US Supreme Court: Texas’ Gesetz gegen Zensur ist Zensur

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Texas will Sozialen Netzen verbieten, Postings zu löschen oder nicht zu belohnen. Auch Florida hat Verbote erlassen. Das oberste Gericht der USA ist sauer.​

"Grundlegendes Missverstehen" des Rechts auf Freie Rede kreidet der US Supreme Court (SCOTUS) dem untergeordneten Bundesberufungsgericht für den fünften Gerichtsbezirk (Fifth Circuit) an. Denn dieses hat ein Online-Zensurgesetz des Staates Texas für zulässig erklärt, in deutlichem Widerspruch zu "Prinzipien und Judikatur" betreffend den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung, der die Freie Rede vor staatlichen Eingriffen schützt. Doch auch mit dem Bundesberufungsgericht für den elften Gerichtsbezirk, das ein Online-Zensurgesetz Floridas für unzulässig erklärt hat, ist der SCOTUS unzufrieden.

Denn beide Gerichte haben sich nicht ausreichend mit den Auswirkungen der angefochtenen Gesetze befasst. Das Höchstgericht schickt die Fälle zurück, mit ausführlichen Erklärungen der Rechtslage und Hinweisen auf die zu erhebenden Fakten. Bis auf Weiteres dürfen die angefochtenen Gesetze nicht angewandt werden.

Mit den 2022 verabschiedeten Gesetzen wollen Florida und Texas tief in die Entscheidungsfreiheit großer Online-Plattformen eingreifen, welche Inhalte sie hosten oder welche Inhalte sie finanziell belohnen. Das hätte weitreichende Auswirkungen auf das World Wide Web, über die Grenzen der beiden US-Staaten hinaus. Zudem sollen die Online-Plattformen jede einzelne Entscheidung individuell begründen müssen. Die Branchenverbände Netchoice und CCIA (Computer and Communications Industry Association) bekämpfen die Gesetze mit dem Argument, sie verletzten das Rechte auf Freie Rede. dieses umfasst auch das Recht, nicht dazu gezwungen zu werden, etwas zu sagen, das man nicht sagen möchte.

Hohe Hürde

Allerdings bekämpfen die Kläger die Gesetze nicht anhand bestimmter Entscheidungen oder Strafen, sondern direkt, noch bevor sie auf konkrete Anwendungsfälle verweisen könnten. Das ist zulässig, aber schwieriger zu gewinnen. Denn die Kläger müssen dann zeigen, dass eine substanzielle Zahl der Anwendungen des Gesetzes verfassungswidrig ist, relativ zu klar zulässigen Anwendungen. "Dem hat in diesen Fällen bislang niemand viel Aufmerksamkeit geschenkt", ärgert sich das Höchstgericht.

Deswegen ist die Aktenlage zu dünn für Entscheidungen des Höchstgerichts. Selbst in einer Marathonsitzung zu den Zensur-Gesetzen im Februar konnte er die Lücke nicht schließen. Tatsächlich ist es in Normenkontrollverfahren nicht Aufgabe des SCOTUS, den Sachverhalt zu erheben. Dazu sind untergeordnete Gerichte berufen. Der Supreme Court entscheidet, wenn er möchte, auf Basis der dort festgestellten Fakten lediglich bestimmte Rechtsfragen.

Der Inhalt der Gesetze

Die beiden Gesetze sind recht unterschiedlich und sind jeweils eine Sammeltüte an Vorschriften. Floridas Gesetz (bekannt als SB 7072) reguliert alle in Florida verfügbaren "information services, systems, Internet search engines, or access software providers", die weltweit mehr als 100 Millionen US-Dollar jährlich umsetzen oder mindestens 100 Millionen monatliche Nutzer haben. Das betrifft also neben klassischen Sozialen Netze und Suchmaschinen auch Unternehmen wie Uber, Etsy und Amazon Web Services (AWS).

