schon nach einem kurzen Blick sieht sie in der AfD-Menge zwei Teilnehmer, die mit ihr auf der Grundschule waren. Sie ist das erste Mal bei einer Anti-AfD-Kundgebung, und sie hat Angst. Angst, dass die Dinge auf dem Platz eskalieren könnten, und Angst, dass jemand vom Norden des Marktplatzes sie in der Stadt wiedererkennen könnte. Man wisse ja nicht, wie die dann drauf sind.

Ihr eigener Freundeskreis und sie selbst seien eher links. Sie hat, wie einige im Süden des Platzes, ein Schild mit Regenbogenflagge dabei und lobt Ralf Kalich, der für die Linke im Thüringer Landtag sitzt. Christian Herrgott ist also nicht ihr Traumkandidat, aber sie hat Angst, dass die Erfolge der AfD die Demokratie gefährden.

Auch Pape sagt, dass der gemeinsame Nenner der „Dorfliebe“ und der Mahnwache die Ablehnung von Rechtsextremismus und das Eintreten für eine tolerante Gesellschaft sind, nicht die Unterstützung bestimmter Parteien. „Wir sind keine Pro-Regierungs-Kundgebung“, betont er. Aber: „Wir Demokraten müssen jetzt zusammenstehen.“

An der Mahnwache nehmen auch Mitglieder des Kirchenchors teil. Sie stimmen Lieder an, andere Teilnehmer steigen mit ein. „Gott will, dass ihr ein Segen für seine Erde seid“, singen sie und „Wehrt euch, leistet Widerstand gegen den Faschismus hier im Land“. Derweil sagt ein Redner der AfD-Kundgebung, in Gewerkschaften, den Medien und unter den Gegenprotesten herrsche „der gleiche Untertanengeist, der 1933 auch mit einmarschiert ist“.

Den Teilnehmern der Mahnwache ist wichtig, dass sie nicht konfrontativ wirken. Die Großmutter der angehenden Erzieherin will nicht laut sein oder unangenehm auffallen, sondern einfach nur Präsenz zeigen. Das tut sie trotz Gehstock und obwohl sie sich zwischendurch auf eine Bank setzen muss. Pape bittet eine andere Frau, ihre mitgebrachte Kerze wieder einzupacken – sie steckt in einem Glas und könnte für ein Wurfgeschoss gehalten werden.

Ein Anti-AfD-Demonstrant wird aber keine zehn Minuten nach Veranstaltungsbeginn von Beamten abgeführt, weil er in die AfD-Kundgebung gelaufen war und für Unruhe gesorgt hatte. Die Polizei ermittelt wegen Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Den Rest der Zeit bleiben die Gruppen unter sich: Die AfD-Menge schart sich um ihre Redner, die Mahnwache versucht, ihre Transparente an den Polizeiautos vorbei zu zeigen, und singt in Richtung Norden.

Das gewaltlose Nebeneinander trügt. Pape sagt, bei Podiumsdiskussionen vor dem ersten Wahlgang seien Menschen „bewusst eingeschüchtert“ worden, die Uwe Thrum kritische Fragen gestellt haben. Die Luft sei aus ihren Autoreifen abgelassen worden. Belege hat er dafür nicht. Aber auch andere AfD-Gegner erzählen, dass sie bedroht wurden. Bei Ursula Preiß etwa, 79 Jahre alt und früher für die unabhängige Fraktion AUF im Stadtrat, polterte mal jemand zu Hause gegen die Fenster. 2015 hat sie eine Kleiderkammer für Flüchtlinge aufgebaut, das passte demjenigen wohl nicht, sagt sie. Die Rentnerin hat sich, mit Rollator und Regencape ausgestattet, von ihrem Nachbarn zur Mahnwache fahren lassen. Sie will sich nicht unterkriegen lassen. Im Ort wird noch von anderen Einschüchterungsversuchen erzählt, aber die sollen aus Angst vor den Tätern erst gar nicht in der Zeitung stehen.

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Bad Lobenstein mit Blick auf die Burgruine

Einen Tag nach den Kundgebungen in Bad Lobenstein, am Dienstagabend, hält Christian Herrgott eine Fragerunde vor rund 50 Gästen in der Kreisstadt Schleiz ab. Eigentlich hat die „Ostthüringer Zeitung“ eine Podiumsdiskussion mit beiden Kandidaten organisiert, aber Uwe Thrum sagt am Montag ab. Die Moderatoren und „die mediale Hetzjagd der vergangenen Tage“ ließen „keine sachliche und faire Diskussion in diesem Format erwarten“, schreibt er auf Facebook. Er will nicht über jedes „Stöckchen“ der „eta­blierten Medien“ springen, sagt er einen Tag später im Gespräch mit der F.A.S.

