Molkereichef: „Mit Hafermilch wäre unsere Marge höher“

molkereichef: „mit hafermilch wäre unsere marge höher“

Bernhard Pointner, 47, ist seit 2012 Geschäftsführer der Milchwerke Berchtesgadener Land-Chiemgau, die gerade mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet wurden.

Herr Pointner, die Kuh ist als Klimakiller in Verruf geraten, vegane ­Ernährung liegt im Trend. Wann ­reagieren Sie darauf und nehmen ­Hafermilch ins Sortiment?

Ich nenn’s Haferdrink, weil es ja keine Milch ist. Technisch wäre das für uns ein Kinderspiel, in zwei Monaten könnten wir soweit sein. Unseren Abfüllanlagen ist es ja egal, ob wir Milch durch­laufen lassen oder einen Haferdrink. Die Herstellung ist simpel. Man pumpt Wasser in einen Tank und rührt ein ­Pulver rein, fertig. Haferdrinks können dressierte Affen machen. Wir haben derzeit aber nicht vor, es zu tun.

molkereichef: „mit hafermilch wäre unsere marge höher“

Der Wallnerhof bei Inzell ist einer von 1800 Höfen zwischen Watzmann und Zugspitze, deren Milch die Berchtesgadener Molkerei verarbeitet.

Was sagen Sie den vielen Leuten, die sich ums Tierwohl und den Klimawandel sorgen und deshalb lieber keine Milch mehr trinken wollen?

Erstmal ist die Zahl überschaubar. Da kann man als Molkereichef noch ruhig schlafen. Und zweitens können wir alle Argumente widerlegen, die gewöhnlich gegen die Milch vorgebracht werden.

Fangen Sie mit dem Klima an.

Unsere Milch kommt aus dem Grünlandgürtel der Alpen. Hier gibt es keine Anbauflächen für Hafer. Hier gibt es Wiesen, und nur die Kuh mit ihrem Verdauungstrakt kann Gras in Lebensmittel umwandeln. Gleichzeitig speichert dieses Grünland große Mengen an CO2. Deshalb ist unsere Art der Milchwirtschaft fast klimaneutral.

Wir verbrauchen dafür auch nicht Unmengen an Wasser, um das gleich dazuzusagen. Bei uns regnet es viel, ob die Kuh auf der Weide steht oder nicht. Wir können den Regen ungenutzt ins Schwarze Meer abfließen lassen, dann wird Salzwasser draus. Oder wir produzieren Lebensmittel. Wie sollen wir in ein paar Jahren zehn Milliarden Menschen auf der Welt ernähren, wenn wir eine solche Gunstlage nicht nutzen?

In Irland und in den Niederlanden soll es aus Umweltgründen eine Art Abwrackprämie geben, damit Landwirte rausgehen aus der Viehhaltung. Was halten Sie davon?

Dort ist die Not groß, weil man in der Vergangenheit eine verfehlte Landwirtschaft betrieben hat – steril abgetrennt, intensiv bewirtschaftet. Ich nenne das Sagrotan-Landwirtschaft. Da hat man Nitrat im Trinkwasser, da musst du als Land reagieren. Bei uns gibt es das nicht. Die 1800 Landwirte, deren Milch wir verarbeiten, haben im Durchschnitt 27 Kühe. Die zehn größten kommen vielleicht auf 150 Kühe. Wenn pauschal die Landwirtschaft kritisiert wird, fühlen wir uns also gar nicht gemeint.

Kühe rülpsen Methan, ob intensiv gehalten oder nicht. Es gibt inzwischen Futterzusätze dagegen. Wie finden Sie solche Experimente?

Da sollten wir die Kirche im Dorf lassen. Ich halte nichts davon, den Kühen einen Katalysator um den Hals zu hängen. Laut Umweltbundesamt entfallen 3,4 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen auf die Rinderhaltung. Und hier geht es um die Produktion von Grundnahrungsmitteln. Die sollten wir in Deutschland erhalten und uns nicht auch noch bei der Ernährung vom Ausland abhängig machen wie bei den Arzneimitteln oder bei der Verteidigung.

Sie verkaufen Milch aus den Alpen bis nach Berlin und Hamburg. Wie gut ist deren Klimabilanz noch?

Wir setzen für den Transport nur Lkw mit modernster Technik ein, die sehr wenig Diesel verbrauchen. Ein Vierzigtonner kommt mit durchschnittlich 27 Litern auf 100 Kilometern aus. Deshalb kann man unsere Milch auch in Berlin mit gutem Gewissen trinken. Ich bin überzeugt, dass sie fürs Klima besser ist als eine Milch aus Brandenburg, für die Soja aus Brasilien verfüttert worden ist. Das ist bei uns nämlich verboten. Genauso wie Futter von Flächen, auf denen Glyphosat versprüht worden ist.

Bundesumweltministerin Lemke will, dass Milch künftig häufiger in Glasflaschen verkauft wird, um Müll zu vermeiden. Ist das eine gute Idee?