Ihnen wird untersagt, politische Amtsträger, politische Kandidaten sowie Medienunternehmen länger als 14 Tage auszuschließen, selbst wenn diese gegen Nutzungsbedingungen verstoßen haben. Das ist eine Reaktion der in Florida regierenden Republikaner auf den Ausschluss Donald Trumps durch Twitter, Spotify, Meta Platforms und andere Dienste nach Trumps Umsturzversuch Anfang 2021.

Kein Schutz für Disney in Florida

Der Schutz vor Ausschluss von Online-Plattformen für Medien gilt allerdings nicht für Journalisten, sondern nur für große Medienunternehmen – und auch dort nicht für Unternehmen, die Themenparks betreiben. Das ist ein bewusster Tritt gegen Disney, das gewagt hat, Floridas Gouverneur zu kritisieren, weil er die Erwähnung von Homosexualität im Schulunterricht hat verbieten lassen.

Hinzu kommen Einschränkungen, wie die erfassten Online-Anbieter alle User zu behandeln haben. Nutzungsbedingungen müssen einheitlich angewandt werden, Änderungen wären höchstens einmal alle 30 Tage erlaubt. Eingriffe wie das Sperren von Postings, das Beistellen von Hinweisen, die reduzierte Verbreitung von Postings, oder die Sperre von Kommentaren sind nur noch nach expliziten Hinweisen in Einzelfall an den jeweiligen Nutzer zulässig. Zudem erhalten User Anspruch auf Befreiung von jeglichen Algorithmen, Überprüfung von Sperrentscheidungen sowie Einblick in die Zugriffszahlen für jedes einzelne eigene oder fremde Posting.

Ist ein Posting von einem großen Medienunternehmen (außer Themenparkbetreiber), politischen Amtsträger oder Kandidaten, oder behandelt ein Beitrag einen Amtsträger oder Kandidaten, sind reduzierte Verbreitung (shadow banning) sowie unbezahlte Hervorhebung (prioritization) überhaupt unzulässig. Verstoßen Online-Anbieter gegen das Gesetz, drohen ihnen hohe Strafen, Schadenersatzansprüche sowie der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen.

Der Inhalt des Zensurgesetzes in Texas

Texas' Gesetz (bekannt als HB 20) versucht zwar, sich im Kern auf klassische Soziale Netze zu konzentrieren, geht mit seinen inhaltlichen Bestimmungen aber deutlich weiter. Als Zensur wird bereits jede Benachteiligung jeder Äußerung eines Nutzers definiert: "'Censor' means to block, ban, remove, deplatform, demonetize, de-boost, restrict, deny equal access or visibility to, or otherwise discriminate against expression."

All das wird untersagt auf Basis des Inhalts oder auf Basis des Aufenthalts in Texas oder einem Teil des Staates. Auch User, die sich außerhalb der Plattform in verpönter Weise äußern, dürfen auf der Plattform nicht benachteiligt werden. Soziale Netzwerke müssten also auch Personen hosten, die beispielsweise öffentlich zum Umsturz des demokratischen Systems aufrufen oder Rassendiskriminierung gutheißen. Vertragliche Verzichtserklärung auf solchen "Schutz" sind unwirksam.

Ausnahmen gibt es wenige; beispielsweise darf ein Betreiber nicht zum Schutz von Kindern unternehmen, wenn er nicht von einschlägigen Einrichtungen dazu aufgefordert wurde. Selbst die Androhung von Gewalt darf er nur in bestimmten Fällen sperren.

Ähnlich wie in Florida drohen Strafen und Klagen von Nutzern. Im Unterschied zu Florida würde das texanische Gesetz allerdings über die Staatsgrenzen hinaus wirken; denn klageberechtigt sind nicht nur Einwohner und Besucher des konservativen Staates, sondern auch Unternehmen aus anderen Staaten, die in Texas geschäftlich tätig sind. Diese Voraussetzung ist leicht geschafft. Betreiber Sozialer Netzwerke fürchten zudem, dass sie sich nicht mehr aus Texas zurückziehen können, denn schon das würde womöglich als illegale Zensur geahndet.

