Ein erfolgloser Putsch-Versuch offenbart die anti-westliche Stimmung in Teilen Afrikas
Die kongolesische Armee vereitelt einen dilettantischen Umsturz-Versuch und verkündet die Verhaftung dreier Amerikaner. Der Vorfall fügt sich in die anti-westliche Stimmung in Teilen Afrikas. WELT beantwortet die wichtigsten Fragen.
Aufnahme aus einem Social-Media-Video der Putschisten im Präsidentenpalast via REUTERS
Was ist passiert, und welche Rolle spielen die USA?
Im Kongo hat der zuletzt in den USA lebende Oppositionspolitiker Christian Malanga einen amateurhaften Putsch-Versuch mit dem Leben bezahlt. Mit nur einigen Dutzend Mitstreitern hatte er in der Nacht zum Sonntag versucht, den Regierungssitz von Präsident Felix Tshisekedi zu stürmen – live übertragen auf Facebook.
Doch der Palast war weitgehend leer. Die lediglich mit Maschinengewehren bewaffneten Männer riefen in den leeren Katakomben ihre Parolen („Felix, wir werden dich holen“), wurden aber nach etwa zwei Stunden von der kongolesischen Armee überwältigt. Auch ein Angriff auf das Haus von einem Vertrauten von Tshisekedi, war erfolglos, er blieb – wie auch der Präsident – unverletzt.
Zwei Polizisten und vier Angreifer wurden dagegen getötet. Das gleiche Schicksal ereilte danach Malanga. Er sei „neutralisiert“ worden, als er sich seiner Verhaftung widersetzt habe, teilte ein Armeesprecher im Staatsfernsehen mit. Insgesamt seien 50 Putschisten inhaftiert worden, darunter drei amerikanische Staatsbürger.
Es handelt sich unter anderem um Malangas Geschäftspartner Benjamin Zalman-Polun, 36, mit dem er offenbar in Mosambik im Bergbau und im Cannabis-Anbau aktiv war. Unter den Gefangenen ist auch Malangas Sohn Marcel, 21, der ebenfalls US-Staatsbürger ist. Die Identität des dritten Amerikaners ist bislang unklar.
In den sozialen Medien verbreitete sich schnell das Gerücht, die CIA habe ihre Finger im Spiel – trotz mangelnder Hinweise ein wenig überraschender Reflex, schließlich unterstützten die Amerikaner im Jahr 1961 kongolesische Separatisten und damit zumindest indirekt auch die Ermordung des ersten Premierministers Patrice Lumumba, der bis heute im Kongo als Nationalheld verehrt wird.
Eilig teilte die US-Botschafterin in Kinshasa, Lucy Tamlyn, auf X ihre „Besorgnis“ angesichts der Berichte einer Beteiligung amerikanische Staatsbürger mit: „Seien Sie versichert, dass wir bei der Untersuchung dieser Straftaten in vollem Umfang mit den Behörden der Demokratischen Republik Kongo zusammenarbeiten und jeden an Straftaten beteiligten US-Bürger zur Rechenschaft ziehen werden.“
Welche Rolle spielt der Konflikt mit dem benachbarten Ruanda?
Noch sind die Hintergründe des Putsch-Versuchs unklar. An Spekulationen beteiligt sich aber auch so mancher europäische Politiker. So etwa Jean-Luc Mélenchon, der bekannteste Linkspopulist in Frankreich Auf X schrieb er: „Volle Unterstützung für die Institutionen der Demokratischen Republik Kongo und Präsident Tshisekedi, die einen Putschversuch ausländischer Agenten, die mit Ruanda und seinen Verbündeten verbunden sind, besiegt haben.“
Die kongolesische Regierung wirft Ruanda vor, die M23-Miliz im Ostkongo in ihrem Kampf gegen die Armee des Landes zu unterstützen – eine Anschuldigung, die Kigali nicht dementiert. Öffentlich ist die Rede von der Verteidigung des eigenen Staatsgebietes gegen Hutu-Kämpfer, deren Anführer nach dem Genozid von 1994 in den Kongo geflohen seien.
Belegt ist jedoch auch, dass Ruanda seit Jahrzehnten an der illegalen Rohstoffförderung im Nachbarland mitverdient. Kongos eigentlich pro-westlich orientierter Präsident Tshisekdi wirft Europa und den USA vor, zu wenig Druck auf das geopolitisch verbündete Ruanda auszuüben.
Sind die Vorgänge im Kongo ein Symptom für die wachsende antiwestliche Stimmung in Subsahara-Afrika?
Malanga ist eine obskure Gestalt der kongolesischen Diaspora, er ließ sich schon im Jahr 2016 dabei filmen, wie er Umsturzpläne gegen den damaligen Präsidenten Kabila schmiedete. Überraschend ist der Fokus der Kongolesen auf die verhafteten Amerikaner allerdings nicht, zumal sich Malanga immer wieder mit US-Abgeordneten hatte ablichten lassen, denen gegenüber er sich als Türöffner für Subsahara-Afrika inszenierte.
Die Wut im Kongo wegen des westlichen Schweigens zu Ruanda wird zudem angestachelt von Desinformationskampagnen Russlands, das den rohstoffreichen Kongo zuletzt als eines seiner wichtigsten afrikanischen Ziele identifiziert hat.
Die Intensität der anti-französischen Stimmung, mit denen die Generäle in den einst von Paris kontrollierten Sahel-Staaten ihre Umstürze zu rechtfertigen versuchen, gibt es in der ehemaligen belgischen Kolonie Kongo natürlich nicht. Doch im März 2023 gab es Demonstrationen vor einem Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Und in den vergangenen Monaten gab es immer wieder Proteste vor westlichen Botschaften. Dabei wurden neben belgischen auch immer wieder amerikanische Flaggen verbrannt.
In welchen Ländern hat es zuletzt einen anti-westlichen Schub gegeben?
Der Rauswurf westlicher Truppen aus Mali, Niger und Burkina Faso ist hinreichend dokumentiert. Erst vor ein paar Tagen kündigten die USA an, ihre rund 1000 Soldaten aus dem Niger abzuziehen – wie von der dortigen Junta schon seit März gefordert. Damit wird die US-Drohnenbasis im Norden des Landes geschlossen, eine wichtige Institution im Kampf gegen die oft islamistisch orientierten bewaffneten Gruppen der Region.
Auch im Tschad wurde kürzlich der Rauswurf der 100 US-Soldaten bekannt gegeben, ein Wahlkampfzugeständnis von Präsident Mahamat Déby an sein Volk, das eigentlich ebenfalls den Bruch mit Frankreich und deren 1100 Soldaten im Land gefordert hatte.
Soweit wollte Déby angesichts großzügiger materieller und diplomatischer Unterstützung aus Paris aber nicht gehen. Denn dort wird man aus Angst vor Instabilität seine demokratischen Defizite auch zukünftig vornehm übersehen. Die USA erschienen als der leichter verschmerzbare Verlust.
Ungleich stabiler als diese Länder ist der Senegal, der von westlichen Investitionen und Sicherheitskooperationen profitiert hat. Doch selbst hier gibt es unter dem neuen Präsidenten Bassirou Diomaye Faye jetzt einen anti-westlichen Kurs. Das Land stellte in der vergangenen Woche die Zukunft der französischen Militärbasis mit 350 Soldaten infrage – und will künftig enger mit den pro-russischen Putsch-Staaten der Sahelzone kooperieren.