Die Schätze der Elbe: Welche Kuriositäten ein Dresdner Magnetfischer aus dem Wasser holt
Mit einem Magneten, der mehr als 1.000 Kilogramm ziehen kann, fischt der Dresdner Influencer "Marcneto" Metall aus der Elbe. Unter den Fundstücken sind nicht nur Schätze, sondern manchmal auch Gruseliges oder Trauriges.
Er nennt sich auf Instagram "Marcneto" und fischt mit einem Magneten nach Metall im Wasser. Jetzt war Sächsische.de mit Marc an der Elbe in Dresden unterwegs. © Sven Ellger
Dresden. Das Wasser der Elbe schwappt am Rand des Marmeladenglases hoch, in dem ein Handy steht. Marc hält es ins Wasser, drückt den Aufnahme-Button, dann lässt sein Kumpel den Magneten ins Wasser plumpsen. Der modrig-fischige Geruch des Elbewassers steigt auf, es fliegen Tropfen. "Wir machen nur noch schnell ein paar Slo Mo-Aufnahmen", sagt der Dresdner mit den blauen Haaren - und lässt das neue Video auf dem Handy ablaufen. In Zeitlupe plumpst der orangefarbene Magnet ins Wasser, eine Wasserblase fliegt majestätisch-langsam in die Luft: Top. Das Video ist im Kasten.
Wenige Tage später wird Marc das Video auf Instagram hochladen, dazu einen Rabattcode für den Anbieter des starken Magneten. Noch Dutzende Male wird der 38-Jährige den Magneten an diesem Tag in die Elbe werfen, immerzu auf der Suche nach schlammigen Schätzen. Die Würfe und das Fischen lässt er von seinem Kumpel filmen. Denn Marc ist hobbymäßig Magnetfischer - und die Fotos und Videos seiner Abenteuer teilt er auf Tiktok und Instagram.
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Marc wirft den Magneten ins Wasser - und fischt nach Metall
An diesem Tag hat er sich eine Stelle an der Elbe ausgesucht, nahe der Albertbrücke. Ein kleines Stein-Treppchen führt zum Wasser hinab, dort hat Marc sein Equipment ausgebreitet: Eimer, der Magnet an einem Seil, Handy und Stativ. Als er den Magneten das erste Mal in die Ferne wirft, kann er ihn leicht wieder zurückziehen. Kein großer Fang. Ganz leer ist er aber auch nicht: Mehrere kleine, rostbraune Metallsplitter hängen daran. "Ich nenne das immer die Elbkorallen", sagt Marc. "Die hast du hier in der Elbe immer dran."
Immer wieder wirft er den Magneten aus, zieht - und streift dann die Funde ab. Da ist zum Beispiel eine Art Stab, mit Gewinde dran. Ein Teil einer Schraube? Weitere Würfe geben Aufschluss: Marc fischt noch mehr Stangen aus dem Wasser, sie scheinen zu der mit dem Gewinde zu gehören. "Ich glaube, das war mal ein alter Handbohrer", sagt er - und hält die Teile in die Luft, sodass sie die Form zeigen. Dennoch: "kein Keeper", zieht er das Fazit. Keeper - das sind die Teile, die er aufheben möchte. "Ich stehe zum Beispiel auf das Mitropa-Besteck", sagt er - und fischt welches aus seinem Rucksack. "Das finde ich immer wieder." Ein anderer "Keeper": die ukrainische Münze, die er bei einer anderen Suche aus dem Wasser gezogen hatte.
Was das größte ist, was er bisher gefunden hat? Marc denkt kurz nach, bevor er zum nächsten Wurf ausholt. "In der Nähe von Kamenz in einem Steinbruch", sagt er dann, "haben wir mal ein Moped gefunden". Herausbekommen habe er es allerdings noch nicht. Stattdessen traf er Leute, die ihm die Geschichte dahinter erzählen konnten. "Vor über 50 Jahren wollte da mal einer auf seiner Schwalbe imponieren - und ganz kurz vor der Kante abbremsen", erzählt Marc. "Es ist ein Baudenzug gerissen: Die Maschine flog über die Kante."
Es war nicht das einzige Moped, das er fand. Aus der Elbe zum Beispiel, fischte er einmal eine Schwalbe. "Wir haben erst einen Sitz gefunden, dann den Tank - da wurde es interessant", sagt Marc. "Wir haben die dann am Wasser liegen gelassen. Als wir sie am nächsten Tag mitnehmen wollten, war sie weg."
Manchmal fischt er nur "Schrott", manchmal verbirgt sich dahinter eine Geschichte
Während er das alles erzählt, prasseln immer wieder Elbkorallen in Marcs Eimer. Ein paar kleine Wassertierchen krabbeln durch die rostbraunen Stücke. "Alles, was mehr Wert ist als zehn Euro", sagt Marc, "müssen wir ans Fundbüro abgeben". Kurze Pause. "Finden wir aber nie", sagt er dann - und lacht.