Wir haben gerade die modernste Abfüllanlage für Glasflaschen in ganz Europa in Betrieb genommen, ich halte Glas für eine tolle Verpackung. Aber das ist nur in einer Nische sinnvoll. Stellen Sie sich eine einzige Lkw-Ladung mit Milchkartons vor und dazu die Milch, die da hineinpasst. Wenn ich die gleiche Menge Milch in Glasflaschen abfüllen soll, müssen erstmal 30 Lastwagen mit leeren Flaschen bei uns auf den Hof kommen. So viele Fahrer gibt es gar nicht, vom Dieselverbrauch ganz zu schweigen. Wir haben dazu im Sommer in Berlin an einem parlamentarischen Frühstück teilgenommen. Eingeladen waren dazu rund fünfzig Abgeordnete. Geantwortet haben zwölf, gekommen sind vier, übrigens kein einziger von den Grünen.

Genug vom Klima. Was sagen Sie zu gesundheitlichen Milch-Vorbehalten?

Ich appelliere da an den gesunden Menschenverstand. Wer fährt denn bei uns mit dem E-Bike am Sonntag auf den Berg, setzt sich vor die Hütte und trinkt ein Weißbier? Das sind immer öfter Achtzigjährige, die in ihrem Leben Fleisch und Eier gegessen und Milch getrunken haben. Ob einer, der als Zehnjähriger zum Veganer geworden ist, das mit 80 Jahren auch noch macht, wissen wir jetzt noch nicht.

Dagegen stehen einige wissenschaftliche Studien, in denen die Milch schlecht wegkommt.

So viele Studien wie die großen internationalen Lebensmittelkonzerne können wir uns nicht leisten. Aber denen passt es auch ganz gut ins Kalkül, wenn die Milch darin nicht gut abschneidet. Haferdrinks und andere Ersatzprodukte sind viel günstiger herzustellen. Da spart man sich die abenteuerlichen Touren im Winter durch die Berge und muss nicht auf die Kühlkette achten, verlangt im Supermarkt aber höhere Preise als wir für unsere Milch. Das heißt: Mit Haferdrinks sind die Margen höher.

Ein dritter Kritikpunkt neben den Klima- und Gesundheitsbedenken ist das Tierwohl. Wie steht es damit auf den Höfen Ihrer Milchbauern?

Viele sind in den beiden höchsten Haltungsstufen, jeder Dritte ist Biobauer. Und bei uns ist es so: Je schöner es die Kuh hat, desto mehr Milchgeld. Weil wir wissen, dass unsere Kunden dafür bereit sind, einen Aufpreis zu bezahlen.

Aber nicht alle Betriebe sind schön, auch nicht alle kleinen. Hier und da gibt es noch Anbindehaltung. Was machen Sie mit der Milch von dort?

Wir sind eine Genossenschaft, die Molkerei gehört den 1800 Milchbauern. Da können wir keinen rauswerfen, der seit eh und je dazugehört. Aber die Anbindehaltung wird immer weniger, schon weil sie keine schöne Wirtschaftsweise ist. Mit dem Melkschemel im Stall von Kuh zu Kuh zu gehen, dafür findet sich heute kein Hofnachfolger mehr. Wir erfassen die wenige Milch, die noch von solchen Höfen kommt, getrennt von der anderen Milch und verkaufen sie auch nicht unter unserer eigenen Marke. Daraus wird dann zum Beispiel Käse oder H-Milch für den italienischen Markt, wo Tierwohl für die Verbraucher noch keine so große Rolle spielt. Das ist für uns ein kleiner, aber hilfreicher Absatzkanal.

Ihre Molkerei hat vor 50 Jahren die erste Biomilch auf den Markt gebracht, damals eine Pioniertat. Die Bundesregierung will den Bioanteil nun insgesamt bis 2030 auf 30 Prozent steigern. Was halten Sie davon?

Das ist völlig utopisch. Die Nachfrage ist dafür nicht groß genug. Viele Verbraucher wollen und können sich das nicht leisten. Wenn die Quote trotzdem per Verordnung käme, dann würde der Biomarkt völlig kollabieren. Dann wäre Biomilch im Supermarkt auf einmal billiger als konventionelle Milch, weil das Angebot viel zu groß wäre.

Noch ein Wort zu den Preisen. Im Kühlregal sind Milch und Butter, die vergangenes Jahr sehr teuer waren, plötzlich wieder günstig. Wie kam es zu diesem rasanten Auf und Ab?

Dahinter stand, dass China auf dem Spotmarkt eine Weile alles aufgekauft hat, um seine Lager vollzumachen. Dadurch hat es sich verrückterweise gelohnt, die Preise so hoch zu setzen, dass damit in Deutschland weniger verkauft wurde und mehr für den Spotmarkt blieb. Damit haben viele andere Molkereien viel Geld verdient. Wir haben da nicht mitgemacht. Inzwischen kauft China nicht mehr. Der Milchpreis hat sich halbiert, viele Molkereien sind mit den Lebensmittelketten im Clinch. Wir nicht. Unsere Strategie ist aufgegangen.

Ihren Biobauern zahlen Sie jetzt rund 50 Cent je Liter. Die Bioverbände sagen: 10 Cent mehr sind überlebensnotwendig. Wann geben Sie nach?

Ich sehe da keine großen Sprünge, übrigens auch nicht für die Preise im Supermarkt. Für die Milchbauern gilt dasselbe wie für andere Branchen: Es kommt immer darauf an, wie du deinen Betrieb managst. Einige haben ihre Prozesse im Griff, für die reicht es auf jeden Fall; für andere vielleicht nicht. Aber du kannst nicht mit einem Milchpreis an den Start gehen, mit dem der Schlechteste auch noch Gewinn macht.

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World