Sommerspaziergang: Auf den Spuren der ersten Kaffeehäuser Wiens

sommerspaziergang: auf den spuren der ersten kaffeehäuser wiens

Auch er macht den typischen Charakter eines Wiener Kaffeehauses aus: der Kellner, dem in Wien nicht selten ein gewisser Grant nachgesagt wird.

Kaffeehäuser können auf unterschiedliche Arten unsichtbar sein: Es gibt sie nicht mehr, weil sie geschlossen wurden und die Räumlichkeiten inzwischen andere Zwecke erfüllen. Oder: Es gibt sie nicht mehr, weil es das ursprüngliche Gebäude gar nicht mehr steht (obwohl manche Kaffeehäuser das durchaus überlebten). Manche Kaffeehäuser wiederum sperrten zu und sperrten wieder auf – im Look von früher, auch wenn es dieses "früher" gar nicht mehr gibt. Das Café Museum, eröffnet 1899 und ursprünglich von Adolf Loos eingerichtet, verwarf die zwischenzeitliche Einrichtung von Josef Zotti aus den frühen 1930ern und erstrahlt seit 2003 wieder durch Repliken in Loos-Optik, dafür sind Teile der Zotti-Einrichtung inzwischen im Hofmobilien­depot – eine Art Kreislauf zwischen Café und Museum.

Das "originale" Central

Das Café Central in der Herrengasse 14 wurde 1943 geschlossen, 1975 wiedereröffnet, 1986 renoviert. Sichtbar ist es, besuchen kann man es auch, aber ist es noch da? Eine Glaubensfrage. Verschwunden ist das Café Griensteidl, Hochblüte 1847 bis 1897, neu eröffnet in neuem Palais 1898, geschlossen 1909, 1990 wiedereröffnet und 2017 wieder geschlossen, aktuell befinden sich darin ein Supermarkt und ein Luxus-Taschengeschäft.

Gemeinsam mit Jakob Lehne vom Wien-Museum mache ich mich auf einen kurzen Sommerspaziergang mit dem Ziel des Findens von letzten Kaffeehausspuren. Wir beginnen auf der unteren Mariahilfer Straße 1B in der Filiale eines Schuhgeschäftes. Hier war einst das Café im Gebäude "Casa Piccola" (der Besitzer hieß Dominik Casapiccola), eröffnet 1830, gelobt wurde Blick über Wien bis hin zum Kahlenberg – dank der Freifläche des Glacis war hier damals viel mehr Gegend. Das Haus wurde 1895/1896 neu gebaut, es gab wieder ein Kaffeehaus, Pächter war später auch Carl Obertimpfler, Vater von Schauspielerin und Feuilletonistin Lina Loos. Im ersten Stock hatte Emilie Flöge ihren Modesalon, eine Tafel erinnert daran. Carl Witzmann renovierte im Auftrag von Lina Schöner das Café 1928, sie führte es bis 1962. Im Grunde steht man hier noch immer in einem wunderschönen Kaffeehaus, nur eben mit vielen Schuhen drin.

Fastfood statt Kaffeehaus

Wir gehen die Mariahilfer Straße weiter hinauf bis zur Nummer 22 auf der rechten Seite. Wo heute das Café der Filiale einer Fastfood-Kette drin ist, befand sich einst das Café Siller. Noch immer kann man am Stuck an der Decke den früheren Zweck erkennen, ganz ist es noch nicht unsichtbar, das Kaffeehaus. Die Fotografin erzählt mir, hier nebenan war auch die erste Diskothek ihrer Jugend (gefälschter Schülerausweis!), "Die Wendeltreppe", ein Gewölbe mit Holztischen und Bänken, es spielte die Rolling Stones, Pink Floyd und auch die Kinks, Sperrstunde war um 23 Uhr. Wien hat eben immer mehr als nur eine Geschichte zu erzählen.

Wir wandern zurück zum Volksgarten zum Pavillon von Oswald Haerdtl, der auch für die Innenausstattung des Café Prückel sowie das Wien-Museum am Karlsplatz verantwortlich zeichnet. Gestaltet 1954 als "Milchpavillon", erstrahlt der Pavillon noch heute in seinem Mid-Century-Glanz. Doch hier war auch vorher schon eine Restauration, erbaut von Peter von Nobile, fertiggestellt 1823, von ihm stammt auch der Theseus-Tempel. Hinter dem Haerdtl-Schick lässt es sich noch gut erkennen, das Mauerwerk von damals. Wo Generationen im Club feiern, spielte einst Johann Strauss – ein Sprung durch die Jahrhunderte.

