Kampf gegen Banden: Kenianische Spezialkräfte landen in Haiti
Karibik
Kampf gegen Banden: Kenianische Spezialkräfte landen in Haiti
Etwa 2500 Polizeikräfte sollen dem Staat auf die Beine helfen.
Die Vorhut der kenianische Polizeimission kommt in dem Katastrophenstaat Haiti an – ihre Mission ist der Kampf gegen die Banden.
Fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit sind in Haiti die ersten Einheiten der kenianischen Polizeimission eingetroffen, mit der die karibische Krisenrepublik ein Mindestmaß an Sicherheit und staatliche Ordnung zurückerhalten soll. Rund 200 auf Terrorbekämpfung spezialisierte Polizeikräfte und ihr Hilfspersonal landeten Anfang der Woche in Port-au-Prince, wo sie zumindest von der Regierung des neuen Premierminister Garry Conille sehnsüchtig erwartet wurden.
Die afrikanischen Einheiten hätten eine hehre Aufgabe, sagte Conille. Sie würden helfen, „das Leid des haitianischen Volkes zu lindern.“ Die Menschen sollten schon bald wieder ihrem normalen Leben nachgehen können und nicht mehr von den Gangs im Land terrorisiert werden. Direkt an die Banden und vor allem ihren Anführer Jimmy „Barbecue“ Chérizier gerichtet, sagte der Premier: „Legt eure Waffen nieder, erkennt die Autorität des Staates an“.
Seit der Ermordung von Präsident Jovenel Moïse im Juli 2021 ist das chronisch instabile Haiti, das sich mit der Dominikanischen Republik die Insel Hispaniola teilt, auf dem Weg zu einem unregierbaren und fragmentierten Staat. Etwa 200 kriminelle Banden dominieren das Land, terrorisieren die Bevölkerung, entführen und vertreiben die Menschen. Anfang des Jahres sperrten die Gangs den verhassten Premier Ariel Henry auf einer Auslandsreise nach Kenia aus und ließen ihn nicht mehr ins Land. Die Banden übernahmen die vollständige Kontrolle über die Hauptstadt Port-au-Prince und vor allem auch über den Flughafen. Sie erreichten seinen Rücktritt. Und nun ist seit kurzem eine neue Regierung unter Führung von Premier Conille im Amt. Sie soll die minimale staatliche Autorität wiederherstellen und Wahlen bis 2027 organisieren. Seit Jahren ist Haiti ohne gewählte Regierung, das Mandat des Parlaments ist abgelaufen. Die Banden haben ihre eigene terrorbasierte Ordnung etabliert. Dagegen sollen die kenianischen Polizeikräfte nun kämpfen.
Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden durch die Gewalt bewaffneter Banden in diesem Jahr bereits mehr als 2500 Haitianerinnen und Haitianer getötet oder verletzt. In den vergangenen drei Jahren hat die Gewalt annähernd 580 000 Menschen zu Binnenvertriebenen gemacht.
Derzeit leidet der Inselstaat unter der schlimmsten Hungerkrise seit dem verheerenden Erdbeben von 2010. Fast die Hälfte der zwölf Millionen Menschen kann sich nicht ausreichend ernähren, warnt das Welternährungsprogramm WFP. Teil des Versuchs, die staatliche Ordnung zurückzuerobern, ist eine etwa 1000 Mann starke Polizeimission aus Kenia. Die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Oktober für ein Jahr genehmigte multinationale Sicherheitsunterstützungsmission (MSS) soll bei voller Stärke etwa 2500 Polizeikräfte und zivile Mitarbeiter:innen umfassen und jährlich etwa 600 Millionen Dollar kosten. Die Stationierung der Mission hatte sich allerdings um mehr als neun Monate verzögert.
Haiti hat in seiner jüngeren Geschichte bereits mehrere ausländische Interventionen und Missionen zur Stabilisierung erlebt. Dies ist jedoch das erste Mal, dass eine solche Truppe von einer afrikanischen Nation angeführt wird. Die Ankunft der kenianischen Einheit ist zweifellos ein Schritt nach vorn, um Haiti den Weg aus seiner lähmenden Sicherheitskrise zu finden. Aber ob sie die Macht der Banden wirklich brechen können, ist fraglich. Zumal die Einheiten mit den Gegebenheiten vor Ort nicht vertraut sind, sie sprechen Englisch und nicht Französisch und noch weniger Kreol.
Darüber hinaus kann die internationale Polizeimission, die mit Helikoptern und Drohnen ausgestattet ist, nur der Anfang eines völligen Neuaufbaus staatlicher Strukturen sein. Noch wichtiger als der Sicherheitsaspekt sind in Ansätzen funktionierende staatliche Institutionen wie Justiz und eine vom Volk gewählte Regierung. Zudem müssen die sozialen Probleme gelöst werden. Allen voran die Armut, die fehlenden Bildungschancen, die Korruption und Straflosigkeit. Das allein kann eine Polizeimission nicht leisten, sondern es bedarf einer anhaltenden Unterstützung und der Bereitschaft der haitianischen Bevölkerung und Politik, diese Unterstützung auch zu akzeptieren.