Viel eher passiere es, dass er Gruseliges finde - und die Polizei rufen müsse. Einen Tresor mit Reisepässen und kroatischem Geld, zum Beispiel. Oder Waffen. "Das passiert immer wieder Mal", erzählt Marc. "Beim ersten Mal habe ich das Ding geschnappt und bin damit zur Polizeiwache spaziert." Damals hatte er eine Maschinenpistole aus dem zweiten Weltkrieg aus der Elbe geangelt. "Da wurde ich dann erstmal aufgeklärt, dass ich die Beamten doch besser anrufen solle, weil ich so eine Waffe gar nicht transportieren darf."
Lange Abende werden es dann manchmal, wenn er und seine Freunde vielleicht kurz vor Ende des Ausflugs sind - und ausgerechnet dann eine Pistole aus dem Wasser fischen. "Das ist immer der beste Moment", sagt Marc. "Du denkst: Boah, 'ne Knarre! Und im nächsten Moment: Hoffentlich ist die nicht echt!" Marc spricht schnell, wenn er über solche Funde redet. "Oft warten wir dann stundenlang, bis die Polizei kommt." Manches Mal ist es eine Schreckschusswaffe, manchmal eine echte. Und ein anderes Mal sind es Waffen aus Weltkriegszeiten. "Man fragt sich dann schon, von wem die stammt und wie sie dahinkommt", sagt er.
Selbst, wenn sein Fund zur Aufklärung eines Verbrechens beiträgt, erfährt er es nicht
Gerade neulich erst habe er eine Schreckschusswaffe gefunden, die in Stoff eingenäht war. Noch heute frage er sich: Warum hat das jemand getan? Erfahren wird er es nicht. Selbst, wenn Marcs Fund zur Aufklärung eines Verbrechens beigetragen hätte: "Die Polizei gibt da keine Auskunft", sagt er.
Ist das, was er da macht, eigentlich legal? "Das unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Oft ist es auch eine Grauzone. Ich habe bei der Stadt eine Genehmigung geholt", erklärt Marc. "Weggeschickt wurde ich jedenfalls noch nie."
Warum er das macht? "In erster Linie aus Neugier", sagt Marc. Vor drei Jahren sei er durch Youtube-Videos aufs Magnetfischen gestoßen - und fand es interessant. Er kaufte sich einen Magneten und fischte im Fluss vor dem Haus seiner Eltern. Dort fand er eine Spielzeugpistole: "Die hatte ich selbst mal als Kind verloren", erinnert er sich. Aber was verbirgt sich dort noch alles, in den Tiefen des Wassers? Marc war angefixt.
Auch mit dem Metalldetektor ist er unterwegs
Und nicht nur das Magnetfischen hat es ihm seither angetan: Auch mit dem Metalldetektor zieht er los. "Der Magnet greift natürlich kein Gold oder Silber, das ist mit der Sonde anders", sagt er. Schade, dass das nicht in der Elbe möglich ist: "Hier liegen sicher viele Eheringe", vermutet Marc. Er selbst kenne Paare, die ihre nach gescheiterter Ehe dort versenkt hatten.
Marc wirft und wirft - und schwitzt immer mehr. Ganz schön anstrengend sei das! Er macht an diesem Tag zwei traurige Funde: zwei Rasierklingen. Die hole er häufiger aus dem Wasser. "Um herauszufinden, was es damit auf sich hat, musste ich erstmal die sozialen Netzwerke durchforsten", sagt er. So fand er heraus: Oftmals werfen Menschen, die sich selbst verletzen, die Klingen weg, wenn sie damit aufhören wollen.
Statt Gold, Silber, Eheringen oder Waffen ist Marcs Ausbeute heute: eine Gabel, der alte Handbohrer, ein Poller, ein Rohr, eine Schraube - und ein alter Holzverbinder, etwa von 1800. "Als damals Holz über die Elbe transportiert wurde, hat man die Balken damit verbunden", erklärt Marc. "Die findet man beim Magnetfischen in der Elbe fast jedes Mal." Auch das gehört zum Magnetfischen dazu: Rätselraten, Recherche.
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Die Videos zu seinen Funden von diesem Tag wird Marc nun schneiden - und dann bald auf seinen Social Media-Kanälen hochladen. Mehr als 20.000 Menschen folgen ihm allein auf Instagram. Dennoch: Leben kann er davon nicht. Er arbeitet als Maschinenbautechniker; die Videoaufnahmen entstehen an freien Tagen oder nach Feierabend. Die Rabattcodes, die Einnahmen für Tiktok-Videos, das Schrott-Geld: Leben kann er davon bei Weitem nicht. "Irgendwie muss man das Zeug ja auch zum Schrottplatz bekommen", sagt Marc. "Neulich habe ich mal 'nen Hänger gemietet - das hat mehr gekostet als das, was uns der Schrottplatz an Einnahmen gebracht hat."
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