Durch die Hofburg vorbei geht’s auf den Graben – hier gab es um die Jahrhundertwende hochmoderne Café-Kioske, einer wurde vom Café Korb bespielt, auch historische Versionen des heutigen "Heizschwammerls" hat es damals schon gegeben, erzählt mir Jakob Lehne.

Gleich nebenan residiert noch immer das Café de l’Europe, auch wenn die Originaleinrichtung im oberen Stockwerk längst austauschbarem Motel-One-Charme gewichen ist. Das ursprüngliche Café de l’Europe wiederum war eigentlich am Stephansplatz 8A, Jasomirgottstraße 2 und existiert in seiner ursprünglichen Form schon lange nicht mehr.

Art déco und Marmor

Ebenso verschwunden ist das legendäre "Grabencafé", errichtet 1912, von Josef Hoffmann eingerichtet 1927, nicht mehr existent seit 1954. Gern gesehen hätte man es, auch den Wintergarten, den Marmor und die Art-déco-Stoffe, nur die Militärkapelle, na ja, muss nicht. Das letzte Kaffeehaus, das wir suchen, hat ebenfalls keine Spuren hinterlassen:_Das "Café Capua" in der Johannesgasse 3. Von Loos entworfen für Eugenie Schwarzwald, hell durch eine riesige Oberlichte, viel Marmor: Nein, hier ist kein Kaffeehausglanz mehr. Spuren vom Loos-Design finden sich noch auf der Fassade und ganz anderswo: Auf dem Online-Marktplatz Willhaben gibt’s restaurierte Thonetsessel, Kleiderhaken und ein Programmheft vom "Café Capua", Kaffeehausgeschichte über Umwege.

Gänzlich verschwunden ist auch das prächtige Ringstraßen-Literatencafé "Heinrichshof", weil es den dazugehörigen namensgleichen Prunkbau, das Nobelzinshaus "Heinrichshof" nicht mehr gibt: Gegenüber der Oper wenige Jahre später von Architekt Theophil von Hansen errichtet, wurde das bei einem Bombenangriff teilweise zerstörte Gebäude abgerissen und durch den heutigen Bau ersetzt.

Wer historische Kaffeehäuser sucht, geht unweigerlich in der Wien-Wiki verloren und bekommt einen neuen Blick auf Gebäude. Was aussieht wie ein Kaffee- oder Wirtshaus (Eck-Eingang, hohe Bögen), war eben oft eines. Wir verabschieden uns vor einer ehemaligen Drogeriefiliale – die auch verdächtige Kaffeehaus-Vibes hat. Später schaue ich online nach: Nein, hier war keines, aber schräg gegenüber, Ecke Walfischgasse/Akademiestraße gab es in den 1880er-Jahren das "Café Parsifal", Kaffeehauspotenzial überall.

Zwei Blocks entfernt am Ring wieder stand das Ringstraßen-Kaffeehaus Café Kremser, hier war die Autorin Vicki Baum oft zu Gast, sie schrieb damals noch die Texte, unter die ihr erster Mann seinen Namen setzte. Heute befinden sich hier am Kärntner Ring Nr. 8 ein Hotel, einmal hieß es "The Ring", jetzt "The Amauris Vienna". Als Baum 20 Jahre später weltbekannt und erfolgreich anlässlich der Premiere von Menschen im Hotel 1932 nach Wien zurückkam, erkannte sie "mit leichtem Erschrecken": "Da saß, an denselben Tischen wie damals, dieselbe alte Gesellschaft", nur halt "ein bisschen älter, ein bisschen verblasst". Wer Wien verlässt, kann auch heute noch Jahre später am selben Tisch mit denselben Menschen in etwa dasselbe Gespräch weiterführen. Vicki Baum sah diese Unveränderlichkeit als Warnung: "Wenn du nicht zur rechten Zeit davongelaufen wärst, hätten die Motten auch dich nicht verschont", so Baum in ihren Erinnerungen. "Es war alles ganz anders."

Sentimentalitäten

Insofern schadet ein bisschen innere Distanz zur Sentimentalität in gastronomischen Belangen nicht, des Mottenschutzes wegen. Und: Hinter manchen Alt-Wien-Euphemismen wie "musste 1938 schließen" steht oft die Arisierung während der NS-Zeit. Wenn man Kaffeehäuser von einst sucht, fragt man sich auch: Was von unseren heutigen Lieblingslokalen wird bleiben? Was kommt einmal ins Museum, was in die Mottenkiste? Und dann geht man mit Vergnügen für ein paar Stunden und Jahrhunderte verloren, in der Wien-Wiki und der Stadt selbst. (Julia Pühringer, 1.7. 2024)

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