Polen: Bürgerwehr patrouilliert an der Grenze zu Belarus auf der Suche nach Migranten
Die nationalistische Organisation Narodowa Hajnowka kündigte die Gründung einer Bürgerwehrinitiative gegen Migranten an.
An der Grenze zwischen Polen und Belarus werden immer mehr illegale Grenzübertritte registriert. Nun nimmt eine Gruppe von Einwohnern der grenznahen polnischen Stadt Hajnowka die Sache selbst in die Hand: Wie polnische Medien berichten, nennen sie sich „Schutzinitiative der Grenzlandbewohner“ und haben sich zum Ziel gesetzt, die Einreise von Migranten sowie die Arbeit von Menschenrechtsaktivisten zu behindern. Sie behaupten, dass sie Patrouillen durchgeführt und angehende Asylbewerber „festgenommen“ haben.
Wie die Warschauer Tageszeitung Gazeta Wyborcza berichtet, kündigte die nationalistische Organisation Narodowa Hajnówka die Gründung der Bürgerwehrinitiative Anfang Juli auf ihrer Facebook-Seite an. „Nach mehreren Gesprächen mit Bewohnern von Grenzstädten und Hinweisen darauf, dass die Menschen um ihre Sicherheit und die Sicherheit ihrer Kinder fürchten, haben wir uns entschlossen, aktiv zu werden“, schreiben sie. Zeitgleich startete die Gruppe eine Spendenaktion, um Geld für „angemessene Kleidung, elektronische Geräte, die unsere Sicherheit gewährleisten, aber auch für Kommunikations- und Beobachtungsgeräte für große Entfernungen“ im Bialowieza-Urwald zu sammeln.
Auf ihrer Facebook-Seite verweisen die Bürgerwehrler auf ihre ersten „Waldspaziergänge“ auf der Suche nach Migranten und Freiwilligen, von denen sie „die Nase voll haben“, weshalb sie weitermachen werden. „Nachts waren illegale Einwanderer in Hajnowka unterwegs. Wir möchten hinzufügen, dass es sich nicht um Frauen und Kinder handelte. Die Neuankömmlinge wurden festgenommen“, behaupten sie – eine Aussage, die jedoch nicht verifiziert werden kann.
Gleichzeitig berichten Freiwillige, die in dem Gebiet aktiv sind, der polnischen Tageszeitung, dass es in den letzten Tagen Versuche gab, Mitarbeiter von NGOs einzuschüchtern: Dazu gehören verbale Angriffe und das Durchstechen von Autoreifen. Eine Anfrage der Gazeta Wyborcza an das polnische Innenministerium bezüglich der Bürgerwehr und der Reaktion der Behörden blieb bisher unbeantwortet.
Gegenüber dem Nachrichtenportal Wirtualna Polska bezeichnet der ehemalige Kommandeur der Spezialeinheit der polnischen Streitkräfte GROM Roman Polko, die Entwicklung als „ein sehr besorgniserregendes Signal“. Die Gründung einer Bürgerwehr dieser Art könne zeigen, so Polko, dass „die Behörden nicht in der Lage sind, die Migrationswelle zu stoppen“. Er warnte jedoch, dass „Amateure und Fanboys nicht die Aufgaben der staatlichen Dienste übernehmen können“, da „jemand verletzt werden könnte“.
Nach Angaben der polnischen Behörden wurden seit Jahresbeginn bereits mehr als 17.000 versuchte Grenzübertritte registriert. Anfang Juni ist ein polnischer Soldat nach einem Messerangriff durch einen Migranten an der Grenze zu Belarus gestorben. Der Vorfall löste innerhalb der polnischen Gesellschaft großes Bestürzen aus.
Die liberal-konservative Regierung in Warschau hatte im vergangenen Jahr angekündigt, weitere 2,3 Milliarden Euro in die Verstärkung der Grenze zu Belarus investieren zu wollen. Westliche Staaten werfen der belarussischen Führung seit langem vor, durch die Schleusung von Migranten über die polnische Grenze die EU destabilisieren zu wollen. Die Vorwürfe werden vom belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko zurückgewiesen.
Die Bundespolizei registrierte im Januar gerade einmal 26 und im Februar 25 Menschen, die über diese Route unerlaubt eingereist waren. Im März waren es dann 412, im April 861. Im Mai vermerkt die vorläufige Statistik 891 unerlaubte Einreisen über die Belarus-Route, wie die Bundespolizei der Deutschen Presse-Agentur Mitte Juni mitteilte. Davon fielen 1021 in Brandenburg auf, 867 waren es in Sachsen und 327 in Mecklenburg-Vorpommern. (mit AFP, dpa)