Zwei Angeklagte wollen sich zu Vorwürfen im „Reichsbürger“-Prozess äußern
In Stuttgart müssen sich seit Montagmorgen neun mutmaßliche „Reichsbürger“ verantworten, die der Gruppe um Prinz Reuß zugeordnet werden. Es ist der erste von drei Mammutprozessen. Zwei der Angeklagten haben eine Aussage angekündigt.
Im Terrorprozess gegen die mutmaßliche Verschwörergruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht wollen sich zwei der Angeklagten zu den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft äußern. Sie seien bereit, Angaben zur Person und zur Sache zu machen, sagten die beiden Angeklagten am Montag in dem Prozess. Ein weiterer Angeklagter kündigte an, Angaben zur Person, aber nicht zur Sache machen zu wollen. Die restlichen sechs Angeklagten wollen zunächst überhaupt keine Angaben machen. Wann die beiden Angeklagten aussagen sollen, ist noch unklar.
Vor dem Oberlandesgericht müssen sich seit Montag neun mutmaßliche Mitglieder der Gruppe verantworten, die deren militärischem Arm zugerechnet werden. Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen und die sogenannte „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“. Einer der Angeklagten steht zudem wegen versuchten Mordes vor Gericht.
Das Verfahren in Stuttgart ist der erste von drei Mammutprozessen gegen die Gruppe um Prinz Reuß und eines der größten Staatsschutzverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik. Die insgesamt 27 Verdächtigen sollen einen gewaltsamen Umsturz der Bundesregierung geplant haben.
Den Verschwörern sei bewusst gewesen, dass es bei der geplanten Machtübernahme Tote geben würde, hatte die Bundesanwaltschaft bei Anklageerhebung im Dezember erklärt. Sie hätten unter anderem vorgehabt, bewaffnet in das Reichstagsgebäude in Berlin einzudringen und Bundestagsabgeordnete festzunehmen.
Die Gruppe soll der Anklage zufolge verschiedene Verschwörungsmythen geglaubt haben und beispielsweise davon überzeugt gewesen sein, dass Deutschland von kriminellen Eliten mittels eines sogenannten Deep State beherrscht werde. An einem sogenannten Tag X werde ihnen ein – in Wirklichkeit nicht existierender – Geheimbund von Regierungen, Geheimdiensten und Streitkräften verschiedener Staaten namens Allianz ein Zeichen geben, dass er die obersten Institutionen Deutschlands angreife.
Der Besucherandrang zum Prozessauftakt des ersten von drei Mammutprozessen gegen die „Reichsbürger“-Gruppe war groß dpa/Bernd Weißbrod
Hunderte Waffen sollen zusammengetragen worden sein
Um dies zu unterstützen, soll die Gruppe geplant haben, selbst Institutionen und Amtsträger auf den Ebenen von Bundesländern, Kreisen und Kommunen zu beseitigen. Dazu soll sie damit begonnen haben, bundesweit militärisch organisierte Verbände – sogenannte Heimatschutzkompanien – aufzubauen. Hunderte Waffen sollen zusammengetragen worden sein.
Der Aufbau militärisch organisierter Verbände war nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft teils weit fortgeschritten. In zwei Fällen hätten die sogenannten Heimatschutzkompanien selbst aktiv werden können, sagte ein Vertreter der Behörde bei der Verlesung der Anklage. Innerhalb der Kompanie 221, die für die Bereiche Tübingen und Freudenstadt in Baden-Württemberg habe zuständig sein sollen, seien bereits Verantwortliche für die Rekrutierung weiteren Personals benannt worden, hieß es.
Auch die Kompanie, die für Jena, den Saale-Holzland-Kreis und den Saale-Orla-Kreis habe zuständig sein sollen, habe selbst aktiv werden können. Zudem seien vielfältige Aktionen registriert worden, weitere Heimatschutzkompanien aufzubauen, sagte der Vertreter der Bundesanwaltschaft. Die Kompanien hätten laut Anklage nach einer potenziellen Machtübernahme der Gruppe politische „Säuberungsaktionen“ in ihrem Zuständigkeitsbereich durchführen sollen.
In Frankfurt sind ab 21. Mai die mutmaßlichen Rädelsführer, darunter Reuß, angeklagt. In München stehen ab 18. Juni die übrigen mutmaßlichen Mitglieder vor Gericht.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte im ZDF-„Morgenmagazin“: „Es zeigt auf jeden Fall die Stärke unseres Rechtsstaats, dass hier das bislang größte Terrornetzwerk von ,Reichsbürgern‘ nur vor Gericht steht und sich für seine (…) militanten Umsturzpläne verantworten muss.“