Fontanes „Effi Briest“ in einfacher Sprache ist ein Desaster
Von Effi Briest, hier verkörpert 1974 fürs Kino durch Hanna Schygulla, lässt die KI nichts übrig außer den Namen der Figuren..
Man muss es sich nicht einfach machen, wenn es um einfache Sprache geht. Das zeigt ein Programm des Frankfurter Literaturhauses, in dessen Rahmen Autoren wie Nora Bossong, Mirko Bonné, Arno Geiger, Judith Hermann, Olga Grjasnowa, Miku Sophie Kühmel, Kristof Magnusson, Annette Pehnt, Tonio Schachinger, Sasha Marianna Salzmann oder Julia Schoch (um kaum die Hälfte der bislang daran Beteiligten zu nennen) eigene Texte verfasst haben, die Menschen mit eingeschränkter Sprachkompetenz Zugang zum Erlebnis literarischen Erzählens verschaffen sollen.
Es sind jeweils Geschichten, die ein Zugeständnis an die sprachliche Gestaltung zur Grundlage ihres Entstehens haben und somit weiterhin bieten, was Literatur ausmacht: kombiniertes Form- und Inhaltsbewusstsein. Was natürlich auch elitäre statt egalitäre Ziele haben kann. Wie etwa im Fall des Romans „Effi Briest“, den Theodor Fontane Ende des neunzehnten Jahrhunderts für das gebildete Publikum der Zeitschrift „Deutsche Rundschau“ schrieb und so beginnen ließ: „In Front des schon seit Kurfürst Georg Wilhelm von der Familie von Briest bewohnten Herrenhauses zu Hohen-Cremmen fiel heller Sonnenschein auf die mittagsstille Dorfstraße, während nach der Park- und Gartenseite hin ein rechtwinklig angebauter Seitenflügel einen breiten Schatten erst auf einen weiß und grün quadrierten Fliesengang und dann über diesen hinaus auf ein großes, in seiner Mitte mit einer Sonnenuhr und an seinem Rande mit Canna indica und Rhabarberstauden besetztes Rondell warf.“
Sieben Sätze statt einem, kein Rhythmus, keine Fremdworte
Er schrieb nicht: „Die Sonne schien auf das alte Haus der Familie von Briest in Hohen-Cremmen. Es war Mittag. Auf der Dorfstraße war es ganz still. Ein Teil des Hauses warf einen Schatten. Der Schatten fiel auf einen Weg mit weißen und grünen Fliesen und auf einen runden Platz. In der Mitte des Platzes stand eine Sonnenuhr. Am Rand wuchsen Rhabarber und andere Pflanzen.“ Sieben Sätze statt einem, kein Rhythmus, keine Fremdworte – kurz: kein Fontane. Und doch angeblich „Effi Briest“, wenn man dem Verlag Aibo (nach einem japanischen Roboterhund) glauben soll, der den Roman nun in einfacher Sprache, „angelehnt an leichte Sprache“, herausgebracht hat. Er hat es sich in der Tat leicht gemacht, denn er ließ den Originaltext durch eine KI in einfache Sprache umsetzen, ehe das Ganze gemäß den strikteren Regeln für leichte Sprache weiter sprachlich reduziert wurde.
Herausgekommen ist Inhalt ohne Form, eine Erzählung, bei der vom neunzehnten Jahrhundert generell so wenig übrig bleibt wie von Fontane speziell. Und von „Effi Briest“ gar nichts außer den Namen der Akteure. Wer es prüfen will, mache es sich noch einfacher und schaue nicht auf den ersten, sondern auf den letzten Satz: „Rollo, der bei diesen Worten aufwachte, schüttelte den Kopf langsam hin und her, und Briest sagte ruhig: ‚Ach, Luise, laß . . . das ist ein zu weites Feld.‘“ Auf einfach heißt es da: „Rollo wachte auf und schüttelte den Kopf. Briest sagte: ‚Ach, Luise. Das ist ein weites Feld.‘“ KI und Lektoren waren unfähig, das Adverb zu bemerken, und haben die Pointe des Romans verpfuscht. Ihr Verständnis von einfacher Sprache ist das eines Werkzeugs, um ihr Publikum so dumm zu machen wie sie selbst.