Die Anweisungen des Supreme Court

Die Höchstrichter erachten es für notwendig, genauere Ausführungen zu machen, an die sich die untergeordneten Gerichte gefälligst zu halten haben. "Der erste Schritt einer ordentlichen Analyse (einer Anfechtung der Gesetze an sich) ist, die Reichweite der Gesetze zu bestimmen", erklärt der SCOTUS die Hausaufgabe, "Welche Tätigkeiten welcher Akteure verbieten oder regeln die Gesetze?"

Bei Sozialen Netzen gehe es nicht nur um die im Verfahren erörterte Zensur öffentlicher Postings, sondern auch um etwaige Auswirkungen auf Livestreams sowie nicht öffentliche Mitteilungen zwischen Nutzern. Über Soziale Netze hinaus muss erhoben werden, wie sich die Gesetz auf (Spam)Filter bei E-Mail, Rezensionen in Online-Shops, Online-Geldüberweisungen zwischen Freunden oder Fahrtenvermittlungsplattformen wie Uber und Lyft auswirken würden. Das seien nur Beispiele, unterstreicht der SCOTUS, zumal es laufend neue Online-Anwendungen gibt, die erfasst sein könnten.

Erst danach sei zu prüfen, welche dieser Auswirkungen die Redefreiheit verletzen. Die Gesetze enthalten auch Bestimmungen, wonach Online-Betreiber jedes Mal eine individuelle Begründung liefern müssen, wenn sie einen Beitrag sperren, eine Anmerkung hinzufügen, keine finanzielle Belohnung ausschütten oder einen Beitrag nicht hervorheben. So eine Pflicht könnte verfassungswidrig weil zu aufwändig sein, was ebenfalls von den untergeordneten Gerichten zu erheben sei.

Lektion für den Fifth Circuit

Ausdrücklich dem Bundesberufungsgericht für den Fünften Bundesgerichtsbezirk (Fifth Circuit) erteilen die Höchstrichter eine ausführliche Lehrstunde zur Redefreiheit. Sie verweisen auf mehrere frühere Entscheidungen, wonach private Betreiber öffentlicher Foren das Recht haben, zu entscheiden, was dort wiedergegeben wird und was nicht. Zeitungen können demnach nicht gezwungen werden, die Meinung eines bestimmten Politikers zu präsentieren, Kabelnetzbetreiber können nicht zur Übertragung bestimmter TV-Sender verpflichtet werden, und Organisatoren von Paraden sind nicht dazu verpflichtet, homosexuelle Teilnehmer zuzulassen.

Entsprechend dürfen auch Betreiber von Online-Diensten entscheiden, was sie wie anzeigen und was nicht, selbst wenn die Beiträge selbst von Dritten stammen. Denn diese Auswahlentscheidungen seien für sich genommen Ausdruck einer Meinung, selbst wenn nur ganz wenige Beiträge gesperrt würden. Der Betreiber bringe dann eben zum Ausdruck, welche Inhalte er ablehne. Das Argument Texas’, die in öffentlichen Foren verbreiteten Meinung besser ausbalancieren zu wollen, sei vielleicht über Wettbewerbsrecht zu erreichen, doch dürfe der Staat Private nicht dazu zwingen, bestimmte Äußerungen häufiger oder seltener zu verbreiten: "Texas is not likely to succeed in enforcing its law against the platforms’ (...) content-moderation (...)".

Der Fifth Circuit war einst für bahnbrechende Entscheidungen für Bürgerrechte bekannt, doch inzwischen eilt ihm der Ruf voraus, besonders republikanisch ideologisiert zu sein. Der Supreme Court, selbst republikanisch dominiert, hat in jüngerer Zeit ungewöhnlich viele Entscheidungen aus dem Fifth Circuit umgedreht, am Montag kam eine weitere hinzu.

Die Verfahren vor dem US Supreme Court heißen Moody v Netchoice (Az. 22-277 bezüglich Florida) respektive Netchoice v Paxton (Az. 22-555 bezüglich Texas). Alle neun Höchstrichter unterstützen die Zurückverweisung an die unteren Instanzen. Drei der Richter führen allerdings teilweise abweichende Begründungen aus.

  • samt teilweise abweichenden Begründungen einzelner Richter

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