Treffen in Polen: Tusk versucht, aus Scholz ein Warschauer U-Boot zu machen
Olaf Scholz und Donald Tusk bei einer Pressekonferenz am Dienstag.
Bei der Pressekonferenz am Dienstag nach den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in Warschau war klar, wer hier das große Interesse an einer Zusammenarbeit hat: Polens Ministerpräsident Donald Tusk. Man muss dazu wissen, dass Tusk in Polen von der nationalkonservativen Opposition gerne als deutscher Agent bezeichnet wird, als verlängerter Arm Berlins. Vor allem Jaroslaw Kaczynski wird nicht müde, zu betonen, bei Donald Tusk handele es sich um ein heimliches U-Boot der BRD.
Doch nach den heutigen Ergebnissen zu urteilen, muss man die Beschreibungen über Tusk nun umdefinieren. Das Gegenteil ist der Fall. Tusk versucht, aus Scholz ein Warschauer U-Boot zu machen. Die polnischen Partner drängen sich den deutschen Freunden geradezu auf, nach acht Jahren PiS-Regierung will man den Turbo-Gang einlegen und endlich wieder in koordinierter Form zusammenarbeiten. Für die Polen gibt es zwei Themen, bei denen sie auf die Deutschen unbedingt angewiesen sind: Sicherheit und Migration.
Tusk und Scholz haben ein Aktionsplan verfasst.
Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass der Druck aus Warschau langsam Früchte trägt. Während der Pressekonferenz hat Polens Ministerpräsident betont, dass sich Deutschland bereit erklärt, die Sicherung der Grenzen an der Ostflanke als gemeinsame europäische Aufgabe zu betrachten. Mittlerweile steht an der Ostgrenze Polens ein Zaun. Und trotzdem versuchen Migranten über Russland und Belarus, die EU mit allen Mitteln zu erreichen. Seitdem Deutschland Grenzkontrollen eingeführt hat, bleiben viele Asylsuchende in Polen hängen. Deutschland will nun das Engagement beim Grenzschutz verstärken. Das deutet ein 40-seitiger Aktionsplan an, ein Ergebnis der Konsultationen.
Die Wehrfähigkeit der Europäischen Union liegt wohl keinem Land so am Herzen wie Polen. In Warschau ist man überzeugt, dass Russland in ein paar Jahren fähig sein könnte, Nato-Staaten anzugreifen. Polen investiert vier Prozent seines Bruttoinlandsproduktes ins Militär, Deutschland aktuell nur zwei Prozent. Warschau möchte nun, dass auch Deutschland sein Engagement erhört.
Aus SPD-Kreisen hat die Berliner Zeitung erfahren, dass die Polen sich seit Tusks Machtübernahme dafür engagieren, in pan-europäische militärische Projekte zu investieren, die auf EU-Ebene koordiniert werden, um die Sicherheitsarchitektur Europas nicht nur allein der Nato zu überlassen. Wie man hört, nimmt Polen hier eine Vorreiterrolle ein und pusht die deutschen Partner, um den Sicherheitsfokus auf europäischer Ebene zu erweitern. Die Angst wiegt schwer, dass Trump Präsident werden und die Nato somit weniger bedeutsam werden könnte. Auch die Wahlausgänge in Frankreich machen den Polen Sorgen. Gerade was die Unterstützung der Ukraine betrifft, scheint sich ein Graben aufzutun zwischen West- und Osteuropa. Bei der Pressekonferenz haben Scholz und Tusk versprochen, ihre Gespräche und Bemühungen in den militärischen Themenbereichen zu intensivieren.
Scholz und Tusk
Was die Sicherheitsfrage betrifft, gibt es innenpolitisch in Polen überhaupt keinen Dissens. Es gibt keine Diskussion, ob der Wehretat zu hoch ist – anders als in Deutschland. Die Menschen haben viel größere Angst vor Russland, als das westlich der Oder-Neiße-Grenze der Fall ist. Olaf Scholz sieht sich mit anderen Verhältnissen konfrontiert und muss abwiegen zwischen deutschen Sicherheitsinteressen und einer zunehmend skeptischer werdenden Bevölkerung, die hohe Ausgaben in militärische Infrastruktur kritisch sieht. Auch hier wollen die Polen den Kanzler stärker unter Druck setzen.
Scholz signalisiert in allen Punkten Gesprächsbereitschaft. Neben den Punkten Sicherheit und Migration hat er die frohe Botschaft mit nach Warschau gebracht, dass sich Deutschland bereit erklärt, Entschädigungen an Opfer des Zweiten Weltkriegs zu zahlen. Wie hoch die Summen ausfallen und wann sie ausgezahlt werden könnten, ist bislang noch unklar. Es soll nicht um Reparationen gehen. Denn diese sind, wie die Bundesregierung immer wieder betont, abgegolten, sondern eher um freiwillige Zahlungen, um guten Willen zu zeigen und die deutsch-polnischen Beziehungen zu verbessern. Ebenso wurde beschlossen, dass bald der Bundestag eine Entscheidung treffen soll mit Blick auf den Bau eines Polendenkmals in Berlin beziehungsweise den Bau eines Deutsch-Polnisches Hauses. Tusk hat diese Ankündigung mit Dankbarkeit quittiert.
Wie man sieht: Für Deutschland ist ein selbstbewusstes Polen nicht unbedingt nur eine Erleichterung. Scholz wird nun umso konkreter hören, was die Osteuropäer an seiner Politik auszusetzen haben. Mit Warschau muss er nun rechnen. Unter der Regentschaft von Mateusz Morawiecki von der PiS-Regierung und ihrer deutschfeindlichen Politik war es leichter, kritische Töne aus Polen einfach zu überhören. Das geht jetzt nicht mehr.
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