Herrgott weiß, dass es ein knappes Ergebnis werden wird. Selbst wenn er gewinnt, wird voraussichtlich fast die Hälfte des Landkreises für die AfD gestimmt haben. Er betont, dass er nach einem möglichen Sieg ein Landrat für alle Einwohner sein will – auch für die AfD-Wähler. Wie er die Bevölkerung zusammenbringen will, fragt ein Teilnehmer. „Ich will mit ihnen genauso intensiv ins Gespräch kommen und Austausch anbieten“, sagt Herrgott. „Sie haben genauso das Recht, dass ihre Fragen beantwortet werden.“ Von der Diskussion um ein AfD-Verbot hält er „gar nichts, weil das nur Meinungen verfestigt“.

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Wahlkampf: Plakate von Uwe Thrum (AfD) und Christian Herrgott (CDU)

Die Bevölkerung in der Kleinstadt ist gespalten – und doch, inhaltlich gleichen sich beide Kandidaten, der von der CDU und der von der AfD. Der größte Unterschied ist, dass Thrum Bußgelder an die zurückzahlen will, die sich während Corona nicht an die Regeln gehalten haben. Außerdem verspricht er mehr Radwege.

Am Mittwochmorgen wirbt er in Bad Lobenstein für sein Programm. Es ist Markttag, er ist mit einem Infostand da. Eine Rentnerin sagt, dass seine Forderungen genau ihren Vorstellungen entsprechen. Auf die Überschneidungen mit Herrgotts Wahlprogramm angesprochen sagt sie, dass sie lieber „das Original“ wählen möchte, gerade in der Asylpolitik. Von den anderen Parteien sei sie enttäuscht, deshalb versuche sie es eben mit der AfD.

Thrum lächelt viel und scheint energiegeladen, er wirkt optimistisch für die Stichwahl. „Die Leute wollen die Wende, die haben die Nase gestrichen voll von den etablierten Parteien und dieser Politik“, meint er. Und inszeniert sich gleichzeitig als Opfer: „Wir merken, dass sich diese Blockparteien, wie wir sie zu DDR-Zeiten schon mal hatten, wieder formieren. Gewerkschaften, Kirchen, die ganzen Sozialverbände, alle schließen sich zusammen, um den AfD-Kandidaten zu diskriminieren, auszugrenzen, schlechtzumachen.“ Später diskutieren drei Männer am Stand über angeblichen Betrug bei Briefwahlen und Wahlbescheinigungen bei der Landratswahl.

Misstrauen in Politik, Verwaltung und Medien sind in jedem Gespräch zu hören. Eine Frau sagt, sie glaube der Correctiv-Recherche über geplante Vertreibungen selbst von Menschen mit deutschem Pass nicht. Auch die darauffolgenden Demonstrationen in ganz Deutschland hält sie für gestellt. Die Mahnwache am Montag habe sie trotzdem in Ordnung gefunden. Eine Freundin sei sogar dort gewesen, sie selber bei der AfD-Kundgebung. Über das Thema sprechen würden die beiden nicht.

Sie sei selber aus Russland eingewandert und habe vor gut zehn Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Gegen andere Einwanderer habe sie nichts, aber sie müssten – wie sie selbst – deutsch lernen, sich integrieren und Deutschland lieben. Björn Höcke wird ihrer Meinung nach diffamiert, sie habe sich Reden und Interviews angehört und findet sie nicht rechtsextrem. Für diese Überzeugung sei sie bereit, ins Gefängnis zu gehen.

Ähnlich sieht das Hartmut Lucas, Vorstand des AfD-Gebietsverbandes Saale-Orla und nach eigener Aussage väterlicherseits jüdischer Abstammung. Mit Nazis, etwa der NPD oder dem Dritten Weg, würde er sich nicht identifizieren, aber er findet es nicht schlimm, wenn Höcke Naziparolen verwendet. Er denkt nicht, dass man sich dadurch mit Nazis gemeinmacht. Er könne auch selber nicht alles vermeiden, was die mal gesagt haben, sonst brauche man ja ein Wörterbuch, um jeden Satz zu überprüfen.

Eine andere Frau, 34, Altenpflegerin, vertraut nicht einmal der AfD. Manchmal frage sie sich, ob die nicht auch nur eine Ablenkung von anderen Sachen sei. Aber „die da oben regieren uns mit Angst und brauchen das mal zurück“. Das erreiche die AfD nun mal. Hauptsächlich beklagt sie sich aber über sozialpolitische Themen, etwa dass deutsche Rentner ausgenommen würden, die Sozialsysteme nicht funktionierten und die Pfleger überlastet seien.

Knapp zwei Stunden lang steht und redet eine kleine Menschentraube an Thrums Stand. Niemand scheint noch unentschlossen für die Stichwahl, niemand geht zum Zelt von Christian Herrgott. Der steht ein paar Meter weiter, hinter einem Honigstand. Auch dort haben sich die meisten schon entschieden.

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